Mit großer Mission auf hoher See
13 Frauen stellen sich bei der legendären Sydney-Hobart-Segelregatta Wind und Wellen. Ihr Anliegen: mehr Respekt und Anerkennung in der männerdominierten Szene sowie Bewusstsein für den Schutz der Ozeane zu schaffen.
Es ist eine der schwierigsten Regatten der Welt: das Sydney Hobart Yacht Race. 628 nautische Meilen (1170 km) liegen zwischen der australischen Metropole und der Hauptstadt der vorgelagerten Insel Tasmanien, die Strömungen in der Meerenge Bass Strait sind genauso tückisch wie die sommerlichen Böen und Stürme in „Down Under“. Der Start erfolgt traditionell am 26. Dezember, im anglikanischen Raum als „Boxing Day“bekannt, heuer zum bereits 74. Mal und ist offen für alle: Freizeitsegler messen sich mit Olympiasiegern, die einzige Voraussetzung ist eine Jacht, die die Sicherheitskriterien erfüllt. Was einer Idee zwischen Freunden und einem Offizier der britischen Royal Navy entsprang und 1945 mit neun Teilnehmern begann, ist in diesem Jahr eine Wettfahrt von 92 Booten – und eines davon wird erstmals von einer ausschließlich weiblichen ProfiCrew gesteuert.
Teilnehmerinnen hat es in der Geschichte der Regatta weit über 1000 gegeben, Jane Tate war 1946 die erste von ihnen. Ihr zu Ehren wird seither jedes Jahr die Jane Tate Memorial Trophy an die erste Skipperin im Ziel verliehen. 1975 ging schließlich erstmals ein reines Frauenteam an den Start, doch nie zuvor hat eine weibliche Besetzung so viel Erfahrung an Bord gebündelt: Angeführt von der australischen Kapitänin Stacey Jackson, hat die 13-köpfige Besatzung mit Carolijn Brouwer (NED), Libby Greenhalgh (GBR), Sue Crafer (AUS), Sophie Ciszek (AUS), Katie Spithill (AUS), Vanessa Dudley (AUS), Bianca Cook (NZL), Jade Cole (AUS), Faraday Brooke Martin (AUS), Keryn McMaster (NZL) und Katie Pettibone (USA) 68 Teilnahmen an Sydney-Hobart sowie 17 Weltumseglungen im Rahmen des Volvo Ocean Race vorzuweisen. Qual und Inspiration. Mit der Idee, mit einer weiblichen Profi-Crew bei Sydney-Hobart anzutreten, hat Jackson schon länger gespielt. „Ich hatte das Team zusammen, lange bevor ich wusste, dass ich das wirklich durchziehe“, erzählte die 35-Jährige. Ob Steuerfrau, Vorschoterin oder Navigatorin, für jede einzelne Position habe sie die Beste auf der Welt gesucht. „Eine ganze Menge Frauen kamen in Frage, es war eine harte Wahl.“In weiterer Folge konnte sie die wohlhabende Unternehmerfamilie Oatley für ihr Projekt gewinnen, die ihr die Maxi-Jacht Wild Oats X, das Schwesternboot der achtmal prämierten Super-Maxi-Jacht Wild Oats XI, zur Verfügung stellte. Die Patenschaft übernahm Australiens frühere Außenministerin Julie Bishop. Die konservative Politikerin bezeichnete die Crew als „Inspiration für Frauen und Mädchen rund um die Welt“.
