Eine risikoreiche Region zwischen Russland und China
Gezeichnet von Nepotismus, bleibt Zentralasien hinter seinen Möglichkeiten. Unklar ist, was nach den alternden Herrschern kommt.
Mit dem politischen Wandel in Usbekistan ist das Rennen um die regionale Vorherrschaft in Zentralasien eröffnet. Bisher lag die Führung in wirtschaftlicher Hinsicht klar bei Usbekistans nördlichem Nachbarn Kasachstan. Seit seiner Unabhängigkeit autokratisch geführt von Nursultan Nasarbajew, kann es auf das erfolgreichste Entwicklungsmodell unter den fünf früheren Sowjetrepubliken (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan) verweisen. Dank seiner Bodenschätze hat es Kasachstan geschafft, seinen Bürgern moderaten Wohlstand zu garantieren – bei gleichzeitiger Einschränkung der Bürgerrechte und einem Führerkult um den 78-jährigen „Vater der Nation“, dessen Nachfolge ungeklärt ist.
Nachfolgesorgen haben auch an- dere zentralasiatische Staatsmänner: Während in Usbekistan der Machttransfer unerwartet glatt über die Bühne ging, bereitet der tadschikische Präsident Emomali Rachmon (66) eine dynastische Übergabe vor. Er hievte seine Kinder in einflussreiche Positionen: Tochter Ozoda ist Chefin der Präsidialadministration, Sohn Rustam, der als Nachfolger gehandelt wird, Bürgermeister von Duschanbe. In Turkmenistan führt Gurbanguly Berdymuchamedow seit knapp zwölf Jahren den Isolationismus seines Vorgängers weiter. Und Kirgisistan, der demokratische Hoffnungsträger der Region, tritt wegen politischer Fehden und einer schwachen Wirtschaft auf der Stelle.
Mehr als ein Vierteljahrhundert nachdem die Staaten erstmals in die Unabhängigkeit entlassen wurden und jeweils nationale Wege einschlugen, sind viele Probleme der Region ähnlich geblieben. Der noch in der Sowjetunion bestehende Entwicklungsrückstand hat sich vertieft, ein Großteil der Bevölkerung ist verarmt bzw. verdingt sich als Gastarbeiter in Russland, das Gesundheits- und Bildungssystem ist in einem maroden Zustand.
Weitere regionale Risken sind die geografische Nähe zum Konfliktherd Afghanistan, die Rolle der Region als Drogenkorridor von Afghanistan nach Europa sowie eine mögliche Destabilisierung durch den radikalen Islam – teils reale Gefahr, teils von den Behörden aufgeblasenes Schreckgespenst. Aus Kasachstan und Kirgisistan schlossen sich mehrere Tausend Muslime dem Islamischen Staat (IS) an. Die Herrschenden der Region fürchten den politischen Islam und unterziehen ihn einer rigiden Überwachungspolitik: Er ist die einzige politische Bewegung, die für sie eine ernst zu nehmende Konkurrenz darstellt. Mangel an kontrolle. Viele Probleme der Region sind indes hausgemacht und betreffen die politischen Eliten, die kaum Kontrolle fürchten müssen: Korruption, Vetternwirtschaft, Mangel an rechtsstaatlichen Strukturen.
Russland und China kämpfen um Einfluss in der Region. Moskau kann neben Energiepolitik Verteidigungsbündnisse, Militärbasen und Grenzschutzsoldaten anführen. Ökonomisch macht China Russland zunehmend Konkurrenz. Europa bleibt politisch und wirtschaftlich bis auf Weiteres ein Nebendarsteller.