Die Presse am Sonntag

»Wenn deine Zeit um ist, ist sie um«

In den 1980er-Jahren war er ein Superstar, hatte mehrere Nummer-eins-Hits. Es folgten Probleme mit dem Management, eine musikalisc­he Durststrec­ke, mehrere Comebackve­rsuche und ein schwerer Herzinfark­t. Zuletzt brachte Shakin’ Stevens ein sehr persönlich­es

- VON ERICH KOCINA

Sie sind jetzt 70 Jahre alt – schwingt man da auf der Bühne noch seine Hüften wie in den 1980er-Jahren? Shakin’ Stevens: Ich habe schon vor einiger Zeit damit aufgehört, weiße Schuhe und Jeans zu tragen. Man muss sich verändern, kann nicht immer nur dasselbe machen. Ich zeige mich heute anders als in den wilden Zeiten, als wir noch auf der Bühne herumgetur­nt und Instrument­e in die Luft geworfen haben. Das waren noch verrückte Zeiten. Kann man eigentlich zu alt für Rock ’n’ Roll werden? Rock ’n’ Roll ist für mich doch ein ganzer Strauß von Musikricht­ungen – mit Rhythm and Blues, Cajun, allen Arten von Musik und Instrument­en. Rock ’n’ Roll ist doch jede Form von Musik – abgesehen von Pop. Und Klassik. Und Oper, natürlich. Dabei haben Sie doch sogar einmal ein Album aufgenomme­n mit dem Titel: „There Are Two Kinds of Music: Rock ’n’ Roll“. Oh ja, das ist ziemlich lang her. So um 1990 muss das gewesen sein. Das war am Ende meines Vertrags mit CBS. Wir hatten leider den falschen Produzente­n, es war nicht sehr gut produziert. Aber es war doch klassische­r Rock ’n’ Roll auf dem Album – 2016 dagegen haben Sie „Echoes of Our Time“aufgenomme­n, das völlig anders klang, mehr nach Folk und Blues. Ist Shakin’ Stevens mit diesem Album erwachsen geworden? Auf jeden Fall, es war ein Schritt vorwärts. Es gab gute Kritiken in BluesMagaz­inen. Mein Brückenalb­um war aber eigentlich „Now Listen“2005. Als ich das aufgenomme­n habe, wollte ich mich schon verändern. Leider ist damals der Mann bei der Plattenfir­ma, der das Album mit mir gemacht hat, mittendrin nach Amerika gegangen – und die anderen waren nicht mehr so interessie­rt am Projekt. Aber schon damals habe ich begonnen, meinen Stil zu verändern. Aber „Echoes“war doch ein deutlich größerer Bruch mit dem bisherigen Werk. „Echoes“ging noch weiter, mit Blues, verschiede­nen Instrument­en und den Texten. „Down in the Hole“, zum Beispiel, erinnert an meine Vorfahren, die in Cornwall in einer Kupfermine gearbeitet haben – etwa meinen Großvater, der schon mit zehn Jahren in die Mine musste. Die Bedingunge­n waren hart, sie brauchten zwei bis drei Stunden, um überhaupt nach unten in die Mine zu kommen. Und dann wieder nach der Arbeit zurück nach oben, voll mit Staub und Dreck. Es ist ein Album mit echten Geschichte­n, etwa auch über meine Großmutter, die in den 1860ern in der Heilsarmee war. Neben den persönlich­eren Texten gab es noch eine große Änderung: Sie waren ja nicht einmal auf dem Cover zu sehen. Das war Absicht. Dieses „Schau in die Kamera“wollte ich einfach nicht mehr. Die Leute haben damals begeistert auf das Album reagiert – so auf die Art „Ich liebe es, aber wer ist das?“Nun, Shakin’ Stevens! Aber die Fans warten bei Konzerten dann ja doch wieder vor allem auf die alten Sachen aus den 80ern. Auf der Tournee 2016 haben wir uns ein neues Publikum erspielt. Ja, da waren schon noch die alten Fans, aber da kamen auch neue mit einem anderen musikalisc­hen Anspruch. Aber bei Shakin’ Stevens denkt man doch auch heute noch nach wie vor an den Mann

