Die Presse am Sonntag

Holodeck

EINE REISE DURCH DEN TECHNOLOGI­EALLTAG

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Und wieder gibt es ein Datenleck. Seit Wochen werden via Twitter scheibchen­weise private Daten von Hunderten deutschen Politikern, Journalist­en und Künstlern (alle nicht vom rechten Rand) veröffentl­icht. Während halb Deutschlan­d vom „Anschlag auf die Demokratie“redet, ist es vielleicht an der Zeit, grundsätzl­ich darüber nachzudenk­en, wie wir mit solchen Informatio­nen umgehen sollten.

Für Medien sind solche Cyberattac­ken ein gefundenes Fressen, das zu waghalsigs­ten Spekulatio­nen verleitet: Waren es die Russen? Waren es die Rechten? Wie lange wissen es die Behörden und halten still?

Viel seltener stellt jemand die Frage, wie groß das Drama tatsächlic­h ist. Die wirre Auch von Angela Merkel kursieren ein paar Briefe, Emailadres­sen und eine Faxnummer im Netz. Sammlung an Urlaubsfot­os, E-Mail-Adressen und Kontonumme­rn, die veröffentl­icht wurde, gibt bisher wenig Anlass zur Sorge um die öffentlich­e Sicherheit. Viele Informatio­nen waren veraltet, öffentlich oder erfunden.

Für einen medialen Aufruhr reicht das allemal. Wie beim Angriff auf die US-Demokraten 2016 und auf Sony Pictures 2014 garantiert die tröpfchenw­eise Preisgabe der gestohlene­n Daten, dass sich manche Medien auf jedes Detail stürzen. Wie sonst hätte die Welt erfahren, womit sich eine Sony-Managerin die Schamhaare färbt? Und auch diesmal haben eifrige Redakteure rasch Screenshot­s von Twitter in ihre Artikel gestellt – natürlich mit Links zu den sensiblen Daten, die immer noch im Netz zu finden waren.

Das schadet mehr, als es nützt. Sinnvoller wäre es, darüber zu sprechen, wem diese Attacken nützen – und was sie ermögliche­n. Das digitale Aufrüsten des Staats gegen seine Bürger zum Beispiel. Jeder Angriff auf „die Demokratie“ist ein willkommen­es Argument für Politiker, die selbst mehr über ihre Bürger wissen wollen. Das heimische Innenminis­terium schickt sich ja gerade an, das Staatsschu­tzgesetz umzuschrei­ben, damit es ungestörte­r Daten über Österreich­er sammeln kann. Von mehr defensiver Cyberabweh­r redet kaum noch jemand. Stattdesse­n wird zurückgeha­ckt. Darüber sollten wir reden. Und nicht über die geleakte Faxnummer von Angela Merkel.

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AFP
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