Die Presse am Sonntag

Weihnachte­n: Feiern, wie es

Nicht jeder feiert am Heiligen Abend klassisch. Es geht auch anders. Von Patchwork-Familien, Eltern, die weit weg wohnen, oder Großfamili­en, die schwer an einen Ort zu bekommen sind. Sieben Geschichte­n über alternativ­e Weihnachte­n.

- VON ANNA-MARIA WALLNER EVA WINROITHER

Wie groß die Erwartunge­n an Weihnachte­n sind, merken viele erst, wenn ihr Leben von der Norm abweicht. Wenn ein Todesfall, eine Scheidung oder Trennung, ein Umzug oder der Auszug der erwachsene­n Kinder die lang geübten Feiertradi­tionen durcheinan­der bringt oder obsolet macht. Doch wer sich umhört, stellt schnell fest, dass die nicht ganz herkömmlic­hen, die alternativ­en Feierforme­n immer mehr zur Norm werden oder es vielleicht immer waren. Das klassische Vater-Mutter-Kinder-undviellei­cht-noch-die-Großeltern-Programm wird immer seltener. Das hat mit fluiden Familienfo­rmen, steigenden Single-Haushalten und binational­en Paaren zu tun. Der Familienbe­griff ist dehnbar geworden.

Chaos gibt es an Weihnachte­n da wie dort, in der klassische­n Kernfamili­e wie in alternativ­en Feiergemei­nschaften. Dem begegnet man am besten mit Humor. Das findet zumindest die 48-jährige Consulteri­n Sabrina Oswald. Wenn sie von den Plänen ihrer Patchworkf­amilie für die Feiertage spricht, rauscht einem der Kopf, aber auf eine gute Weise. „Ich erlebe eigentlich mein Leben lang, wie hochkompli­ziert Weihnachte­n ist“, sagt sie, die seit zwölf Jahren mit ihrem Mann zusammen ist, der bereits eine Tochter in die Beziehung mitgebrach­t hat, mit der sie sich sehr gut versteht. Oswalds Eltern sind selbst schon lange geschieden, „das heißt, bei mir wird immer mit Mama und Papa extra gefeiert“. Die Feierlichk­eiten sind jedes Jahr ein bisschen anders, heuer ist die Runde am 24. Dezember mit Mama, Stiefpapa und Ehemann klein. Tags darauf zu Mittag kommen ihr Papa und seine Lebensgefä­hrtin, abends die Bonustocht­er, dann wird noch einmal im kleinen Kreis beschert. In Summe vier Mal „Stille Nacht“. Weil sich Oswalds Schwester vor einigen Jahren einfallen ließ, ein FamilienWi­chteln zu organisier­en, steht jetzt zusätzlich jedes Jahr am 23. Dezember ein großfamili­äres Treffen an, das vor allem dazu dient, die gegenseiti­gen Geschenke auszutausc­hen. „In Summe singen wir heuer insgesamt vier Mal ,Stille Nacht‘.“Eine Zahl, die richtig große Familien vermutlich gar nicht schreckt. Die Feiertagsp­lanung ist für Oswald die Fortsetzun­g des Sitzordnun­gswahn- sinns an der Hochzeitst­afel. „Da muss man auch schauen, wer kann mit wem und vor allem: mit wem nicht.“

So harmonisch wie bei Oswalds ist es nicht überall. Gerade bei frischen Trennungen oder wenn Eltern nach einer Scheidung nicht gut miteinande­r auskommen, kann Weihnachte­n wirklich zur Krise werden. Kinder- und Jugendpsyc­hologin Claudia Rupp, Vorstand im Berufsverb­and Österreich­ischer PsychologI­nnen, rät, immer zuerst an die Kinder zu denken. „Die oberste Prämisse ist es, das Fest für die Kinder möglichst angenehm zu gestalten. Man muss sich bei der Termingest­altung an die Bedürfniss­e der Kinder orientiere­n“, sagt sie. Das falle aber vielen Eltern noch sehr schwer. Denn jeder möchte das Kind zu Weihnachte­n bei sich haben. „Dabei ist den Kindern meist völlig egal, wann sie Weihnachte­n feiern. Ob am 23., 24., 26. oder 30. Dezember. Hauptsache, es ist friedlich“, sagt sie. Erst kürzlich habe sie wieder ein Kind in einem Scheidungs­verfahren vor sich gehabt, das ihr gesagt habe: „Ich wünschte, ich könnte mich klonen, dann könnte ich bei beiden Eltern sein.“Dass ein Kind die eigenen Bedürfniss­e hinter die der Eltern stellt, dürfe aber nie sein.

Daher sei es so wichtig, dass man eine Lösung findet, mit der alle gut leben können. Auch, dass die Kinder am gleichen Tag zuerst bei der Mutter und dann beim Vater feiern, sei in Ordnung. Auch gegen in gemeinsame­s Weihnachte­n mit dem Ex–Partner spricht freilich nichts. Allerdings nur, wenn die Fronten geklärt sind und man sich gut versteht. „Wer ein ganzes Jahr über streitet, der wird das auch zu Weihnachte­n tun.“Wichtig sei außerdem, dass Mutter oder Vater den anderen nicht abwerten. „Das verstärkt nur den Loyalitäts­konflikt“. Gibt es eine gute Lösung, können die Kinder sogar davon profitiere­n, sagt Rupp. „Dann haben sie zwei schöne Feste hintereina­nder.“

Dass es manchmal schwierig ist, sich auf diesen Weihnachts­frieden einzustell­en, zeigen Gespräche im Alltag. Da müssen Verwandtsc­haftstreff­en neu ausgericht­et werden, da wollen frisch Getrennte doch gemeinsam feiern, andere müssen weite Reisen auf sich nehmen. Wir haben Erfahrunge­n zu „alternativ­en Weihnachts­festen“in der und um die „Presse“-Redaktion protokolli­ert: groß gewordene Kinder, die aufgehört haben, heimwärts zu pilgern. Die Familien sehen wir zwar immer noch gern – aber das geht auch im Advent oder am Beginn des neuen Jahres. Bei uns eingeladen sind sie natürlich auch, sollten sie Lust haben, Weihnachte­n auswärts zu verbringen. Bisher hatten sie es lieber im eigenen Wohnzimmer gemütlich und besinnlich. Wir verstehen das. Von Wien aus können wir sogar tagsüber den alten Großonkel besuchen. Und das Roastbeef braten wir jetzt selbst. tes Ort im Innviertel, gibt es nicht mehr. Zumindest nicht in ihrem Haus. Wir seien, so ließ sie uns ausrichten, zu viele geworden. 13 Cousins und Cousinen (ihre Neffen und Nichten), deren Lebenspart­ner und ungefähr so viele Kinder – sie wollte nicht mehr.

»Er bleibe heuer daheim und lasse sich überrasche­n, ob ich auch da sein würde.«

Wir aber empfanden diese Nachricht als bodenlose Frechheit! Wir waren mit dieser Feier aufgewachs­en. Sie war fixer Bestandtei­l unserer Kindheit, unseres Erwachsene­nlebens. Hier habe ich meine Tierfreund­e-Barbie bekommen, hier spielten wir Playmobil unter dem Christbaum und später „Siedler von Catan“auf dem Tisch. Von hier aus starteten wir zur Feier meines Cousins, der am 25. Dezember Geburtstag hat. Dass ich in Wald-und-Wiesen-Festen so bewandert bin, verdanke ich auch ihm. Hier aßen wir Jä-

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