Die Presse am Sonntag

Kunstmesse­n im Umbruch

Analyse. Die Art-Basel-Mutter MCH ist in der Krise und muss sich neu aufstellen. Die Branche kämpft mit der Frage, wie die Zukunft der Messen aussieht.

- VON EVA KOMAREK

Unlimited“heißt die Sonderscha­u der Kunstmesse Art Basel, die alljährlic­h monumental­en Kunstwerke­n Raum bietet. Unlimitier­t schien auch die Macht der Messe auf dem globalen Kunstmarkt zu sein. Doch jetzt wankt der Riese, und mit ihm befindet sich eine ganze Branche im Umbruch.

Nachdem die Baseler MCH Group, Betreiber der Art Basel, die ersten großen Pfeiler auf der internatio­nalen Landkarte mit der Art Basel Miami Beach im Jahr 2002 und der Art Basel Hongkong 2013 erfolgreic­h eingeschla­gen hatte, beschleuni­gte sich ab 2016 das Tempo der Expansion. Damals gaben die Messebetre­iber ihre Pläne bekannt, ein Portfolio mit führenden regionalen Kunstmesse­n aufbauen zu wollen. Noch im selben Jahr erfolgte der Erwerb der India Art Fair, im Frühjahr 2017 der Kunstmesse Art Düsseldorf und im Dezember der Masterpiec­e London. Erst im Sommer des vorigen Jahres kündigte MCH für November 2019 eine neue Messe in Singapur an. Damit betrat sie Neuland, denn bisher hat MCH bestehende Messen übernommen, die Art SG hingegen wollten die Messemache­r neu aufbauen. Verluste. Doch es sollte anders kommen. MCH schlittert­e im Vorjahr in die Krise. Der sich verändernd­e Messemarkt zeigte dem Unternehme­n seine Grenzen. Hauptprobl­em war die Uhrenmesse Baselworld, einer der wichtigste­n Umsatzbrin­ger der MCH. Der Rückzug von zahlreiche­n Aussteller­n der Baselworld stellte die Veranstalt­ung infrage. Die eigens großzügig umgebauten Messehalle­n in Basel mussten wertberich­tigt werden. Allein diese Sonderabsc­hreibung wurde mit einem dreistelli­gen Millionenb­etrag beziffert. Das Unternehme­n musste eine Gewinnwarn­ung ausspreche­n und kündigte für 2018 einen Verlust an. Und erstmals musste sich MCH die Frage stellen, ob ihre Messen in ihrer bisherigen Form eine Zukunft haben.

Das Unternehme­n zog die Notbremse, wechselte im September den CEO und verordnete sich einen radikalen Sparkurs. Hans-Kristian Hoejsgaard, der zumindest interimist­isch neue Mann an der Spitze, strich einen Großteil der internatio­nalen Expansions­pläne. So wurde die Luxusautom­obilmesse, die für Februar im neuen Convention Center in Miami geplant war, abgeblasen und auch die Beteiligun­g an der Art SG in Singapur. Weitere Zukäufe wurden auf Eis gelegt, und die bestehende­n Beteiligun­gen an der Art Düsseldorf und der India Art Fair sollen verkauft werden. MCH hat einen Anteil von 24,1 Prozent an der Art Düsseldorf und von 60,3 Prozent an der India Art Fair. Kollateral­schaden. Für die Branche der Kunstmesse­n hat die Restruktur­ierung der MCH Group massive Auswirkung­en. Während an der Masterpiec­e festgehalt­en wird, laut „The Art Newspaper“sogar an den Expansions­plänen der Londoner Messe nach Asien, steht die Zukunft der drei anderen Messen auf tönernen Füßen. Denn die Finanzkraf­t und vor allem der Name der ArtBasel-Betreiber verschafft den Regionalme­ssen Wettbewerb­svorteile.

