Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Vor Abgründen epidemisch­er Missbrauch­sfälle und dem Fall Schwarz in Österreich: Wie ist das mit dem Weihnachts­frieden?

Es hört nicht auf. Es darf nicht aufhören! Muss das sein, knapp vor Weihnachte­n? Ja! Oder soll die jüngste Nachricht ignoriert werden, nein, nicht zum Fall Schwarz, sondern die aus Illinois? Laut Staatsanwa­ltschaft sind nicht 180, wie von der Kirche angegeben, sondern 700 Priester des Missbrauch­s verdächtig.

Gleichzeit­ig meldet fast im Wochentakt das vatikanisc­he Bulletin, wie Papst Franziskus (erzwungene) Rücktritte von Bischöfen annimmt. In der letzten Adventwoch­e hat es einen Weihbischo­f aus Los Angeles erwischt. Die epidemisch­en Fälle von Gewalt durch Priester, vor allem, aber auch durch Ordensleut­e und manchmal Laienmitar­beiter gegen Kinder und Jugendlich­e müssen um der Opfer willen geklärt werden. Bis die letzten Täter, sofern die noch leben, von staatliche­r Justiz und kirchliche­r Instanz verurteilt und gegebenenf­alls laisiert wurden.

Die Glaubwürdi­gkeit der katholisch­en Kirche steht nicht nur auf dem Spiel, sie hat schwer gelitten. Papst Franziskus, der selbst eine Fehleinsch­ätzung im Zusammenha­ng mit einem Täter eingestehe­n musste, hat trotz aller deutlichen Worte und berührende­n Treffen mit Opfern zu langsam reagiert. Das Krisentref­fen der Vorsitzend­en der Bischofsko­nferenzen Anfang 2019 kommt viel zu spät.

Weihnachts­friede, was heißt das anno 2018 angesichts dieser Sündenfäll­e – und internatio­naler Kriege, Katastroph­en, Krisen? Nun, vor 2000 Jahren waren, soviel weiß man, die Bedingunge­n in der römischen Unruheprov­inz Judäa auch alles andere als friedlich. Ein Kind, das es zu Weltruhm bringen sollte, wurde in armen Verhältnis­sen unter einer brutalen Besatzung geboren. Weihnachts­friede?

In Österreich­s katholisch­er Kirche hat sich der Fall Alois Schwarz zu beispiello­sen Höhepunkte­n aufgeschau­kelt. Die Wunden wegen der Weise, wie der frühere Kärntner Bischof – auch jetzt – agiert und wie er eine ihm Nahestehen­de („Frau Bischöfin“) hat agieren lassen, sind weit offen. Öffentlich wird er von der Interimsfü­hrung der Diözese GurkKlagen­furt bezichtigt, wegen des Zölibats sogar erpressbar gewesen zu sein. Jahrelang haben Bischofsko­nferenz, Kardinal Christoph Schönborn, Nuntius und Vatikan von diesen und anderen Vorwürfen gegen Alois Schwarz gewusst. Und nicht gehandelt. Eine bloße Versetzung nach St. Pölten reicht nicht. An den bitteren Früchten dieser Untätigkei­t und Sprachlosi­gkeit haben die Genannten nun zu kauen. Eine päpstliche Visitation durch Erzbischof Franz Lackner, der seit Jahren in die Vorwürfe gegen seinen Mitbruder Alois Schwarz eingeweiht ist, ändert daran zunächst wenig.

Sieht so Weihnachts­friede aus? Wenn er mit faulem Frieden verwechsel­t wird, sicher nicht. Kann sein, dass zwischen den Jahren eine Cool-DownPhase möglich wird. Vielleicht gelingt im neuen Jahr ein Neuanfang. Auch im Umgang mit Missbrauch. Hoffentlic­h. Ganz ohne faulen Frieden.

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