Wenn der Mythos Che in den Kitsch kippt
Auch das Leben von Revolutionären will gezeichnet sein. Mitunter zu sehr zum Vorteil der Gezeichneten.
EFA, Salva Rubio: „Monet – Auf den Spuren des Lichts“Aus dem Französischen von Anja Koetz, 112 S., 22 Euro, Knesebeck Verlag, München Catherine Meurisse: „Olympia in Love“Aus dem Französischen von Ulrich Pröfrock. 72 S., 18 Euro, Reprodukt, Berlin Naturgemäß beschränkt sich das Comic-Biografische nicht auf Kunst und Künstler: Auch das Politische ist ihm keineswegs fremd. Und ebenso naturgemäß sind es nicht gerade politische Durchschnittskarrieren, die sich ins Bild gesetzt finden. Wer sollte sich schon für Titel wie, sagen wir, „Faymann – Die vorletzten Tage der Sozialdemokratie“oder „Mitterlehner – Zu kurz gekommen“interessieren?
Was geschieht, wenn sich jemand partout in den Kopf setzt, einem unstreitig untadeligen, aber ebenso unstreitig wenig spektakulären politischen Akteur via Comic ein Denkmal setzen zu wollen, ließ sich, zwei Jahre ist es her, an dem Band „Heinz Fischer und die Zweite Republik“ermessen, verantwortet von Reinhard Trinkler und Fritz Schindlecker: Der Mangel an Sensationswert ist an sich schon nicht leicht zu kompensieren, ganz gewiss jedoch nicht mit zeichnerischer Grobschlächtigkeit und dialogischer Trivialität.
Wir ahnen: Ganz ohne Mythos und ganz ohne Pathos ist da nicht viel zu holen. Und wo wäre beides leichter zu haben als bei den Revolutionären dieser Welt, namentlich jenem Revolutionär, der es zur global bestbekannten Ikone gebracht hat, verbreitet auf Postern, T-Shirts, Ansichtskarten: Ernesto Rafael Guevara de la Serna, genannt El Che, Marxist, Guerillaführer, Arzt, Autor und bis heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem gewaltsamen Tod 1967, das Gesicht des Aufruhrs schlechthin.
Eine Porträtfotografie von Alberto Korda aus dem Jahr 1960 ist es, die sich unverbrüchlich als Antlitz der Revolution in unseren Köpfen eingeprägt hat und die Person dahinter längst verdeckt. Wenig überraschend, dass dieses Antlitz auch Comic-Biografien auf dem Cover zeigen. Etwa jene argentinische, die, schon ein Jahr nach dem Tod Guevaras entstanden, der Carlsen Verlag weitere 40 Jahre später auf Deutsch vorlegte. Und wenngleich einer der mitverantwortlichen Zeichner, Enrique Breccia, späterhin beteuerte, wir sollten Guevara „weder idealisieren noch verteufeln“, so spricht allein dieses wohlbekannte Porträt und wie es sich hier ins grimmig Zerfurchte dramatisiert findet, eine ganz andere Sprache. Sonnenuntergang mit Castro. Ein Problem, dem sich „El Che“, erschienen kürzlich bei Knesebeck, entzieht – zumindest auf dem Coverbild, das die markante Augenpartie, nur dezent zur Zeichnung stilisiert, ziemlich genau Kordas Vorlage folgend zeigt. Auf den anschließenden Seiten allerdings verfallen Stefano Cattaneo und Giuliano Ramella bei allem Bemühen um inhaltliche Vielschichtigkeit – und durch ein streng holzschnittartiges SchwarzWeiß zusätzlich betont – immer wieder in jene Revolutionsplattitüden, die sich eher dem Kitsch als dem ernsthaften Bemühen um eine ebenso ernsthafte Auseinandersetzung zuordnen ließen.
Und dass El Che im Schlussbild Seite an Seite mit Fidel Castro in einen verträumten Sonnenuntergang schaut, den Satz: „Denn solange irgendwo Ungerechtigkeit herrscht, werden wir kämpfen!“auf den Sprechblasenlippen, das wäre möglicherweise sogar ambitioniertesten realsozialistischen Propagandisten von ehedem ein wenig übertrieben erschienen.