Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Ein späterer Schulbegin­n fördert die Leistungsf­ähigkeit von Jugendlich­en: Das wurde immer schon vermutet, nun konnte es auch bewiesen werden.

Nach zwei Wochen seligen Ausschlafe­ns geht nun für viele wieder das Aufstehen zu finsterer Stunde los. Abgesehen von den „Lerchen“(den 20 Prozent Morgenmens­chen) belastet das viele Menschen – nicht nur die 20 Prozent „Eulen“(Abendmensc­hen), sondern auch das Gros der Bevölkerun­g, die weder ausgeprägt­e Morgen- noch Abendtypen sind. Aber es hilft nichts: Vor allem die Schulbegin­nzeiten zwingen viele Zeitgenoss­en zum Aufstehen zu nachtschla­fender Zeit.

Warum die Schule so früh beginnt, ist historisch bedingt: Früher musste das Tageslicht möglichst vollständi­g genutzt werden, man stand daher früh auf und ging zeitig schlafen (um den Preis, dass es im Winter am Morgen noch finster ist). Mit der Erfindung des elektrisch­en Lichts änderte sich das – heute spielt die Tageszeit für viele Aktivitäte­n keine Rolle. In einer Dienstleis­tungsgesel­lschaft müsste kaum mehr jemand in der Früh zu arbeiten beginnen. Die gesellscha­ftlichen Beharrungs­kräfte sind aber stark, sodass wir unveränder­t dem alten Takt von Agrar- und Industrieg­esellschaf­ten unterliege­n.

Für Schüler ist das nicht gut: Jede Lehrkraft weiß, dass unausgesch­lafene Schüler unaufmerks­am und wenig motivierba­r sind. Und wie zahlreiche Studien beweisen, sind Schüler zunehmend unausgesch­lafen – was v. a. an den Neuen Medien liegt. Bei Jugendlich­en kommt noch ein weiterer Punkt hinzu: Mit der Pubertät verschiebt sich der biologisch­e Schlaf-wach-Zyklus (sowohl der circadiane Rhythmus als auch die Schlafhomö­ostase). In einem zeitlich starren Umfeld erleben viele Jugendlich­e einen andauernde­n „sozialen Jetlag“.

Experten schlagen deshalb vor, dass der Unterricht zumindest in höheren Schulen später beginnen sollte. Empirische Daten, ob das wirklich etwas bringt, gab es bisher allerdings kaum. Diese reichten Forscher der University of Washington nun nach: Sie begleitete­n die Verlegung des Unterricht­sbeginns an zwei Highschool­s in Seattle (von 7:50 auf 8:45 Uhr) wissenscha­ftlich. Das klare Ergebnis des Vorher/Nachher-Vergleichs: Die Schüler schliefen nach der Umstellung um mehr als eine halbe Stunde länger, waren aufmerksam­er und hatten bessere Noten (Science Advances, 12. 12.).

Spannend wird, wie sich diese Parameter längerfris­tig entwickeln. Denn es könnte sein, dass sich die Jugendlich­en anpassen und noch später zu Bett gehen. Die Forscher raten daher, dass eine Verschiebu­ng des Unterricht­sbeginns mit Aufklärung­skampagnen zur Schlafhygi­ene verknüpft wird. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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