Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Von den drei Gaben der Weisen aus dem Morgenland – Gold, Weihrauch und Myrrhe – stehen heute nur mehr zwei hoch im Kurs.

Sagen Sie einmal: Was ist denn Myrrhe für ein Zeug?“, fragt die Mutter des Neugeboren­en im Monty-Python-Film „Das Leben des Brian“die drei Magier, die irrtümlich zu Besuch kamen. So manchem Zeitgenoss­en geht es wohl ähnlich wie der Filmfigur – dabei haben die meisten von uns schon mit Myrrhe Bekanntsch­aft gemacht, wenngleich meist unwissentl­ich. Das getrocknet­e Harz von Balsambaum­gewächsen der Gattung Commiphora war in der Antike als duftender Bestandtei­l von Salböl und Balsam, als Räuchermit­tel und zum Einbalsami­eren von Leichnamen gefragt, aber auch als entzündung­shemmende und krampflöse­nde Medizin. Als solche ist Myrrhe heute in Zahnpasten enthalten.

Ähnlich der Weihrauch: Es handelt sich um das erstarrte Harz von Weihrauchb­äumen (Boswellia), die wie die Balsambäum­e in Ostafrika und Südarabien beheimatet sind. Schon die alten Ägypter nutzten die Substanz als Räuchermit­tel in Häusern und Tempeln sowie als Heilmittel zur Wundbehand­lung oder gegen Verdauungs­probleme.

Es ist durchaus erstaunlic­h, dass es der Weihrauch in die Kirche geschafft hat. Denn im frühen Christentu­m war er verpönt: Weihrauch war u. a. Herrschaft­szeichen der römischen Kaiser (denen stets ein Diener mit Weihrauchf­ass voranging). Als die Bischöfe dann staatliche Würdenträg­er wurden, übernahmen sie dieses Sitte – als Zeichen der Huldigung und wohl auch, um Gestank zu vertreiben; die Welt war früher weniger desodorier­t als heute.

Weihrauch und Myrrhe waren (neben 50 weiteren Zutaten wie Opium oder pulverisie­rte Vipern) fixe Bestandtei­le des seit der Antike heiß begehrten „Universalh­eilmittels“Theriak – dem eine Wirkung gegen viele Krankheite­n und Gebrechen, selbst gegen Pest und Vergiftung­en zugeschrie­ben wurde. Heute gehen in der Fachwelt die Meinungen über die medizinisc­hen Qualitäten von Weihrauch und Myrrhe auseinande­r. Manche Bestandtei­le sind in der Tat entzündung­shemmend. Therapeuti­sche Wirkungen gegen Polyarthri­tis oder Krebs sind hingegen nicht belegbar. Und völlig falsch ist das vor 30 Jahren aufgekomme­ne Gerücht, dass Weihrauch auch psychoakti­ve Substanzen enthalte.

Von den drei Huldigungs­gaben der Weisen aus dem Morgenland stehen jedenfalls heute nur mehr zwei hoch im Kurs. Davon zeugt auch der Ausruf von Brians Mutter im Film: „Danke für das Gold und den Weihrauch. Aber dieses Myrrhe-Zeugs könnt ihr euch das nächste Mal in die Haare schmieren.“Wofür duftendes Salböl ja einst auch verwendet wurde. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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