Bekommen«
Sie gehen in die Verhandlung mit einem Angebot, das fürs Gemeinwohl zu niedrig ist. Und behaupten da schon: Mehr geht nicht. Wir spielen kein Theater. Ein Konsens muss sich erst bilden. Das ist ein Verhandlungsprozess, kein Feilschen. Gut verhandeln heißt hart verhandeln. Wo ist da für Sie die Grenze überschritten? Die Gespräche nehmen regelmäßig eine gewisse Härte an. Man muss seine Position auch wahren. Man tut der Sache nichts Gutes, wenn man um vier Uhr in der Früh aus Müdigkeit nachgibt, statt bis sieben weiterzuverhandeln. Es geht aber auch um Vertrauen, um den Respekt voreinander. Dass man weiß, wie weit man gehen kann, dass man sich keine persönlichen Dinge an den Kopf schmeißt. Und es geht um Großzügigkeit, die vertretbar ist. Nur ein Buchhalter muss kleinlich sein. Warum ist der Kapitalismus so unbeliebt? Die Zusammenballung von Kapital und damit verbundener Macht wird als gefährlich hingestellt. Macht kann zu Fehlentwicklungen führen. Das Kapital als Produktionsfaktor schafft bei Mitgestaltern der Wertschöpfungsprozesse eine Abhängigkeit, die unangenehm sein kann. Aber der Kapitalist hat sein Vermögen, ob geerbt oder verdient, von Gott bekommen. Seine Verantwortung ist, es zum Wohle aller einzusetzen. Gegen Missbrauch muss die Gesellschaft einschreiten. Ich wünsche mir, dass der Markt zeigt, welche Firmen die Gesellschaft anerkennt und welche nicht. Auch jeder Konsument mit seiner Kaufentscheidung. Wer sehr viel Geld macht, ist der Held der Rankings. Bei Matthäus steht: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“Wir Christen verehren den Mammon auch nicht. Mammon ist übersetzt der Gewinn, und der ist notwendig, um eine Organisation am Leben zu erhalten. Erfolgreiche Unternehmer auf den Titelseiten: wunderbar, vor allem, wenn das Erwirtschaftete erhalten bleibt und langfristig wirkt. Und Finanzjongleure, denen es nur darum geht, selbst möglichst reich zu werden? Hedgefonds, Investmentbanking, Private Equity: Das sind alles wichtige Funktionen. Aber deren Aufsichtsräte müssen darauf achten, dass Optimierungen und Partikularinteressen nicht dem Gemeinwohl schaden. Das ist die Lehre aus der Finanzkrise. 2009 sagte der damalige Goldman-SachsChef Blankfein auf die Kritik, dass er in der Finanzkrise Rekordboni auszahlt: „Ich bin ein Banker, der Gottes Werk verrichtet.“Ich bin von diesem Satz begeistert! Dass die Besten der Besten ein hohes Entgelt haben, regelt der Markt. Aber ausufernde Bonuszahlungen wird man der Öffentlichkeit irgendwann schwer erklären können. Da sollen die Aufsichtsräte für eine Deckelung sorgen. Da sind wir wieder bei der Mäßigung. „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“: Begeistert Sie auch dieser Satz? Was ist schon reich? Das ist so relativ. Na ja. Wer zu den reichsten 0,1 Prozent der Weltbevölkerung gehört, ist objektiv reich. So leicht kann man sich da nicht rausreden. Im Lukasevangelium steht: „Wem viel gegeben worden ist, von dem wird auch viel gefordert.“Reichtum ist das „Vermögen“, etwas zu bewegen. Mit anvertrauten Mitteln etwas tun, das zu breitem Mehrwert für alle führt: Wenn das einem Reichen gelingt, wird er mit Sicherheit in den Himmel kommen. Im Gleichnis erhalten die Arbeiter im Weinberg alle den gleichen Lohn, egal ob sie eine Stunde oder den ganzen Tag gearbeitet haben. So viel, wie notwendig ist, um eine Familie zu ernähren. Da geht es um Gleichverteilung materieller Güter. Ich glaube, das ist eine Absage an den Neid. Er ist eine der großen Sünden. Ein Vorwurf, der keine Rückantwort zulässt. Das Gleichnis will uns sagen: Sei zufrieden mit dem, was du bekommst, und nimm es dankbar an. Sich zu fragen: „Warum kriege ich weniger, obwohl ich mehr leiste?“– ist das denn böse? Da steht doch auch ein Gerechtigkeitsempfinden dahinter . . . Auch wenn es abgedroschen ist: Geld allein macht nicht glücklich. Unzufrieden zu sein, weil man weniger verdient, führt nur zu Streitereien. Man muss sich nicht übern Tisch ziehen lassen. Aber wenn andere mehr bekommen: Soll sein. Mir wird es schon auch wieder gelingen, mich zu verbessern. Es gibt Menschen, denen das Gemeinwohl sehr am Herzen liegt, und für die wachsende Ungleichheit das größte Übel unserer Zeit ist. Sagen Sie denen „Ihr seid neidisch“? Unternehmertum bringt Wohlstand für alle. Da einzugreifen, zu sagen „Das muss jetzt gerechter sein!“und vorzuschreiben, was gerecht ist: Das entspricht nicht unseren Überzeugungen, dass Marktwirtschaft das richtige Modell ist. Wir müssen es nur mit Werten befüllen. Diese Werte regeln eine sinnvolle Teilhabe am Wohlstand.