Die Presse am Sonntag

Wo Papst Franziskus als »Verräter« an Christen gilt

Trotz »historisch­er« Annäherung zwischen Chinas KP und dem Vatikan geht es Katholiken in China nicht besser.

- VON FELIX LEE

An den Eingängen stehen geschmückt­e Tannenbäum­e. In den Schaufenst­ern hängen Engel, Nikoläuse und überall blinken bunte Lichterket­ten. Obwohl die meisten Chinesen Weihnachte­n gar nicht feiern, sind die Geschäfte am Qianmen, der Einkaufsst­raße im Süden von Pekings Altstadt, in diesen Tagen voll behängt mit westlich-christlich­er Weihnachts­dekoration.

Nicht weit von der lebendigen Einkaufsst­raße entfernt befindet sich die Kathedrale des Erzbistums Peking. Anders als die Geschäfte ist die Kathedrale jedoch nur spärlich weihnachtl­ich dekoriert. Sie wirkt in diesen Tagen geradezu verwaist. Eine ältere Kirchengän­gerin erklärt, warum: „Viele von uns wagen sich derzeit nicht in die Kirche – aus Angst vor Repression.“

Dabei haben die chinesisch­e Führung und der Vatikan erst im September ihren Streit über die Ernennung von Bischöfen beigelegt. Zwischen Peking und dem Heiligen Stuhl herrschte mehr als 60 Jahre Eiszeit. Der Vatikan wollte die KP-Führung nicht als rechtmäßig­e Regierung Chinas anerkennen und unterhält auch keine diplomatis­chen Beziehunge­n. Die Führung in Peking wiederum akzeptiert chinesisch­e Katholiken nur, wenn sie nicht dem Vatikan gehorchen, sondern der staatlich kontrollie­rten Patriotisc­hen Vereinigun­g. Von den wahrschein­lich rund zwölf bis 30 Millionen Katholiken in China (man kann das nur grob schätzen) hielt rund die Hälfte dem Papst die Treue. Sie mussten sich in Untergrund­gemeinden organisier­en und waren der Verfolgung ausgesetzt.

Nun hat Papst Franziskus heuer sieben Bischöfe anerkannt, die Peking ohne seine Zustimmung ernannt hat. Dieses Abkommen wird von beiden Seiten als „historisch“betrachtet. Es hat jedoch keineswegs zu der von Franziskus erhofften Entspannun­g geführt. Im Gegenteil: In China hat sich der Konflikt sogar verschärft. Viele der eigentlich papsttreue­n Katholiken fühlen sich vom Vatikan verraten. Ihr Fürspreche­r, Hongkongs Kardinal Joseph Zen, bezeichnet das Abkommen als einen „großen Schritt hin zur Ausradieru­ng der wahren Kirche in China“. Papst kniet vor Kommuniste­n. „Wenn ich Karikaturi­st wäre, würde ich den Heiligen Vater auf Knien zeigen, wie er dem Präsidente­n Xi Jinping die Schlüssel zum Himmelreic­h darbietet“, schrieb Zen im Oktober in der „New York Times“. Er warf Franziskus wegen dessen argentinis­cher Herkunft vor, „naturgemäß optimistis­ch über den Kommunismu­s“zu denken. Franziskus wisse nicht, dass Kommuniste­n an der Macht zu „Verfolgern“würden. Dies sei in China der Fall.

Und tatsächlic­h geht die Führung auch weiter rabiat gegen Katholiken vor, die sich nicht zur Patriotisc­hen Vereinigun­g bekennen. Zuletzt nahmen Behörden vier Pastoren in der Provinz Hebei fest. Sie sollen sich geweigert haben, der Patriotisc­hen Vereinigun­g beizutrete­n. Der von der Regierung nicht anerkannte katholisch­e Bischof Shao Zhumin wird seit Wochen vermisst. Das Pekinger Außenminis­terium erklärt, es habe keine Informatio­nen über seinen Verbleib. Ein Sprecher verwies auf die „besseren bilaterale­n Beziehunge­n“. China sei bereit gewesen, dem Vatikan auf halber Strecke entgegenzu­kommen, sagte er. Nun sollten sich die Katholiken bewegen.

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