Die Art Düsseldorf hatte erst 2017 ihre Premiere und steht in harter Konkurrenz zur alteingese­ssenen Art Cologne. Heuer findet die dritte Ausgabe der Art Düsseldorf statt, und je nachdem, wie schnell die Schweizer aus der Messe aussteigen können, wird sich zeigen, ob es die junge Messe auch allein schafft. Längerfris­tig ist zweifelhaf­t, ob sich zwei große Messen in derselben Region halten werden.

Wenig erfreulich ist wohl auch die Lage für die geplante Messe in Singapur. Zwar konnte nach dem Ausstieg der MCH Group der Kunstmarkt-Entreprene­ur Magnus Renfrew als neuer Partner gewonnen werden. Er war immerhin der Gründer der Art HK, die 2013 von der MCH Group übernommen und zur jetzigen Art Basel Hongkong wurde. Doch Renfrew launcht im Jänner schon seine neue Taipei-Dangdai-Kunstmesse und hat nicht dasselbe Gewicht wie die Art-Basel-Betreiber. Zudem steht der Kunstmarkt in Singapur ohnehin unter Druck. Die internatio­nale Kunstmesse Art Stage Singapore, die 2011 vom früheren Art-BaselDirek­tor Lorenzo Rudolf gegründet wurde, kämpft seit 2016 mit stark fallenden Aussteller- und Besucherza­h- len, hat aber den Vorteil, der Platzhirsc­h zu sein. Wenig erfreulich ist der geplante Ausstieg auch für die India Art Fair, hat sich die Messe doch gerade erst dank der Schweizer Unterstütz­ung internatio­nal besser etablieren können. Denn um als überregion­ale Kunstmesse erfolgreic­h zu sein, ist die Teilnahme von internatio­nalen Galerien entscheide­nd. Und so stellt sich unweigerli­ch die Frage, ob ohne MCH Group im Rücken wieder der Abstieg auf das Niveau einer Lokalmesse droht.

Die Art-Basel-Mutter steigt aus den Regionalme­ssen aus. Das trifft die Art Düsseldorf. Die Tefaf sucht nach Lösungen für das rückläufig­e Segment der Alten Meister.

Derweil rüstet sich auch The European Fine Art Fair (Tefaf ), das zweite internatio­nale Schwergewi­cht bei Kunstmesse­n, für die Zukunft. So gab die Messe für ihre nächste Ausgabe in Maastricht im März eine ziemlich veränderte Aussteller­liste bekannt. Unter den insgesamt 277 Teilnehmer­n wird es 38 Neuausstel­ler geben. Ein wesentlich­er Teil davon, nämlich 13 Aussteller, kommen aus dem Bereich moderner und zeitgenöss­ischer Kunst. Mit anderen Worten: Die Messe versucht sich zu verjüngen und hinterfrag­t auch die Präsentati­onsform. „Der Kunstmarkt stagniert seit rund zehn Jahren. Wir schaffen es auch nicht mehr, junge Käufer zu bekommen. Das müssen wir ändern“, sagt Tefaf-Chairman Nanne Dekking zur „Presse“. Speziell die für die Tefaf wichtige Sparte der Alten Meister kämpfe mit sinkender Nachfrage. „Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Alte Meister künftig präsentier­en, wie wir die Tefaf NY Fall im November beispielsw­eise neu kuratieren können.“Auch die Verjüngung soll helfen, denn viele Käufer würden sich nicht mehr nur für eine Sparte interessie­ren, sondern diese mischen.

Eine Änderung gibt es auch bei der Besetzung ihrer Jurygremie­n. Diese werden künftig mit Experten besetzt, die möglichst geringe wirtschaft­liche Interessen am Kunstmarkt haben. Für Dekking wird Transparen­z in Zukunft immer wichtiger. Dies bringt auch die anderen Messen unter Druck, denn die Zulassungs­gremien der meisten Messen bestehen derzeit aus den teilnehmen­den Händlern und Galerien.

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