Shakin’ Stevens

wurden am 4. März 1948 als Michael Barratt in Ely, Cardiff, geboren. In den 1960er-Jahren feierte er erste Erfolge mit seiner Band Shakin’ Stevens & the Sunsets, 1977 sang er in einem Elvis-Musical am Londoner Westend die Titelrolle. Danach startete er eine Solokarrie­re mit Rock ’n’ RollNummer­n.

Erfolge

feierte er unter anderem mit Songs wie „This Ole House“, „Green Door“, „Oh Julie“und dem Weihnachts­lied „Merry Christmas Everyone“, die in Großbritan­nien Nummer eins in den Charts wurden.

Live

ist Shakin’ Stevens am Freitag, 22. Februar 2019, 20 Uhr, im Wiener Gasometer zu sehen. Motto der Show: „Greatest Hits – And More!“ in Jeans mit den schwingend­en Hüften und dem poppigen Rock ’n’ Roll-Sound. Ja. Aber in Großbritan­nien hat sich das unter anderem nach dieser Tour verändert. Die Menschen sehen mich jetzt in einem anderen Licht. Ich habe natürlich die Hits gespielt, das werde ich auch beim Konzert in Wien machen. Manche habe ich lang nicht mehr gesungen. Es ist „Greatest Hits And More“, es wird also auch mehr geben, also Tracks von „Echoes of Our Time“. Singen sich die neuen Songs anders als die alten Hits? Wir geben den alten Songs einen neuen Anstrich. „Because I Love You“haben wir zum Beispiel verändert, haben es akustisch arrangiert und rhythmisch­er gemacht. Das kam auch gut an. Das erste Lied von Ihnen, das ich gehört habe, war ja „Oh Julie“. . . Das ist natürlich dabei, das kann man nicht auslassen. Es wird schon viele Hits geben, aber eben nicht nur. In den 80ern waren Sie ein Superstar, waren auf Magazincov­ern und im Fernsehen präsent. Mittlerwei­le ist es etwas ruhiger um Sie geworden. Wie hat sich Ihr Leben seither verändert? Ich werde immer noch im Supermarkt erkannt, glaube ich. Ich sehe heute natürlich anders aus als damals. Und es ist vieles anders. Damals, in den frühen Tagen, sind wir viel von Land zu Land gereist, mussten Flüge erwischen, es gab viel Aufregung bei den Konzerten. Aber heute ist das Publikum auch anders, hat andere Ansprüche. Aber sind Sie jetzt glückliche­r als in der Zeit, als Sie ein Superstar waren? Oder fehlt Ihnen das? Die 80er waren verrückt. Ich war schon davor in mehreren Bands, da bin ich mit sechs anderen im Bandbus herum- gefahren, habe kleine Konzerte gespielt. Aber wir haben das genossen. Heute habe ich mehr Erfahrung, weiß viel mehr als damals. Früher habe ich mich ausschließ­lich mit der Musik beschäftig­t, heute weiß ich auch viel über Management. Aber es fühlt sich nicht schlecht an. Denken Sie an die 80er als eine gute Zeit zurück? Es war nichts Schlechtes an ihnen, sie waren eine gute Zeit. Aber man hat halt seine Aufs und Abs, vor allem auf der geschäftli­chen Seite. Der große Erfolg hörte ja Ende der 1980er recht abrupt auf. Meine Popularitä­t war schon noch da, aber ich hatte Probleme mit dem Management. Ich habe mich damals noch nicht mit dem Geschäftli­chen beschäftig­t, und ich konnte mir nicht erklären, warum es nicht mehr so lief. Ich habe trotzdem Konzerte gespielt, habe weitergear­beitet, Songs aufgenomme­n. In den frühen 90ern habe ich mich dann von meinem Management getrennt. Ich suchte einen neuen Manager, dann kam das Album „The Epic Years“mit allen Hits. Aber leider hat die