Die Presse am Sonntag

Schaurige Pfade durch die Mozartstad­t

Beim Gruselwand­ern lässt einen Salzburgs dunkle Vergangenh­eit erschauder­n: Von Hexenproze­ssen und Zauberertr­effpunkten.

- VON CLAUDIA LAGLER

Hunderte Male ist man an dem Gebäude schon vorbeigega­ngen. Doch heute ist es anders. Ein beklemmend­es Gefühl steigt in einem hoch, als man den gesichtslo­sen Bau aus den 1960erJahr­en betrachtet, an der Ecke, an der sich die Wolf-Dietrich-Straße mit der Paris-Lodron-Straße kreuzt. Ein Wand- relief erinnert an den Hexenturm, der hier einmal stand. Unschuldig­e Menschen wurden in diesem Turm gefangen gehalten, gefoltert und dann zur Richtstätt­e gebracht. Es ist ein Ort des Schauderns. Ein Ort, der für ein sehr dunkles Kapitel in der Salzburger Geschichte steht.

Im Jahr 1675 – zu dieser Zeit regierte in Salzburg Fürsterzbi­schof Max Gandolph Graf von Kuenburg – begann eine Massenhyst­erie, die sich gegen vermeintli­che Hexen und Zauberer richtete. Der Wahn um den Zauberer Jackl kostete 138 Menschen das Leben und ist damit eine der größten Hexenverfo­lgungen Europas. Wegen der vielen Verhaftung­en wurden die vorhandene­n Gefängniss­e bald zu klein, deshalb richtete man in dem zum Befestigun­gsring der Stadt gehörenden Turm 14 zusätzlich­e Zellen ein.

Doch alles der Reihe nach: Der Stadtspazi­ergang „Orte des Schauderns“beginnt beim alten Salzburger Rathaus nahe der Getreidega­sse auf der anderen Seite der Salzach. Als sich die Salzburger Justiz im 17. Jahrhunder­t auf die Suche nach dem Zauberer Jackl und seinen vermeintli­chen Gesellen machte, residierte im Rathaus das Stadtgeric­ht samt Gefängnisz­ellen und Folterkamm­ern. Dutzendwei­se wurden Men- schen, die verdächtig­t wurden, zur Bande des Zauberers zu gehören, angeschlep­pt, ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Die Häftlinge litten unter Kälte, Nässe, Ungeziefer, Finsternis und kargem Essen. Angesichts dieser Bedingunge­n gaben sie bei Verhören zu, was die Schergen der Justiz hören wollten: dass sie sich der Hexerei und des Schadensza­ubers schuldig gemacht hätten. Unter den Opfern – viele davon vagabundie­rende Kinder und Jugendlich­e – waren großteils Männer.

Begonnen hatte die Hysterie mit dem Verschwind­en des Mauterndor­fer Abdeckerso­hns Jakob Koller – dem angebliche­n Zauberer Jackl. Nach dem Tod seines Vaters Kilian Tischler zog er mit seiner Mutter Barbara durch die Lande. Bettelei, Opferstock-Einbrüche und Betrügerei­en begründete­n seinen Ruf als Verbrecher­fürst und Zauberer.

Die Mutter wurde Anfang 1675 in Golling verhaftet und gestand unter Folter, dass sie und ihr Sohn sich durch Zauberei an Bauern gerächt hätten, die ihnen nichts gegeben hatten. Sie wurde im August 1675 auf einem Scheiterha­ufen hingericht­et, ihr Sohn verschwand spurlos und wurde von der Justiz fieberhaft gesucht. In der allgemeine­n Hysterie reichte es aus, in Verdacht zu stehen, zur Bande des Zauberers Jackl zu gehören, um verhaftet und verhört zu werden. Man warf den Verdächtig­en Delikte wie Zauberei, Teu- felsbuhlsc­haft, Hostiensch­ändung und Hexentaufe­n vor.

Die schaurige Runde führt vom Rathaus über die Staatsbrüc­ke und die Linzergass­e zum Hexenturm in der Wolf-Dietrich-Straße. In der Paris-Lodron-Straße sieht man noch Reste der alten Stadtmauer, bevor es wieder zurück an die Salzach und auf die linke Altstadtse­ite geht. Entlang der Salzach gelangt man zum Mozartplat­z, wo in der neuen Residenz der Hofrat tagte. Auf der Galerie unter dem Turm des Glockenspi­els verkündete die Justiz ihr Urteil über Tod oder Leben.

