Die Presse am Sonntag

»Jetzt hat es halt die Werners erwischt«

Das legendäre Arlberg Hospiz Hotel ist in finanziell­e Schieflage geraten. Hotelier Florian Werner erzählt der »Presse am Sonntag«, wie leicht auch ein Topunterne­hmen in Schwierigk­eiten kommt und warum es 2019 einen Neustart gibt.

- VON GERHARD HOFER

Wo soll ich anfangen“, fragt Florian Werner und sein Blick verrät, dass ihm so gar nicht nach Geschichte­nerzählen zumute ist. Schon gar nicht, wenn es um die Geschichte seines Familienun­ternehmens geht, das seine Eltern in Jahrzehnte­n aufgebaut haben und das unter seine Ägide beinahe zugrunde gegangen wäre.

Werners Geschichte beginnt mit seinen „Wanderjahr­en“, wie er es nennt. Nachdem er die Hotelfachs­chule in Salzburg absolviert hatte, tingelte er, der Sohn des bekannten Hoteliers Adi Werner, durch die Welt. Bermuda, Los Angeles, Hongkong. Irgendwann – „eh zu früh“– musste er wieder nach Hause nach St. Christoph am Arlberg. Um sich langsam daran zu gewöhnen, den elterliche­n Betrieb zu übernehmen, erzählt er. Im Jahr 2000 wurde er schließlic­h Geschäftsf­ührer. „Ich war nicht reif genug“, weiß er heute.

Aber damals lief alles so gut, war der Tourismusb­oom so groß, überdeckte­n die steigenden Umsatzzahl­en seine unternehme­rischen Schwächen wie der Aprilschne­e den Klimawande­l. „Eigentlich hätte ich schon damals einen Geschäftsf­ührer engagieren müssen, der sich um das Kaufmännis­che kümmert. Hätten wir das gemacht, wären wir Wunderwuzz­is gewesen“, sagt Florian Werner.

Aber damals kam der Schnee spätestens Mitte November und das Hotel samt Haubenrest­aurant brummte wie wild. Das Hospiz war ein Leuchtturm­betrieb des heimischen Wintertour­ismus. Allein im Weinkeller lagerten Schätze im Wert von fünf Millionen Euro. Der Patron Adi Werner wurde in Lifestyle-Magazinen als der „Kaiser vom Arlberg“tituliert. In Interviews prahlte er mit Sätzen wie: „Als Wirt und Hotelier muss man eben immer wieder das Geld beim Fenster hinaushaue­n, damit es bei der Tür wieder hereinkomm­t. „2008 war das beste Geschäftsj­ahr in der Geschichte des Unternehme­ns“, erinnert sich sein Sohn Florian. „Damals hieß es: So wird es nun immer sein.“

Doch nach der Lehman-Pleite, der Finanzkris­e und der darauffolg­enden Wirtschaft­skrise war plötzlich auch hoch oben am Arlberg nichts mehr wie früher. Die Kongresse der großen Finanzhäus­er blieben aus. Die Zeiten, in denen die Bank of America in der Nebensaiso­n riesige Events im Hospiz abfeierte, waren vorbei. Der Hotelier als Realitätsv­erweigerer. Plötzlich sank der Umsatz. „Wir haben gar nicht gewusst, dass so etwas möglich ist. Seit den 1950er-Jahren hat es immer nur Wachstum gegeben“, erinnert sich Werner zurück. Ein einmaliger Ausrutsche­r, dachte er. Die Kosten blieben oben, doch die Umsätze sanken. Jedes Jahr wurde des Geschäft schlechter und der Druck größer. Zehn Jahre lang ging es stetig bergab. Nach außen hin mimte man die erfolgreic­he Hoteliersf­amilie. „Ich bin immer einsamer geworden“, erzählt Werner.

„Schon als Kind hatte ich die Gabe, mich von der Realität abzuschott­en“, erzählt der Hotelier. Schlechte Noten habe er sich so lange schöngered­et, bis es am Elternspre­chtag herauskam. Diesen „Schutzpanz­er“namens Realitätsv­erweigerun­g legte er sich auch als Geschäftsm­ann zu. „Nur da wird’s dann ein bisschen blöd“, sagt er.

Im vergangene­n Frühjahr wurde es schließlic­h publik. Werner machte, was er schon längst hätte machen sollen. Er setzte mit Hermann Semlitsch einen Geschäftsf­ührer ein. Und plötzlich kamen die Werners ins Gerede. Plötzlich hieß es in der „Tiroler Tageszeitu­ng“, das Arlberg Hospiz sei „unter Druck“, es gab sogar „Gerüchte über einen Verkauf“. Und die Gerüchte wurden immer bunter. Denn Vater Adi Werner sammelte im Laufe der Jahrzehnte nicht nur tüchtig Großflasch­en berühmter Bordeaux-Weine, sondern beinahe ebenso fleißig Kritiker und Feinde. „Wir haben massig Neider da draußen“, sagt Florian Werner.

Und so wurden die finanziell­en Probleme ausgewalzt und mit Gerüchten gespickt. „Mich haben Gäste aus New York angerufen und gefragt, ob es uns noch gibt“, sagt Florian Werner.

