Akihito beendet sein Zeitalter
Drei Jahrzehnte sitzt der »sanfte Kaiser« Japans auf dem Thron. Nun beginnt seine Abdankung – und ein komplizierter Übergang in eine neue Ära.
Es soll ein stiller Tag sein. Kein Staatsakt, keine Fahrt in der offenen Limousine durch Tokio – und schon gar keine Militärparade. Japans sanfter Kaiser Akihito beginnt am Sonntag mit seinem 30-jährigen Regentschaftsjubiläum auch seinen Abschied vom Chrysanthementhron. Und das – wie er es wünscht – in aller Bescheidenheit. Der Tenno gedenkt an diesem Tag seines Vaters und Vorgängers, Hirohito (posthum genannt Showa, etwa „Leuchtender Friede“), der am 7. Jänner 1989 gestorben ist.
Da die älteste Erbmonarchie der Welt möglichst keine Überbrückung zulässt, wurde Kronprinz Akihito noch am selben Tag formell in den Kaiserstand erhoben, auch wenn er erst sehr viel später – am 12. November 1990 – nach einer ausführlichen Trauerperiode offiziell gekrönt wurde.
Akihito gilt als volksnaher Kaiser mit so viel menschlicher Wärme, dass rund 80 Prozent der Japaner zufrieden mit ihrer Monarchie sind. Vielleicht auch deshalb, weil diese Dynastie, verglichen mit europäischen Fürstenhäusern und deren Hochglanzstorys, sehr traditionell und stets auch ein wenig trocken wirkt. Akihito hat aber auch das „Glück“gehabt, anders als seine Vorfahren von der Bürde befreit zu sein, sich in direkter Linie von den Göttern der japanischen Naturreligion Shinto¯ ableiten zu müssen.
Sein Vater, Kaiser Hirohito, der Japan in den Zweiten Weltkrieg geführt hatte, ließ sich noch als Shinto-¯Gott verehren, bevor ihm die amerikanischen Sieger dieses Privileg aberkannten. Die USA sorgten auch dafür, dass sich ein Tenno künftig nicht mehr direkt in die Politik einmischen durfte. Seither steht in der Verfassung, der Kaiser sei das Symbol des Staates und der Einheit des Volkes. In der Praxis bedeutet das: Er darf reden, hat aber nichts zu sagen. Ihm steht keine politische Aussage zu, die nicht vom Hofamt und von der Regierung abgesegnet wurde. Heikle gesellschaftliche Themen wie das pazifistische Grundgesetz Japans, die Atomkraft oder die Folgen der nationalen Überalterung sind tabu.
Dennoch wurde Akihito ein relativ moderner Tenno, der dem Thron seinen Stempel aufdrückte. Oft verließ er den Palast, um sich im Ausland für Japans Kriegsgräuel zu entschuldigen, Opfern von Katastrophen wie in Fukushima Trost zu spenden oder sich auch unter das Volk zu mischen. Nicht umsonst wurde seine Regentschaft unter das Motto „Heisei“(etwa „Frieden überall“) gestellt. Er lernte Englisch, studierte an der Tokio-Universität Volkswirtschaftslehre, heiratete als erster Kronprinz der seit dem siebten Jahrhundert bestehenden Dynastie eine „Bürgerliche“: Michiko, die Tochter eines reichen Mühlenbesitzers. Beide lieben und pflegen westliche klassische Musik, er spielt Cello, die Kaiserin Klavier. Dafür wird künftig mehr Zeit bleiben. Kaiserlicher Kalender. Für Japan beginnt nach Akihitos Abdankung eine neue Zeitrechnung. Es ist das einzige Land der Welt, in dem noch ein kaiserlicher Kalender verwendet wird. Amtlich hat für Japan am 1. Jänner nicht 2019 begonnen, sondern nach den Re- Noch ist er der Kronprinz: Naruhito mit seiner Frau, Masako. gentschaftsjahren von Akihito das Jahr Heisei 31, das durch den Kaiserwechsel zu einem „Jahr“mit nur vier Monaten wird. Wie die Ära von Kaiser Naruhito ausgerufen wird, ist noch streng gehütetes Staatsgeheimnis. Die Namensfindung ist Aufgabe der Regierung, nicht des Hofamts, das aber ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Zwei Schriftzeichen. Ursprünglich sollte es schon vor Jahreswechsel eine Entscheidung geben, aber Gerüchte machen die Runde, es gebe noch keinen Konsens. So modern sich Japan international auch gern gibt, einige uralte Regeln gelten noch immer. Wie eine Kaiser-Ära heißen darf, dafür gibt es exakte Vorschriften. Der Name muss aus zwei Schriftzeichen bestehen, die vom Volk einfach zu lesen und zu schreiben sind. Er darf jedoch keine schon einmal verwendeten Namen enthalten und gilt als so heilig, dass frühere Vorschläge, die einmal abge- lehnt wurden, nie wieder in die Debatte eingebracht werden dürfen. Die Einführung einer neuen Zeitrechnung war schon früher ein gigantischer Aufwand, nur warnen Experten derzeit vor einem Superchaos bei der Umstellung aller Kalender und Rechnungssysteme. Die Ära Akihitos aber erstreckt sich fast über das gesamte Informationszeitalter, die meisten Rechnersysteme wurden in dieser Zeit entwickelt. Werden gar die Computersysteme und digitale Gerätekonfigurationen bei der Umstellung reihenweise abstürzen?
Experten warnen vor einem Chaos bei der Umstellung für die neue Zeitrechnung.
Münze mit Wunderbaum. Vor zehn Jahren noch, als Akihito vielleicht noch nicht an einen vorzeitigen Abschied dachte, war das 20. Kronjubiläum ein Volksfest mit vielen Zeremonien und Fähnchen schwenkender Bevölkerung. Mehr als 30.000 Laternenträger feierten ihren Tenno vor dem Palast. Diesmal aber soll das Jubiläum mit einem feierlichen Staatsakt im Nationaltheater begangen werden. Am 10. April, dem 60. Hochzeitstag des Kaiserpaares, wird auch die Kaiserin Michiko gefeiert. Am 30. April tritt Tenno Akihito amtlich ab, sein dann 59-jähriger Sohn Naruhito wird ihm einen Tag später auf den Thron folgen.
Zuvor soll zur kaiserlichen Übergabe eine Gedenkmünze geprägt werden – in Gold und mit einem Nennwert von umgerechnet 82 Euro. Aber nicht etwa mit dem Konterfei des 125. japanischen Tenno, dafür ist Akihito viel zu zurückhaltend. Die Medaille zeigt auf der einen Seite den mystischen Vogel Phönix mit dem immergrünen Wunderbaum Paulownia und weißer Birke – und auf der anderen das Chrysanthemenwappen des Kaiserhauses.