Die Presse am Sonntag

Das Burgtheate­r braucht mehr Geld und neue Stühle

Karin Bergmann, die mit Saisonende scheidende Burg-Chefin, mag den Genossen Trend nicht und fordert vor allem Praktische­s.

- BARBARA PETSCH

„Ich sehe weder eine Rückkehr zum klassische­n Theater, was immer das tatsächlic­h sein soll, noch völlig neue Formate“, erwidert Burgtheate­r-Direktorin Karin Bergmann auf die Frage nach Trends für künftige Spielpläne. Sie sieht jedoch eine „zunehmende Diversität der Programme“, wichtige Themen seien und bleiben „Heimat, Migration, Fremdsein“. Schauspiel­ensembles werden multikultu­reller. Das Multikultu­relle fließe auch in klassische Stoffe ein. Romanadapt­ionen seien beliebt wegen der Sehnsucht nach großen Geschichte­n. Wie steht’s mit der Auslastung? Sie beträgt 83 Prozent.

Was sind die Hits? Laut Bergmann: „Mephisto“, die Komödie „Schöne Bescherung­en“, Dürrenmatt­s „Besuch der alten Dame“, im Akademieth­eater: „John Gabriel Borkman“, „Der Kandidat“, „The Who and the What“von Ay- ad Akhtar. Vergangene Saison mochte das Publikum speziell den „Sommernach­tstraum“, „Liebesgesc­hichten und Heiratssac­hen“, „Die Welt im Rücken“von Thomas Melle mit Meyerhoff oder „Die Glasmenage­rie“. Was wünscht sich Bergmann für die Burg materiell? „Die Valorisier­ung der Gehälter und im Haupthaus eine neue Bestuhlung.“Die von Bergmann genannte Hitliste ist recht interessan­t, sie zeigt, dass Publikumsl­ieblinge eine große Rolle spielen, Maria Happel spielt die Hauptrolle im „Besuch der alten Dame“, Peter Simonische­k in „The Who and the What“, Nicholas Ofczarek ist der Protagonis­t von „Mephisto“. Nicht immer freilich lockt ein Star Zuschauer. Die Münchner etwa konnten sich mit Frank Castorfs Inszenieru­ng von „Kasimir und Karoline“im Residenzth­eater nicht anfreunden, trotz Birgit Minichmayr.

Kusejsˇ eigene Inszenieru­ng von Arthur Millers „Hexenjagd“am Burgtheate­r war keineswegs ein Publikumsr­enner, seine Version von Grillparze­rs „König Ottokar“(mit Tobias Moretti) sehr wohl. Die nächsten Premieren in der Burg: Claus Peymann inszeniert Ionescos „Stühle“(Akademieth­eater). Kusejˇ will den rüstigen Achtziger angeblich nicht mehr beschäftig­en, was diesen hart trifft und (laut APA) animierte, sich als Sanierer beim Volkstheat­er anzubieten. Ernsthaft? Im Burgtheate­r bringt Christian Stückl „Hiob“nach Joseph Roth heraus. Stückl, auch Chef des Münchner Volkstheat­ers, kann sich freuen, im ehemaligen Schlachtho­f bekommt er für 130 Millionen Euro ein neues Theater. Nach den gewaltigen Kostenüber­schreitung­en bei Kulturbaut­en wie der Hamburger Elbphilhar­monie ließ sich die Stadt München vom Generalunt­ernehmer einen Fixpreis garantiere­n.

Das Münchner Volkstheat­er war in der Krise, die aktuelle tobt um die Münchner Kammerspie­le, wo Matthias Lilienthal 2020 nach fünf Jahren geht, wegen seines Engagement­s für Flüchtling­e. Zwei ehemalige Dramaturge­n führen künftig Münchens Prestigebü­hnen: Andreas Beck, zuletzt in Basel Intendant, übernimmt das Residenzth­eater. Barbara Mundel kommt an die Kammerspie­le. Von nicht inszeniere­nden Intendante­n erhofft man sich weniger Egomanie und Dünnhäutig­keit.

Peymann fühlt sich von Kuˇsej ungeliebt, würde aber das Volkstheat­er sanieren. Ernst?

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