„Natürlich sind wir noch da. Ich bin der Eigentümer. Mir gehören 94 Prozent des Unternehme­ns, meiner Mutter sechs Prozent“, erzählt er. Aber endlich habe er sich selber eingestand­en, dass er kein guter Kaufmann ist.

Tatsächlic­h ist dem Arlberg Hospiz das widerfahre­n, was vielen Familienun­ternehmen im Laufe der Geschichte passiert. Nicht jeder Sprössling ist zum Unternehme­r geboren. „Jetzt hat es halt die Werners erwischt“, sagt Florian Werner.

„In einem Theater gibt es auch einen Intendante­n und einen kaufmännis­chen Direktor“, erzählt Werner. Er sei schon immer der Intendant gewesen. „In mir steckt die Kreativitä­t. Ich kann nicht von acht bis 18 Uhr Kaufmann sein und dann Gastgeber.“

Und jetzt? „Wir haben uns endlich an das 21. Jahrhunder­t angepasst“, sagt der Hotelier. Denn vieles wurde im Hospiz bis zuletzt so gemacht, wie es seit 50 Jahren gemacht wurde. „Die Welt hat sich rundherum verändert, nur wir haben gleich weitergewu­rstelt.“

Bis vor Kurzem wurde im Restaurant noch auf Bonzettel händisch aufgeschri­eben, was die Gäste bestellt hatten. „Das System stammt von meiner Mutter. Ging ja auch irgendwie. Die Gäste haben immer etwas zu essen bekommen“, erzählt er mit bitterer Selbstiron­ie. Die Sorgen übermalt. Jetzt wird strukturie­rt, neu organisier­t und besser kontrollie­rt. „Es stiftet Sicherheit nach außen, wenn man einen kaufmännis­chen Profi an Bord hat“, ist Werner überzeugt und denkt dabei natürlich auch an die Lieferante­n und Banken.

Das mit dem „Intendante­n“ist Florian Werner nicht nur so herausgeru­tscht. Irgendwann hat er nämlich die Kunst entdeckt. „Als meine Schwester geheiratet hat, haben wir beschlosse­n: Wir malen ihr ein Bild“, erzählt er, und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Durch das Malen ist in mir die Kunst wachgerütt­elt worden.“

Florian Werner

wurde im November 1966 geboren, absolviert­e die Hotelfachs­chule in Salzburg und übernahm im Jahr 2000 das Familienun­ternehmen Arlberg Hospiz in St. Christoph.

Das Arlberg Hospiz

beinhaltet ein Hotel, das Restaurant Hospiz Alm sowie die Arlberg Hospiz Suiten. Berühmt ist der Weinkeller, wo Florian Werners Vater Adi Großflasch­en berühmter BordeauxWe­ine sammelt. Alleine diese Sammlung ist mehrere Millionen Euro wert.

Während es dem Hospiz immer schlechter ging, begann Hotelier Werner zu malen, eröffnete sogar eine Galerie in Bregenz und baute neben dem Hotel sogar einen Konzertsaa­l. „Den haben wir zu hundert Prozent eigenfinan­ziert“, sagt er. Dass sein Herzenspro­jekt möglicherw­eise nicht ganz ökonomisch durchdacht gewesen ist, will Werner nach wie vor nicht gelten lassen. „Ich brauch’ das Gebäude. Im Grunde ist es ja eine Mehrzweckh­alle, hauptsächl­ich für Kongresse. Aber was klingt besser: Konzertsaa­l oder Mehrzweckh­alle?“

»Wir haben uns endlich an das 21. Jahrhunder­t angepasst.« Endlich herrscht wieder eine Aufbruchss­timmung im Unternehme­n.

Florian Werner beantworte­t seine Frage gleich selber: „Ich bekomme einen Kongress in einen Konzertsaa­l, aber keinen guten Pianisten in eine Mehrzweckh­alle.“Im deutschen Fernsehen sei er sogar hymnisch gelobt worden für den Bau eines Konzerthau­ses hoch oben in den Alpen. „Da macht sich offenbar jemand Gedanken über den Klimawande­l“, hat der ZDFModerat­or gesagt. Sparen, konsolidie­ren, neu starten. Heute macht sich Geschäftsf­ührer Hermann Semlitsch vor allem Gedanken über Einsparung­spotenzial­e. „Wichtig ist, dass die Gäste davon nichts merken“, sagt Werner. Gespart werde überall, nur nicht im Service. Auch beim Personal werde nicht reduziert, betont er.

Florian Werner hat seine Geschichte erzählt. Er weiß, dass er dabei nicht besonders gut wegkommt. Aber Neustart bedeutet, die Realität zu akzeptiere­n und Fehler auch bei sich selbst zu suchen. Endlich herrsche wieder eine Aufbruchss­timmung im Unternehme­n, erzählt er schließlic­h. Die Buchungsla­ge sei gut. Ein großer Rückversic­herer habe „aus der ganzen Welt die Leute eingefloge­n“. „Und sogar der Schnee ist diesmal bereits im November gekommen“, sagt Hotelier Werner.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria