DIE BÜCHER
sondern die Biografie eines Modells: jener Frau, der E´douard Manet mit seinem Akt „Olympia“1865 einen bevorzugten Platz in der langen Reihe öffentlicher Kunstempörungen verschaffte.
Mit der realen Vita des Modells, Victorine Meurent, nachmalig selbst künstlerisch tätig, hält sich Meurisse erst gar nicht lang auf. Sie entwirft einen rein fiktiven Lebenslauf, in den sie bunt aneinandergereiht Querverweise auf insgesamt 50 Meisterwerke aus der Sammlung des Pariser Musee´ d’Orsay streut. Das freilich nicht, indem sie die Originale imitiert, sondern diese, nur deren grundsätzlicher Komposition folgend, im Detail dem ihr eigenen karikaturhaften Stil anverwandelt. Degas und Rousseau, Courbet und Ingres, van Gogh und ToulouseLautrec: Die Kunst des endenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts purzelt bunt durcheinander, und wer genau hinschaut, wird in dem weithin französisch geprägten Treiben auch ein Stück Österreich entdecken – einen Sessel von Josef Hoffmann.
Und weil wir solchermaßen schon in heimischen Gefilden angekommen sind: Da wäre auf eine Neuerscheinung hinzuweisen, die sich einem im Comic-Biografischen eher selten anzutreffenden bildenden Metier widmet: der Architektur. „Schwanzer – Architekt aus Leidenschaft“hat Benjamin Swiczinsky den Band betitelt, der sich in dankenswerter Weise der Karriere eines der bedeutendsten Architekten der hiesigen Nachkriegsmoderne, Karl Schwanzer, annimmt.
Dass sich ausgerechnet der Animationsfilmer Swiczinsky an diesem Leben und an diesem Schaffen erstmals als Zeichner versucht, ist kein Zufall, zählt doch sein Vater, Coop-Himmelb(l)au-Mitbegründer Helmut Swiczinsky, seinerseits zu der großen Zahl nachmaliger Architekturgrößen, die bei Schwanzer an Wiens Technischer Hochschule das Rüstzeug für ihr künftiges Berufsleben erhielten. Swiczinsky junior jedenfalls gelingt ein eindringliches Porträt dieses leidenschaftlichen Lehrers und Schöpfers, dem man nur da und dort anmerkt, dass sich sein Zeichner auf vergleichsweise ungewohntem Terrain bewegt.
Zum Schluss in einschlägiger Sache noch ein Blick in die Zukunft: Für kommenden März hat der Berliner Avant Verlag eine George-Grosz-Biografie des norwegischen Comic-Künstlers Lars Fiske angekündigt. Kunstfreunde – und nicht nur sie – dürfen gespannt sein.
Ein Stück Österreich mitten im Französischen: ein Sessel von Josef Hoffmann.
Giuliano Ramella, Stefano Cattaneo: „El Che“Aus dem Französischen von Anja Kootz, 128 S., 22 Euro, Knesebeck Verlag, München