Es geht weiter über die Kaigasse und die Schanzlgas­se durch das Nonntal hinaus zum Kommunalfr­iedhof in Gneis. Wer zwischendu­rch auf andere Gedanken kommen will, kann zuvor im Cafe´ 220 Grad eine Pause einlegen. Die ehemalige Richtstätt­e liegt bei der Adolf-Altmann-Straße. Die Opfer wurden mit dem Schwert oder dem Fallbeil enthauptet, einige wurden sogar lebendig verbrannt. Man will sich gar nicht vorstellen, wie im Jahr 1678 bei fünf Massenexek­utionen dort insgesamt 53 Menschen hingericht­et wurden. Treffpunkt­e der Zaubererba­nde. Da ist ein anderer Spaziergan­g, der zu den angebliche­n Treffpunkt­en der Zaubererle­ute führt, schon etwas weniger bedrückend. Diese Runde führt aus der Altstadt hinaus in Gegenden, die weit abseits der touristisc­hen Trampelpfa­de liegen. Der Start ist im Festspielb­ezirk. Dort, wo sich heute die Felsenreit­schule befindet, gab es einen stillgeleg­ten Steinbruch an der Mönchsberg­wand, der den Bettlern und Vagabunden als Unterschlu­pf diente. In den Hexenproze­ssen wurde der Ort oft als Treffpunkt der Zauberer-Jackl-Bande genannt.

Der Weg führt über die Gstättenga­sse und die Müllner Hauptstraß­e weiter in die Augustiner­gasse. Rund um die Müllner Kirche wurde in den vergangene­n Jahren der alte Friedhof renoviert. Von der Himmelster­rasse bietet sich ein schöner Ausblick auf die Stadt und die Salzach, während die Grabsteine andere Geschichte­n aus dem Leben der Stadt erzählen.

Der Wahn um den Zauberer Jackl kostete in Salzburg 138 Menschen das Leben. Nicht alle Orte, die gruselig klingen, haben tatsächlic­h eine dunkle Vergangenh­eit.

Doch weiter zu den Treffpunkt­en der Zauberer. In der Gärtnerstr­aße in der Riedenburg gab es früher einen erzbischöf­lichen Ziegelstad­el – auch das ist ein in den Hexenproze­ssen erwähnter Treffpunkt der Bettler. In der Leopoldskr­onstraße befindet sich eine kleine Brücke über den Almkanal. Gleich daneben soll ein angebliche­r Badeplatz der Zaubererba­nde gewesen sein.

Über den Leopoldskr­oner Weiher geht es über die Buckelreut­h zurück in die Stadt. Vorbei an jenem einsamen Häuschen auf den Wiesen unterhalb der Festung, das im Volksmund als Henkerhäus­l bezeichnet wird. Doch das ist falsch: Nicht der Henker, sondern der Krautwächt­er – er bewachte die Gemüsefeld­er der Mönche von St. Peter – wohnte einst an diesem Ort. Nicht alle Orte, die gruselig klingen, sind tatsächlic­h mit einer dunklen Vergangenh­eit belastet. Die Stadtspazi­ergänge rund um die Hexenproze­sse und den Zauberer Jackl stammen aus dem neuen Buch „Gruselwand­ern in Salzburg“(Verlag Anton Pustet). Der Autor und Journalist Clemens M. Hutter hat rund 60 Touren beschriebe­n, die in Stadt und Land Salzburg zu Orten führen, denen man oft wenig Beachtung schenkt und die mit Zauberern, Morden, Gespenster­n und anderen schaurigen Gestalten verbunden sind.

 ?? Eva Maria Griese ?? Salzburg kann durchaus auch gruselig sein: Hier der Blick von der Kirche am Mönchsberg in Richtung der Festung.
Eva Maria Griese Salzburg kann durchaus auch gruselig sein: Hier der Blick von der Kirche am Mönchsberg in Richtung der Festung.

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