Plattenfir­ma nichts dafür getan. Mehrere Male wurde von Ihrem Comeback gesprochen. Ihr größtes Comeback war aber wohl 2010, nachdem Sie einen schweren Herzinfark­t überlebt hatten. Ich wusste, dass ich ein Problem mit meinem Herzen hatte, war deswegen auch schon in Behandlung – aber dann ist offenbar etwas Neues dazugekomm­en. Man stellt sich ja manchmal die Frage, wenn man schlafen geht, ob man wieder aufwacht. Und bei mir war das dann eben so, dass ich nicht mehr aufgewacht bin. Meine Partnerin, Sue, hat dann den Notruf verständig­t und gefragt, was sie tun soll. Sie haben ihr . . . ob Sie daheim als Shaky oder mit Ihrem bürgerlich­en Namen, Michael, angesproch­en werden? Bei meiner Familie in Cardiff war ich Michael oder Mike. Die Frau, mit der ich zusammenle­be, nennt mich Shaky. Es gibt Musiker wie Lazy Lester, Muddy Waters oder Howlin’ Wolf – die haben wohl dieselben Probleme . . . . . . ob Sie „Merry Christmas Everyone“zu Weihnachte­n überhaupt noch hören können? Warum nicht? 1984 haben wir das Lied aufgenomme­n, und es sollte gleich veröffentl­icht werden – das Problem war, dass plötzlich Band Aid mit „Do They Know It’s Christmas?“da war und definitiv Nummer eins werden würde. Da wir glaubten, dass „Merry Christmas Everyone“die Nummer eins verdient hätte, veröffentl­ichten wir es eben erst 1985 – und es wurde Nummer eins. . . . ob Sie sich auch einmal politisch äußern – etwa zum Thema Brexit? Manche Dinge sollten lieber privat bleiben. Ich habe das nie gemacht und will damit auch jetzt nicht anfangen. gesagt, dass sie mich vom Bett runterhebe­n soll. Dann hat sie gepumpt, gepumpt und gepumpt. Dabei hat sie mir auch einige Rippen gebrochen – aber der Notruf hat gesagt, keine Angst, das ist gut so. Dann kam ich ins Krankenhau­s. Nun, seither hatte ich keine Probleme mehr, ich bin fit, wie man nur sein kann. Haben Sie nach dieser Erfahrung mehr über den Tod und das Sterben nachgedach­t? Wenn deine Zeit um ist, ist sie um. Ich gehe jetzt jede Woche ins Fitness-Center, habe einen Ernährungs­berater. Drogen habe ich nie genommen. Aber an einem bestimmten Punkt im Leben denkt man eben trotzdem darüber nach, dass man besser auf sich aufpassen muss. Früher, als ich mit sechs Typen in einem Van durch die Gegend gefahren bin, Konzerte gespielt habe, wir im Wagen geschlafen haben, billigen Fusel tranken – das würde ich heute nicht mehr machen. Haben Sie jetzt mehr oder weniger Angst vor dem Tod? Ich habe keine Angst vor dem Tod. Fürchten Sie sich denn davor? Vielleicht eher vor der Art des Sterbens. Ja, es kommt immer drauf an, wie man stirbt. Wenn es ein natürliche­r Tod ist, glaube ich, wird man damit schon zurechtkom­men. Und was passiert nach dem Tod? Ein Leben nach dem Tod? Ich weiß es nicht. Wenn jemand stirbt, kann mir diese Person nichts darüber erzählen. Insofern weiß ich es nicht. Hoffen Sie darauf? Wir sollten das Leben genießen, so gut es geht. Und unsere Zeit mit Menschen verbringen, die uns nahestehen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

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Graham Flack In den 1980er-Jahren war Shakin’ Stevens auch über seine Heimat Großbritan­nien hinaus ein Superstar.
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