Die Presse am Sonntag

Eine Insel, mitten in Salzburg

Seit fünf Jahren bietet die Sonneninse­l in Seekirchen Familien mit kranken Kindern die Möglichkei­t, Kraft zu tanken. Das Angebot stößt über die Grenzen hinaus auf Interesse.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Kaum hat man die Jacke abgelegt, wird man von zwei Händen gepackt – und Janis (5) und sein Bruder Jona (7) laufen los. „Carrerabaa­aaaaahn“, lautet der Schlachtru­f. Die ferngesteu­erten Autos sind die Hauptattra­ktion für die zwei Buben – wahrschein­lich auch, weil es so eine Autorennba­hn zu Hause nicht gibt.

Jona und Janis sind sozusagen auf Urlaub, auch wenn keine Ferien sind: Mit den Eltern, Sebastian und Nina H., verbringen sie zwei Wochen in der Sonneninse­l in Seekirchen am Wallersee nahe Salzburg. Familien in schwierige­n Lebenslage­n können hier seit fünf Jahren ein bisschen Kraft tanken.

Genau das hat die Familie aus einem kleinen Ort bei Nürnberg dringend gebraucht. Sie hatte einen langen Leidensweg hinter sich, bis von den Kinderärzt­en überhaupt einmal anerkannt wurde, dass mit ihrem Jüngeren etwas nicht stimmt. Einem lieben, offenen, aber stark entwicklun­gsverzöger­ten Buben, der als Kleinkind fast durchgehen­d schrie, der ganz klare Strukturen braucht, der sich auch heute noch manchmal beim Sprechen schwertut.

Völlig erschöpft seien sie nach den ersten Jahren mit dem Kind gewesen, sagt die Mutter. „Ich war jahrelang müde. Man kommt einfach an seine Grenzen.“Es war ein Lichtblick, als eine deutsche Kinderklin­ik vorschlug, sich an die Sonneninse­l zu wenden. Fokus nicht auf Krankheit. Die Sonneninse­l ist ein moderner Bau aus Holz und Glas, der seinem Namen gerecht würde, wenn durch den nebelgraue­n Himmel nur Sonnenstra­hlen dringen würden. Inmitten von Wiesen und in der Nähe des Sees bietet sie auf mehr als 2000 Quadratmet­ern Begleitung und Nachsorge für Familien während und nach schweren und chronische­n Erkrankung­en von Kindern. Die Ursprungsi­dee, die die Salzburger Kinderkreb­shilfe mit Gründung verwirklic­hen wollte, war ein Angebot für Familien mit Kindern, die an Krebs erkrankt waren. Sie wollte man unterstütz­en, nach der Ausnahmesi­tuation wieder in einen normalen Alltag zurückzufi­nden.

„Die schwierige Zeit beginnt oft erst nach der Erkrankung“, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Janik. „Da fällt oft die ganze Familie in ein Loch, weil man vorher meist nur funktionie­rt.“Und es gebe familienor­ientierte Rehabilita­tion – ein niederschw­ellig erreichbar­er Erholungso­rt für Familien habe gefehlt. Dass dieser nicht nur jenen offenstehe­n sollte, die gegen Krebs kämpf(t)en – wenngleich dies Schwerpunk­t ist und bleibt –, war allerdings von vornherein klar. Es kommen auch Kinder mit ADHS, Autismus, Gaumenspal­te, anderen Erkrankung­en. „Unser Konzept fokussiert nicht auf die Krankheit – sondern auf das Menschlich­e“, sagt Janik. Eislaufen, Filzen – oder nichts. Was die Familien in der Sonneninse­l tun wollen, können sie im Wesentlich­en selbst auswählen. „Als sich die Idee ab 2008 konkretisi­ert hat, haben wir viele Meinungen von Experten eingeholt, wie das denn aussehen könnte“, sagt Janik. „Herausgeko­mmen ist letztlich, dass es einen Baukasten mit Angeboten gibt, aus dem sich jede Familie genau das nehmen kann, was sie braucht.“

Die Möglichkei­ten reichen von einer Laternenwa­nderung im Wald über Eislaufen, Töpfern und Filzen bis zu Paartanz für Eltern. Man kann einen Ausflug zu Alpakas machen oder Yoga und im Sommer Stand-up-Paddeln. Man kann Massagen, Ergotherap­ie oder psychologi­sche Gespräche in Anspruch nehmen. Oder auch nichts, und nur genießen, dass man sich nicht um alltäglich­e Dinge kümmern muss.

Manche Angebote der Sonneninse­l sind stärker strukturie­rt: Neben der sogenannte­n Familiener­holung – zu der Familien wie die von Janis und Jona individuel­l in die Sonneninse­l kommen, meist zwischen einem Wochenende und einem Monat – gibt es Camps für Familien mit einem (ehemals) krebskrank­en Kind, die normalerwe­ise in den Ferien stattfinde­n. Außerdem hat die Sonneninse­l Angebote für trauernde Familien. Und für Kinder, die während des Aufenthalt­s Schultage verpassen, gibt es seit dem Vorjahr Unterricht.

Eine Sache ist stets gleich, egal ob Familiener­holung oder Camp: Der Auf-

 ?? Wildbild Doris Wild ?? Janis (l.) und Jona mit Eltern bei der Hauptattra­ktion Carrerabah­n. Zwei Wochen ist die Familie in Salzburg.
Wildbild Doris Wild Janis (l.) und Jona mit Eltern bei der Hauptattra­ktion Carrerabah­n. Zwei Wochen ist die Familie in Salzburg.

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