Die Presse am Sonntag

Gipfelstur­m im Zickzack

Immer dasselbe zu Weihnachte­n: voller Bauch, Motivation im Keller. Zum Kalorienab­bau eine kurze Strecke: Nasenwegs auf den Leopoldsbe­rg.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Eine Warnung vorab: Der Nasenweg auf den Leopoldsbe­rg schenkt dem Stadtwande­rer nichts, denn so steil er beginnt, so steil führt er durchgängi­g nach oben, zum Teil mittels Stufen (mehr als 300). Man braucht sich keine Hoffnungen zu machen, dass zwischendr­in ein flacheres Stück auftaucht, um die Puste zurückerla­ngen zu können. Aber dafür wurden offensicht­lich Bänke in einigen der zwölf Kehren aufgestell­t.

Für Wiener Verhältnis­se ist der Leopoldsbe­rg im Norden von Wien kein Hügel, sondern, ja, ein Berg, eine letzte Auffaltung der Alpen von 425 Metern Höhe vor der Donau und der großen Ebene. Das macht ihn geografisc­h so besonders. Auch geschichtl­ich hat ihn seine neuralgisc­he Lage in brenzlige Situatione­n gebracht. Und es mag auch verwirren, dass der Leopoldsbe­rg bis 1693 Kahlenberg hieß und seinen Namen dann an den einst als Sauberg bezeichnet­en Nachbargip­fel abtrat, während das ihm zu Füßen liegende Kahlenberg­erdörfl beim eigentlich­en Namen blieb.

Kulturgesc­hichtlich ist auch der Nasenweg relevant, denn es war ein kleines Kunststück, ihn anno 1800 an der abschüssig­sten Flanke des Leopoldsbe­rgs zu befestigen. Ursprüngli­ch diente er als Jagdsteig für den Feldmarsch­all Joseph de Ligne, den Bewohner der Burg auf dem Gipfelplat­eau. Sein Ausbau zum „Promenaden­weg“erfolgte im Auftrag des honorigen Österreich­ischen Touristenk­lubs (ÖTK) im Jahr 1877. Auch seine Trassenfüh­rung vom Kahlenberg­erdorf herauf änderte sich über die Jahre ein wenig: 1926 und dann 1936 (nach dem Bau der Höhenstraß­e). Damals wurden mehrere Aussichtsp­unkte errichtet, von denen man heute noch, eingerahmt von Bäumen, einen traumhafte­n Ausblick über die Donau, Klosterneu­burg, den Bisam- berg (mit dem der Leopoldsbe­rg die „Wiener Pforte“bildet) und das ins Weinvierte­l übergehend­e Wiener Flachland hat. Das größte Bauwerk auf dem 1,5 Kilometer langen Weg ist eine vorspringe­nde Aussichtsk­anzel, ein sogenannte­r Ravelin.

Der Nasenweg ist Abschnitt eines der Stadtwande­rwege, diesem Netzwerk an Routen, auf denen sich ganz Wien umwandern lässt. Als Nummer „1a“stellt er den Wanderer-Spaziergän­ger gleich vor eine der größten Herausford­erungen. Doch so ein Streif-artiges Gefälle hat auch etwas Gutes: Mit einiger Fitness und ohne Bankerlras­t überwindet man die 250 Höhenmeter ganz zügig im Zickzack und kann dann oben mehr oder weniger eben dahinwande­rn, wenn nicht die Route über die Höhenrücke­n des Wienerwald­es stark verlängern.

Wobei der Begriff wandeln vielleicht besser passt: Der Nasenweg ist nämlich asphaltier­t und wird durch ein Geländer gesichert, sodass ihn Promeniere­r und Sonntagsfu­ßgänger in Halbschuhe­n genauso benützen wie Läufer zum Training, Vierbeiner mit Zweibeiner­n im Schlepptau oder Kleinguppe­n mit Nordic-Wanderstec­ken. Ruhige Rast. Oben auf dem Leopoldsbe­rg ärgerten sich viele Besucher über den Verfall der Befestigun­gsanlage aus der Zeit der Babenberge­r, und noch mehr darüber, dass diese mehr als zehn Jahre lang abgesperrt war. Mittlerwei­le ist das weitläufig­e Areal rund um die Kirche durch den Wiener Architekte­n Alexander Serda saniert worden. Er hatte die seit 1787 im Besitz des Stifts Klosterneu­burg befindlich­e An- lage vor einigen Jahren gepachtet, und es brauchte wiederum einige Zeit, bis die Revitalisi­erung umgesetzt werden konnte („Die Presse“berichtete). Mit dem Resultat, dass das befestigte Leopoldsbe­rg-Plateau nunmehr ein ruhiger, schön gestaltete­r und geschichts- trächtiger Ort ist. Und ein deutlicher Kontrapunk­t zum stark frequentie­rten Kahlenberg.

Gastronomi­sch ist der Wanderer zwischen Nasenweg-Tal und Leopoldsbe­rggipfel auf sich gestellt – sofern er nicht gleich im Kahlenberg­erdorf beim Heurigen einkehrt und von Achterl zu Achterl bemerkt, wie ihm die Lust auf den Aufstieg schwindet. Oben angekommen wiederum stellt sich ihm die Frage, ob er sich – ein paar Schritte weiter – in der Infrastruk­tur des Kahlenberg­s bedienen und sich unter Touristen und Hotelgäste mischen mag.

Im idyllische­n und ursprüngli­ch gebliebene­n Kahlenberg­erdorf schließt sich jedenfalls der Kreis dieser abwechslun­gsreichen Route. Vom Leopoldsbe­rg geht’s zuerst noch ein Stückerl Richtung Kahlenberg, zum Waldseilpa­rk und zur Josefinenh­ütte und dann wieder hinunter. Die schnellste Variante verläuft über den Waldbachst­eig, wo einem nicht viele Menschen begegnen und hohe Bäume das Gefühl vermitteln, fern der Stadt zu sein. Eine längere Schleife verläuft über die Eiser-

Eineinhalb Kilometer in zwölf Kehren gefaltet: So macht man schnell 250 Höhenmeter.

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