Start für den Marathon der demokratischen
In den USA naht die Entscheidung für die potenziellen Präsidentschaftskandidaten bei den Demokraten. Als Frontrunner gilt Obama-Vize Joe Biden. Doch es mangelt nicht an Herausforderern – von Elizabeth Warren über Cory Booker bis zu Kamala Harris. Und wie
Elizabeth Warren war die Erste, die sich aus der Deckung wagte. Es spricht für den Ehrgeiz der früheren Lehrerin aus kleinen Verhältnissen in Oklahoma, die es bis zur Professorin an der renommierten Harvard Law School und zur demokratischen Senatorin in Massachusetts gebracht hat. Schon an diesem Wochenende hat sich die 69-Jährige aufgemacht nach Iowa in den Mittleren Westen, um in Des Moines, Sioux City oder Council Bluffs Wahlkampf für die Präsidentenwahlen im November 2020 zu machen – unscheinbare Städte im Herzland der USA, die jeder Kontrahent Warrens bereits bereist hat und im Laufe des Jahres noch zur Genüge kennenlernen wird, ehe die Bürger in 13 Monaten bei den Vorwahlen in Schulen und Turnsälen ihr Urteil fällen werden. Warren hat sich einen Vorsprung verschafft in einem Feld, das bis zum Frühjahr auf bis zu zwei Dutzend Anwärter anwachsen könnte.
Händeschütteln, Hotdogs essen, Small Talk machen, Kirchen und Kleinläden besuchen, bei Landwirtschaftsmessen auftreten: Das ist das Basisprogramm jener Aspiranten, die sich Hoffnungen machen auf einen Einzug ins Weiße Haus, und dem sich auch die Reagans, Bushs, Clintons und Obamas unterworfen haben. 2007 ist Barack Obama monatelang durch die Dörfer und Kleinstädte Iowas getourt, und er hat hier mithilfe von Kleinspenden und einem enthusiastischen Wahlkampfteam das Fundament für seinen fulminanten Wahlsieg gelegt. Anti-Wall-Street. Zu Silvester postete Warren ein viereinhalbminütiges Video, in dem sie die Gründung eines Vorbereitungskomitees für eine Präsidentschaftskandidatur ankündigt – und offiziell ihre Ambitionen proklamiert. Es zeigt sie in der Küche ihres Hauses in Boston, in einem Schnelllauf durch ihre Biografie, als Vorkämpferin gegen die Wall Street und Verfechterin der Mittelklasse. „Amerikas Mittelklasse ist in Gefahr“, tönt sie. Milliardäre und Großkonzerne hätten ihre Schergen beauftragt, ein größeres Stück vom Kuchen abzuschneiden. Bereits vor vier Jahren war sie massiv bedrängt worden, ins Rennen einzusteigen. Damals verzichtete sie – wie viele andere – zugunsten von Hillary Clinton.
Davon profitierte Bernie Sanders, der selbst ernannte Sozialist und unabhängige Senator aus Vermont, der zum Helden der Studierenden und der Progressiven aufstieg. Auch heuer erwägt der 77-Jährige eine Kandidatur. In Umfragen potenzieller Bewerber liegt er an zweiter Stelle hinter Ex-Vizepräsident Joe Biden, doch sein Charisma ist verblasst angesichts der neuen Vielfalt, dem zunehmend weiblichen, jungen und multiethnischen Antlitz der Demokratischen Partei, das bei den Kongresswahlen vor zwei Monaten zutage trat. Warren wie Sanders haben ihr Reservoir im linksliberalen Milieu, was ihre Chancen bei einer so starken Konkurrenz beträchtlich schmälern würde.
Die Verlockung ist groß. Viele mehr oder weniger prominente Demokraten wittern ihre Chance gegen den gnadenlosen Populisten Donald Trump. Genau darin, in zahllosen Blessuren bis hin zur Selbstzerfleischung in Dutzenden TV-Debatten, Talkrunden und Auftritten, könnte freilich der Vorteil des Präsidenten liegen. Wer hat nicht nur die Stirn, ihm Paroli zu bieten, sondern auch die Kraft und die Ressourcen, sich auf einen Wahlkampfmarathon einzulassen? Und wer die Disposition, Attacken und Untergriffe wegzustecken? Trump betrachtet Elizabeth Warren etwa als leichtes Opfer. Weil sie sich auf die indianischen Wurzeln entfernter Vorfahren beruft, verhöhnt er sie vorzugsweise als „Pocahontas“.
Amtierende und ehemalige Bürgermeister wie Eric Garcetti aus Los Angeles oder Mitch Landrieu aus New Orleans, Ex-Gouverneure wie John Hickenlooper aus Colorado und der Schwarze Deval Patrick aus Massachusetts, Ex-Minister wie der hispanischstämmige Julian Castro aus Texas, Abgeordnete wie der weithin unbekannte John Delaney aus Maryland oder Senatoren wie der linke Sharrod Brown aus Ohio – sie alle spielen mit der Idee einer Kandidatur und hängen dem Traum von der Präsidentschaft nach.
Liberale Milliardäre wie New Yorks Ex-Bürgermeister Michael Bloomberg oder Tom Steyrer, die für die Einschränkung des Waffenrechts und für Klimaschutz eintreten, würden Trump nur zu gern in die Schranken weisen. Bloomberg hat schon mehrmals mit einer Kandidatur als Unabhängiger kokettiert. Kürzlich deklarierte er sich wieder als Demokrat, was prompt die Spekulationen anfachte. Mindestens 100 Millionen Dollar aus seiner Privatschatulle würde er sich eine Kandidatur kosten lassen. Ob er jedoch auch bei der demokratischen Basis Anklang findet und nicht nur beim Establishment?
Über Weihnachten und Neujahr haben sich die demokratischen Hoffnungsträger zurückgezogen, um über die Pros und Cons einer Kandidatur nachzudenken, wie sie durchblicken ließen. Doch vielfach sind sie schon darangegangen, Wahlkampfmanager und Berater aller Art anzuheuern. Joe Biden, der Frontrunner, könnte umgehend loslegen: Ein Team früherer Mitarbeiter steht bereit, an Spenden fehlt es nicht. Und er selbst hält sich, wie er kürzlich in Montana bei einer Rede kundtat, mit einer Erfahrung von mehr als 35 Jahren als Senator und acht Jahren als Vizepräsident für die „bestqualifizierte Person“für den Job. Mit 78 Jahren bei Amtsantritt wäre er indes auch der älteste USPräsident der Geschichte.
Doch der red- und leutselige Biden will es noch einmal wissen, nachdem er 1988 und 2008 als Kandidat sang- und klanglos untergegangen war. Als bodenständiger „Average Joe“, als Mann mit jovialem Humor nicht ohne Pannen und Peinlichkeiten sieht er sich der Arbeiterklasse verbunden, die nicht nur in seinen Augen Trump auf den Leim gegangen ist. Bis heute bereut er es,
Für Elizabeth Warren hat Donald Trump einen Spitznamen parat: »Pocahontas«.