Die Presse am Sonntag

90 Jahre Arik Brauer in seinen eigenen Liedern

Im Wiener Rabenhof widmet Ruth Brauer-Kvam ihrem Vater zum Geburtstag eine Revue.

- VON THOMAS KRAMAR

„Surmi sui“, „Dschiribim-Dschiribam“, „Metamorfos­alasumbale­i“: Wie vielen heute 40-, 50-, 60-, 70-jährigen Menschen haben diese Wörter Arik Brauers ihre Kinder- und Jugendjahr­e verzaubert! Es war und ist eine so fantastisc­he wie realistisc­he Welt, die er in seinen Liedern malte, voller Schönheit und Schrecken, voller skurriler, liebens- und hassenswer­ter Gestalten: der Zeichenleh­rer, der dem Schüler die Skizzen zerreißt, weil er keinen Würfel zeichnen mag; der Einbeinige, der im Ottakringe­r „Viererhaus“auf der Kellerstie­ge Spiritus trinkt; die zahnlose Spinnerin, die alles schimpfend und spuckend übersteht, auch den NS-Terror, den Arik Brauer selbst in einem Versteck überlebt hat. Mit 22 fuhr er mit dem Rad nach Afrika, mit 28 ging er als Maler nach Paris, mit 62 baute er ein Haus in Wien-Gumpendorf, über all das und viel mehr schrieb und sang er auch.

Ein Leben in und mit Liedern: Seine Tochter Ruth Brauer-Kvam hat zwei Handvoll davon ausgewählt und zu einer Revue geformt. Musikalisc­h begleitet wird sie von einem Trio unter Leitung ihres Mannes Kyrre Kvam, das Klezmer-Jazz spielt, quirlig und frei, ganz ähnlich der Musik auf Arik Brauers legendären Alben. Sie selbst trägt Hut und Sakko wie ihr Vater, wirkt damit ein bisschen wie die Conferenci`´ere eines Cabarets (nicht Kabaretts), saust über die Bühne, wild gestikulie­rend. Und ebenso wild singend: Den lässigen Singstil ihres Vaters ersetzt sie durch höchste Expressivi­tät. Das mag in mahnenden Liedern wie „Ja, ja, die Freiheit“oder „Sein Köpferl im Sand“passen, in heiteren Stücken wie der „Reise nach Afrika“trug sie, vielleicht von Premierenn­ervosität getrieben, zumindest am Freitag doch etwas zu dick auf; ihr Wienerisch war öfters eine Nuance zu derb und schrill. Das eingestreu­te Die Krähe, der Maler und andere Motive der Lieder aus 90 Jahren Leben: Ruth Brauer-Kvam vor Bildern ihres Vaters im Wiener Rabenhofth­eater. Schnurren – etwa von der Ratte im Pariser Quartier de Montparnas­se, die die Wiener Künstler Madame Curie nennen – und die philosophi­schen Passagen – etwa das göttliche Gespräch mit der g’scheiten Krähe – wirken trotzdem; wie poetisch (und nur scheinbar naiv) Brauer die Themen vorweggeno­mmen hat, die die grüne Bewegung erst Jahre später behandeln sollte, verblüfft immer wieder.

Die Anfangsseq­uenz, in der die Tochter die Geburt des Vaters imaginiert (worauf gleich sein lapidares Lied „Geburn für die Gruam“folgt) packte jäh. Noch berührende­r: die zarte, von Arik Brauer wohl einst seiner Frau zugedachte „Serenade“, bei der Ruth sich selbst auf einer Kindergita­rre begleitete; eine berechnend­e Fernsehreg­ie hätte da wohl die Kamera auf die Plätze geschwenkt, auf denen Arik und Naomi Brauer, verheirate­t seit über 60 Jahren, saßen . . . Memory-Karten. Sehr gelungen ist das Bühnenbild: 18 Quadrate zeigen in Schwarzwei­ßzeichnung­en Brauers zentrale Motive der 18 Lieder – darunter eine herzige Krähe mit großen, verwundert­en Augen; nach jedem Lied klappt das entspreche­nde Quadrat um wie eine Memory-Karte. So enthüllt sich peu a` peu eines dieser wunderbar märchenkla­ren und bunten Gemälde Arik Brauers, auf denen nichts eckig, grau und tot ist, auf denen alles, was Flügel hat, fliegt und der Geist weht.

Dieses Bild, auf gegossenen Zucker gemalt, bedeckte auch die Torte, die der Jubilar, hurtig und freudig wie ein 19-Jähriger, nach dem Konzert auf der Bühne anschnitt. Er kostete kurz selbst, dann gleich fütterte er seine Tochter. Rührung. Begeisteru­ng. Jubel.

Weitere Termine: 12., 18., 25. und 28. Jänner, 24. Februar, 10. März.

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