66 Fuß, umgerechnet 20 Meter, ist die Superjacht aus Carbon lang und 4,5 Meter breit. Im Gegensatz zum Volvo Ocean Race gibt es keine Einheitsklasse, es treten also unterschiedlich große Boote gegeneinander an. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird neben dem Ranking nach gesegelter Zeit („line of honours“), bei dem zumeist das größte und modernste Modell die Nase vorn hat, auch der Tattersall’s Cup vergeben. In diese Handicap-Wertung fließen auch Länge, Gewicht, Design und Größe der Segel ein. „Ein Team aus Frauen wie dieses, das um den Sieg mitfahren kann, ist ein großer Fortschritt für den gesamten Segelsport“, ist Jackson überzeugt. Denn die Australierin weiß aus eigener Erfahrung, dass Seglerinnen nach wie vor Skipperin Stacey Jackson (4. v. l.) mit einigen Kolleginnen und Patin Julie Bishop (3. v. r.) bei der Präsentation. nicht nur gegen die Naturgewalten, sondern auch gegen Vorurteile anzukämpfen haben. So hatte sie 2015 eigentlich schon die Zusage für ein Engagement an Bord. „Als sie realisiert haben, dass Stacey Jackson ein weiblicher Name ist, haben sie mir im letzten Moment abgesagt und mir das am Telefon auch genau so mitgeteilt“, erinnerte sie sich. Den Start mit ihren zwölf Kolleginnen sieht sie deshalb als Zeichen. „Wir freuen uns, Segeln zu promoten und Frauen für den Sport zu gewinnen.“
Jackson selbst ist in Mooloolaba, 100 km nördlich von Brisbane an der australischen Sunshine Coast, aufgewachsen und wagte sich im Alter von sieben Jahren erstmals aufs Wasser. „Ich war immer ehrgeizig, wollte besser sein als mein Bruder.“Die ersten Ausfahrten im Dingi weckten die Leidenschaft, inzwischen hat sie sich auf den härtesten Regatten der Welt einen Namen gemacht. Was für sie bis heute den Reiz daran ausmacht? „Das Gefühl der Errungenschaft. Beim Segeln erleben wir das ganze Repertoire des Planeten. Die Kraft, die dein Körper benö- tigt, um den Extremen standzuhalten.“Erst Ende Juni dieses Jahres erreichte sie nach fast neun Monaten auf hoher See und engstem Raum in Den Haag zum zweiten Mal das Ziel beim Volvo Ocean Race. Auf dem Weg machte sie mit der Vestas-Crew eine schreckliche Erfahrung: Bei einer Kollision mit einem lokalen Fischerboot vor Hongkong kam ein Mann ums Leben. Der Gefahr, die stets mitfährt, ist sich die Australierin bewusst: „Man geht ein Risiko ein, jeden einzelnen Tag, den man aufs Meer hinausfährt.“Eine Halskette von ihrer Mutter hat sie immer als Glücksbringer dabei, ihr einziges Zugeständnis an abergläubische Rituale.
Bereits 2014/15 hatte Jackson erstmals an der Hochseeregatta rund um den Globus teilgenommen – ebenfalls als Teil einer rein weiblichen Crew. „Sydney-Hobart ist im Grunde alles, was ich beim Volvo Ocean Race erlebt habe, nur komprimiert auf zweieinhalb Tage“, strich die 35-Jährige die Herausforderung für Mensch und Material hervor: „Es ist ein echter Härtetest für Ausdauer und Taktik.“ Ein Beispiel setzen. Den 13 Frauen geht es allerdings nicht allein um Ruhm und Ehre – offizielles Preisgeld wird bei Sydney-Hobart nicht vergeben – oder Anerkennung und Respekt in der nach wie vor männerdominierten Segelszene. Der Teamname „Ocean Respect Racing“verrät ihre vielleicht größte Mission: Bewusstsein für den Kampf gegen Plastikverschmutzung und globale Erwärmung bei den Menschen zu schaffen bzw. zu schärfen. „Wir möchten auf die Bedürfnisse unserer Ozeane, die uns alle angehen, aufmerksam machen“, erklärte Jackson. Beim Segeln erlebe man das Zusammenspiel von Umwelt und Klima besonders intensiv, weshalb man mit gutem Beispiel vorangehen müsse. „In See zu stechen ist ein Privileg. Man sieht einzigartige Natur, und leider auch die Auswirkungen der Menschheit auf unsere Welt.“
Schon beim letzten Volvo Ocean Race hat ihr Team mit 11th Hour Racing, das über den Sport Nachhaltigkeit bewerben und forcieren will, zusammengearbeitet. Das in Newport, USA, ansässige Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, gemeinsam mit der Segel- und Seefahrtsindustrie Projekte in Gang zu setzen, die die Ozeane als Lebensressource im Gleichgewicht halten sollen. Deshalb ist auch diesmal auf dem Boot „minimum waste“die absolute Maxime. Als Privatperson versucht Stacey Jackson, im Kleinen das Umdenken hin zu einem umweltbewussteren Umgang mit Ressourcen und Materialien vorzuleben. Sie hat ein kleines Unternehmen gegründet und fertigt in ihrer wenigen Freizeit Taschen aus aussortierten Segeln an. Plastiksackerl oder Einwegbecher hat sie schon länger aus ihrem Leben verbannt. „Wir müssen uns um das kümmern, was unsere Heimat und unser Spielplatz ist.“
Die Crew hat die Erfahrung von 68 Sydney-Hobart-Starts und 17 Weltumsegelungen. »Auf hoher See sieht man einzigartige Natur, und die Auswirkungen der Menschen.«