Culture Clash
FRONTNACHRICHTEN AUS DEM KULTURKAMPF
Aufmarsch-Zwist. Am 19. Jänner gibt es wieder Frauenmärsche in den USA. Sie sind ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man alles als Kampf von Unterdrückern und Unterdrückten begreift.
Als breite Opposition gegen Donald Trump hat es begonnen. Doch schon der erste Women’s March 2017 hatte gezeigt, dass scheinbar simple Anliegen wie Solidarität und Widerstand in einem ideologisierten Umfeld alles andere als einfach sind. So gab es etwa Protest von Trans-Frauen-Vereinen gegen die „Pussy hats“– rosa Wollhauben, die das Bild des Marsches prägten. Grenzten sie doch „Frauen ohne Vagina“aus.
Vielen war auch damals schon der hohe Anteil weißer Frauen ein Dorn im Auge. Denn die Frau des weißen Mannes ist verdächtig. In einem Kampf, den etwa Cassie Brighter, eine bekannte weiße, bloggende Trans-Frau, in einem Beitrag zum Women’s March so umreißt: „Weißer Nationalismus ist der Feind. Weiße Suprematisten sind der Feind. UNTERDRÜCKUNG ist der Feind.“Heuer hat sich der Women’s March in Eureka, Kalifornien, selber abgesagt, weil zu wenige Farbige teilnehmen würden.
Und nun droht der Vorwurf des Antisemitismus die Bewegung zu spalten. Mitbegründerin Vanessa Wurble, sagt, sie sei als Jüdin hinausgemobbt worden. Sie organisiert einen eigenen Marsch. Und die pensionierte Anwältin Teresa Shook, die 2016 den Women’s March erfunden hatte, forderte nun auf Facebook gleich den Rücktritt der Organisatorinnen. Der Marsch sei gedacht gewesen als Zeichen der Solidarität und Liebe gegen die „hasserfüllte Rhetorik“und für eine gerechte, faire und inklusive Welt. Die jetzigen radikalen Anführerinnen hätten hingegen den Hass in die Bewegung gebracht. Etwa indem sie Louis Farrakhan und seine rassistische und antisemitische „Nation of Islam“unterstützen.
Es ist eben vertrackt, die Welt ausschließlich in Unterdrückte und Unterdrücker einzuteilen. Noch dazu, wenn Unterdrückte auch Unterdrücker sein können. Das zeigt der Versuch der schwarzen Women’s-March-Galionsfigur Tamika Mallory, ihre Kritik an den Juden mit ihrer Kritik am Antisemitismus zu vereinen: dass nämlich „weiße Juden, als Weiße, die Herrschaft der Weißen hochhalten, dabei aber alle Juden zur Zielscheibe werden“.
Sind weiße Frauen nun Unterdrücker oder Unterdrückte? Sind dann Frauen, die lieber Männer sein wollen, Verräterinnen an ihren Schwestern? Sind Jüdinnen Unterdrücker, wenn sie für Israel sind? Und wer nicht hasst, ist verdächtig. Die Querelen in der Mitte des Women’s March sind ein eindrückliches Beispiel für das, was herauskommt, wenn es kein gemeinsames, positives Menschenbild gibt, sondern nur den angeblichen gemeinsamen Feind: Es entsteht nicht die heile Welt, sondern die alles erfassende Zwietracht. Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.