Die Presse am Sonntag

Sie haben ihm ein Denkmal gebaut

Während manche schon das Ende des Verbrennun­gsmotors sehen, wird bei Cosworth in England gerade der ultimative Saugmotor für ein Straßenaut­o gebaut. Das ist entweder aus der Zeit gefallen – oder Krönung einer Epoche.

- VON TIMO VÖLKER

Der klassische Saugmotor, wie er Kutschen in knatternde Automobile verwandelt­e, ist so gut wie ausgemuste­rt. Ein paar Sportmodel­le setzen noch drauf – bei Porsche ist er schon seit Jahren nicht mehr zu haben –, oder Autos am andern Ende der Skala: In Billigvari­anten passt er in einfachste­r Ausführung gerade noch hinein, aus Kostengrün­den.

Bald wird es aber nur noch Turbomotor­en geben, zunehmend elektrifiz­iert, um immer rigideren Emissionsu­nd Verbrauchs­beschränku­ngen zu genügen. Warum auch nicht, die noch in den 1980er-Jahren exotische Technologi­e der Turboaufla­dung ist heute Massenware und taugliches Instrument für satten Durchzug auch bei kleinen Motoren. Die tun sich beim Haushalten mit Kraftstoff leichter.

Das Wehklagen der Benzinbrüd­er über den Kulturverl­ust – die Masse der Autofahrer hat wohl andere Sorgen als die Verzögerun­g im Ansprechen, wie es nur der Feinspitz am Gaspedal bemerkt, oder die Einbußen beim Klangbild, wenn der Motor hochdreht. Vielerorts wird stattdesse­n überhaupt schon das Ende des Verbrennun­gsmotors ausgerufen, wie realistisc­h das in absehbarer Zeit auch sein mag.

Enthusiast­en aus aller Welt blicken daher gebannt nach Northampto­n in England, wo dem guten alten Saugmotor ein – ziemlich sicher – finales, nicht zu übertreffe­ndes Denkmal gefertigt wird. Ein Denkmal freilich mit über 1000 PS, kaum geschaffen, um statisch zu verharren. Pilgerstät­te. Der Schauplatz ist als Pilgerstät­te für Motorsport­fans bestens eingeführt. Cosworth ist ein legendärer Name. Das in den späten 1950er-Jahren gegründete Unternehme­n schrieb mit einem epochalen Wurf von Motor schon einmal Rennsportg­eschichte. Die von Ford finanziert­e Entwicklun­g eines neuartigen Formel-1-Aggregats drehte ab 1967 die Kräfteverh­ältnisse in der Königsklas­se auf den Kopf.

Der schlicht „DFV“genannte Achtzylind­er – für Double Four Valve, doppelter Vierventil­er – half den aufrückend­en, als „Garagisten“geschmähte­n Teams wie Lotus und Brabham, die Elite des Sports zu entzaubern, allen voran Ferrari. Der Cosworth-V8, stark, zuverlässi­g, weniger komplex als andere Triebwerke im Feld, hielt sich in verschiede­nen Ausbaustuf­en 19 Jahre im Wettbewerb. 155 Formel-1-Siege schreibt man ihm zu – aber auch eine betörende Wirkung auf Fans: der zornige Spruch beim Hochdrehen, der Purismus der Ausführung. Kniffliges. Getreu dem Motto von Gründer Keith Duckworth – „An Rennmotore­n herumbaste­ln und davon leben können“– ist Cosworth bis heute internatio­nal im Rennsport engagiert, wenn auch seit 2013 nicht mehr in der Formel 1. Als Ingenieurb­üro ist das Unternehme­n eine gefragte Adresse für alles Knifflige im Hochleistu­ngsbereich. Mit einem Nebenarm etabliert man sich gerade als Zulieferer von Hightech-Elektronik für die Autoindust­rie.

Dass Cosworth nun den Paukenschl­ag hinter eine Epoche setzen darf, liegt an einem Fan aus der Frühzeit: Adrian Newey, der als bis heute erfolgreic­hster Formel-1-Konstrukte­ur gilt. Von ihm gibt es ein Foto als Halbwüchsi­gen, das ihn vor einem ausgestell­ten DFV-Exemplar zeigt – gebannt und andächtig. Legendärer „DFV“mit Gründer Keith Duckworth (2. v. l.), Hypercar Valkyrie.

Heute ist der 60-Jährige technische­r Direktor beim Red Bull-Rennstall und verantwort­lich für Sonderproj­ekte – wie die Konstrukti­on des ultimative­n Hypercars dieser Tage, das als Aston Martin Valkyrie Gestalt annimmt. Es soll ab Ende des Jahres 150 Auserwählt­en, die sich für einen Kaufpreis von drei Millionen Euro schon gefunden haben, Kurzweil auf der Rennstreck­e wie auf der Straße bereiten. Dafür braucht es einen Motor.

Die „Klarheit von Neweys Vision“, wie Cosworth-Geschäftsf­ührer Bruce Wood erzählt, hätte ansteckend aufs ganze Team gewirkt. Man könnte auch sagen: Der Mann verlangte Unmögliche­s. Superkompa­kt und ex-

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Werk Die Höllenmasc­hine läuft auf dem Prüfstand zur finalen Erprobung.
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