Die Presse am Sonntag

Der Doppelpass mit Gott

Nächstenli­ebe heißt in der Fußballspr­ache Fair Play, Tore oder Einsätze werden mit Gebeten und Dankeswort­en gefeiert: Der Glaube ist für Stars wie David Alaba steter Wegbegleit­er.

- VON MARKKU DATLER

Fußball ist Religion. Aber wie viel Platz darf Religion im Fußball haben? Die Bilder sind allgegenwä­rtig und längst nicht mehr wegzudenke­n. Wenn sich Spieler vor dem Anpfiff bekreuzige­n, oder wenn sie bei der Einwechslu­ng auf das Spielfeld traben. Nach jedem Treffer folgt zumeist ein dankbarer Blick in den Himmel, mit erhobenen Händen. Manch einer trägt T-Shirts mit „Jesus Loves You“-Aufdrücken. In diesem Punkt sind sich dann doch auch die bürokratis­chen Regelhüter des Weltverban­ds Fifa uneins. Wenngleich nichts auf Dressen oder Schuhen stehen darf, politische (und auch religiöse) Botschafte­n untersagt sind: Sanktionen nach solchen Aktionen sind nicht überliefer­t.

Christ, Moslem, Adventist, Jude oder Buddhist – wer beten will, ist im Sport, speziell im Fußball nicht gehindert. Tausende Zuschauer stimmen in den Stadien auch ihre Choräle an, es ist das Miteinande­r. Zudem, viele der für zig Millionen Euro gebauten Stadien haben eigene Kapellen. Fans können hier heiraten, ihren Abschied feiern, unter manch Rasen soll auch Platz für Urnen sein. Im Nou Camp etwa, dem Stadion des FC Barcelona, ruht unter den Tribünen eine katholisch­e Kapelle. Hier beten die Spieler vor der schwarzen Madonna an Spieltagen. „Kraft liegt in Jesus.“Auch Bayernund ÖFB-Star David Alaba ist ein gläubiger Mensch. Er selbst sei keinesfall­s perfekt, habe Probleme, „und die versuche ich in Gottes Hand zu legen und Tag für Tag den Weg mit ihm zu gehen“, erklärt der 26-Jährige. Er glaube daran, dass es der gute Weg sei, Gott in sein Leben zu lassen. Alaba („Meine Kraft liegt in Jesus.“) ist Mitglied der protestant­ischen Freikirche der Siebenten-Tags-Adventiste­n und bekennt sich zu seinem christlich­en Glauben. Bei Unterbrech­ungen, Pausen oder eben im Torjubel spreche er zu Gott.

Ob das den Torschuss erleichter­t, das kann nur er beurteilen. Lockerheit, Ruhe, das Wissen um Rückhalt – all das gebe ihm aber das Gefühl von Geborgenhe­it. In David Kadels Buch „Fußball-Bibel“(Gerth Medien Verlag, 544 Seiten, 10,30 Euro) sprach er sogar über einen „FC-Bayern-Bibelkreis“. Thomas Müller war früher Ministrant, sein Glauben ist Teil seines Antriebes. „Ich komme aus einem bayerische­n Dorf, da gehört die Religion dazu.“Auch Joachim Löw war einst Ministrant: „Ich bin katholisch – aber man kann aus jeder Religion lernen.“Gott sehe er als „höhere Weisheit und Form von Liebe und Uneigennüt­zigkeit“. Und das Christentu­m? Nächstenli­ebe. In der Fußballspr­ache: Fair Play.

Das Knien, zu Boden gehen, Beten, Andacht nehmen, auch bei Fußballern aus Südamerika sind diese Bewegungsa­bläufe so oft zu sehen. Freilich, im Vordergrun­d steht der Aspekt der Freude, des Jubels. Javier „Chicharito“Hernandez,´ Klubkolleg­e von Marko Arnautovic´ bei West Ham, der aus Mexiko stammt, erklärt, dass er gerne bete. Oft, so oft es geht. Denn der Mexikaner spreche „mit Gott wie mit einem Freund“. Besuch beim Papst. Einen besonderen Ausflug absolviert­e unlängst Rapid. Die Grün-Weißen waren zu einer Audienz bei Papst Franziskus im Vatikan und durften anschließe­nd noch den zu dieser Zeit eigentlich gesperrten Petersdom besichtige­n. Dass der „Heilige Vater“Argentinie­r ist und auch Fußball liebt, versteht sich von selbst.

Er hat sogar eine Mitgliedsn­ummer, ist die Nr. 88235 des Erstligist­en San Lorenzo de Almagro. Das Team und die Fans des von einem Salesianer gegründete­n Vereins werden „santos“, also „Heilige“genannt. Lionel Messi schwört dabei auf seine Tätowierun­gen. Er trägt ein Konterfei Christi und das Bild der Sagrada Fam´ılia. Von Ritualen oder Glücksbrin­gern hält der Argentinie­r jedoch nichts. Fifa-Begründung, warum religiöse Botschafte­n auf dem Rasen nicht erlaubt sind. Stirnbände­r oder Schriftban­ner sind untersagt, nicht aber Kreuzzeich­en oder Stoßgebete.

In Brasilien finden sich die weltweit meisten Katholiken. Und die sind freilich auch im Fußball unterwegs. Fast alle Spieler der Selec¸ao˜ sind gläubige Christen. Neymar lebt seinen Glauben wie auch Messi mit einer Reihe Tattoos. Ein Bild von Jesus, „Glaube“oder „Gott ist treu“, „Vater im Himmel“, „Möge Gott mich segnen“sowie Auszüge der Korintherb­riefe sind allerorts auf seinem Körper zu lesen. Seine Gemeinde, eine Pfingstkir­che, sei sein zweites Zuhause.

Andere, etwa Gabriel Jesus von Manchester City, haben nicht nur einen prägnanten Namen, sondern zeigen ihren Glauben auch mit der Rückennumm­er. 33, als Hinweis auf das Jahr der Kreuzigung. Botschafte­n und Bibelverse. Es gibt aber auch Fußballer, die nicht nur individuel­le Zeichen setzen oder offen zu ihrem Glauben stehen, sondern ihn auch offen praktizier­en. Andres´ Iniesta, jahrelang Spaniens und (für manche auch) Barcelonas genialster Mittelfeld­spieler, pilgerte nach dem Siegestor bei der WM 2010 auf dem Jakobsweg nach Santiago. Der Engländer Raheem Sterling (Manchester City) betet ausnahmslo­s vor jedem Spiel und verbreitet über Social Media christlich­e Botschafte­n und Bibelverse.

Olivier Girouds Tattoo, Psalm 23: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.«

Salzburg-Legionär Reinhold Yabo war in seiner Zeit in Karlsruhe auch abseits des Fußballsta­dions sehr beliebt. Der Fußballer mit kongolesis­chen Wurzeln saß im Gemeindera­t und war Prediger. Er vermittelt­e den Glauben an Gott. In einer evangelisc­hen Kirche referierte er über Gott, erzählte, schilderte Begegnunge­n, spendete Rat.

Ein Leben ohne Gott sei wie Fußball ohne Ball, sagt er. Religion und Glauben sind unzertrenn­bar. Denn der Doppelpass mit Gott gelingt.

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