Seine zwölf Gebote
Der kanadische Psychologieprofessor und YouTube-Ratgeber Jordan B. Peterson erlangte mit seinen Pro-Männer-Thesen eine große Fangemeinde – aber auch ebenso viele Feinde.
Der Erfolg von Jordan B. Peterson kam erst beim zweiten Anlauf. Schon einmal, 1999 hatte der klinische Psychologe aus Kanada ein Buch geschrieben. Doch das fast 600 Seiten dicke psychopopuläre Werk „Maps of Meaning“fand kaum Leser. 19 Jahre später hat es geklappt. Peterson, heute 56, verheiratet, Vater von zwei erwachsenen Kindern, ist so erfolgreich, dass er seinen Brotberuf, die Lehre an der Universität von Toronto, unterbrochen hat.
Sein Erfolg kam in kleinen Schritten. 2012 begann er auf der weniger bekannten Webplattform Quora philosophische Fragen von anderen Nutzern zu beantworten und schließlich selbst Listen mit Lebensregeln zu veröffentlichen. Parallel dazu trat er in Fernsehsendungen und im Radio auf, wo eine Literaturagentin auf ihn aufmerksam wurde und ihn zu einem weiteren Buch animieren wollte. Aufgrund seines weitgehend unbeachteten Sachbuchdebüts zögerte Peterson zuerst, machte sich schließlich aber doch da- ran, seine zwölf Gebote für ein gutes Leben zusammenzuschreiben. Drei Jahre später war das wieder gut 600 Seiten dicke Buch namens „12 Rules for Life – An Antidote to Chaos“fertig. Der philosophisch-psychologische Ratgeber mit Geboten wie „Steh aufrecht und mach die Schulter breit“oder „Lüge nicht“erschien Anfang 2018 auf Englisch (Random House), im November auch auf Deutsch und wurde bisher fast drei Millionen Mal gekauft. Parallel dazu hat sich Peterson mit seiner Vortragstour (die ihn im Jänner in die Schweiz führt), seinem YouTube-Kanal (mit 1,7 Millionen Followern) und einmal mehr, einmal weniger provokanten Interviews einen Namen gemacht. Er hat eine beachtliche Fangemeinde, die ihn für seine Ansich- ten zum Unterschied zwischen Männern (die für ihn symbolisch verbunden mit Ordnung sind) und Frauen (symbolisch verbunden mit dem Chaos, mehr dazu steht in Gebot 2: „Betrachte dich als jemanden, dem du helfen musst“) und zu Political Correctness (die er verabscheut) verehren. Die „New York Times“nannte ihn schon vor einem Jahr „den einflussreichsten Intellektuellen der westlichen Welt“. Was zunächst schwer übertrieben geklungen hat, ist rückblickend gesehen wahrscheinlich doch richtig. Er isst nichts außer Fleisch. Peterson trifft mit seinen männerfreundlichen und antiliberalen Ansichten in „Das wird man wohl noch sagen dürfen“Manier genau zur richtigen Zeit einen Ton, den viele hören wollen. Junge Väter ermutigt er in seinen Videos zum Beispiel, ein anständiges, diszipliniertes Leben zu führen. Das alles fällt vielleicht auch deswegen mehr auf, weil es seltener ist, dass konservative Denker eine sehr breite Bühne bekommen. Peterson nimmt sich seine gekonnt: Er ist rhetorisch brillant und sehr geübt, nach mehr als 30 Jahren in der Lehre. Außerdem sieht er nicht schlecht aus, was er auch weiß. Aktuell hat er 20 Kilogramm abgenommen, wie er dem „Spiegel“Anfang Dezember für ein sieben Seiten langes Porträt erzählt hat – mit der besonderen, von ihm selbst erdachten „Carnivore Diet“. Er isst nichts außer Fleisch. Davor ging es ihm häufig schlecht, litt er unter Depression und Angstzuständen, Taubheit in den Beinen. Seine Spezialdiät habe all diese Symptome beseitigt. Sagt er.
Dass seine Anhängerschaft so groß ist, liegt auch daran, dass er sich gut vermarktet und schlau ist. Seine veröffentlichten Thesen und Gedanken klingen oft simpel, er aber ist nicht blöd und vor allem schlagfertig. Es ist schwer, ihn und seine Thesen in Interviews zu kontern, wie zahlreiche Videonachweise im Netz beweisen. Sehr bekannt ist etwa der Mitschnitt eines Interviews mit einer britischen Journalistin von Channel4, die ihn hart und
Jordan B. Peterson,
geb. 12. Juni 1962 in Kanada, ist klinischer Psychologe und Professor für Psychologie (einst Harvard, heute University of Toronto). Wobei er seine Lehrtätigkeit derzeit aussetzt, aufgrund des großen Erfolgs seiner Vorträge, die er nach dem Buch „12 Rules of Life“gestartet hat. Er hat zwei erwachsene Kinder mit seiner Frau und eine Million Follower auf Twitter sowie 1,7 Millionen auf YouTube, wo er seine Vorträge abspielt. Sein jüngstes Buch, ist
„12 Rules of Life“,
im November auf Deutsch (mit dem Originaltitel auf Englisch) erschienen. Goldmann, 576 Seiten, 20,60 Euro. kritisch befragt hat und am Ende kapitulieren musste, weil Peterson seine Thesen sehr sachlich und überlegt verteidigte. Eines der aktuellsten Videos zeigt ihn in einem mehr als einstündigen Gespräch mit einer Reporterin des britischen „GQ Magazines“, in dem er in seiner typisch herablassenden Art erklärt, dass Frauen nicht systematisch von Männern unterdrückt würden und dass auch Männer weiblicher Gewalt ausgesetzt seien.
Dass ihn vor allem seine Aussagen zum politischen Tagesgeschehen bekannt gemacht haben, gibt er im Vorwort seines Buches sogar zu und betont: „Das ist wieder eine eigene Geschichte.“Kanadas Präsidenten, Justin Trudeau, kritisiert er häufig, ebenso Gesetze zur Gleichstellung von Homosexuellen oder die Einführung des dritten Geschlechts, dafür kann er Trump und dessen Politik viel abgewinnen. Zumindest sagte er mehrfach, er hätte ihn gewählt, wenn er Amerikaner wäre.
Seinen Gegnern bietet er also genug Angriffsfläche, als konservativer,
Es sind Gebote wie »Lüge nicht« oder »Steh aufrecht und mach die Schulter breit«. Männer sind für Peterson verbunden mit Ordnung, Frauen mit Chaos.
fleischfressender Antifeminist und Ordnungsfanatiker mit Sympathien für Trump. Obwohl er sich immer wieder deutlich von der Alt-Right-Bewegung oder Rechtspopulisten wie Viktor Orban´ distanziert hat, bedient er mit seinen Thesen rechte Ressentiments. Die kanadisch-amerikanische linke Presse hat ihn schon zerpflückt; seitdem sein Buch auf Deutsch erschienen ist, ist sich das deutschsprachige Feuilleton noch recht uneins, wie es mit Peterson umgehen soll. Dass sein Buch wie die Erweiterung der biblischen „Zehn Gebote“wirkt, ist sicher kein Zufall. Eines seiner Spezialgebiete ist die Psychologie gläubiger Menschen. Und das Selbstverständnis, einen neuen Kodex für die Allgemeinheit verfasst zu haben, hat er auch.