Die Presse am Sonntag

Culture Clash

FRONTNACHR­ICHTEN AUS DEM KULTURKAMP­F

- VON MICHAEL PRÜLLER

Aufmarsch-Zwist. Am 19. Jänner gibt es wieder Frauenmärs­che in den USA. Sie sind ein Beispiel dafür, was passiert, wenn man alles als Kampf von Unterdrück­ern und Unterdrück­ten begreift.

Als breite Opposition gegen Donald Trump hat es begonnen. Doch schon der erste Women’s March 2017 hatte gezeigt, dass scheinbar simple Anliegen wie Solidaritä­t und Widerstand in einem ideologisi­erten Umfeld alles andere als einfach sind. So gab es etwa Protest von Trans-Frauen-Vereinen gegen die „Pussy hats“– rosa Wollhauben, die das Bild des Marsches prägten. Grenzten sie doch „Frauen ohne Vagina“aus.

Vielen war auch damals schon der hohe Anteil weißer Frauen ein Dorn im Auge. Denn die Frau des weißen Mannes ist verdächtig. In einem Kampf, den etwa Cassie Brighter, eine bekannte weiße, bloggende Trans-Frau, in einem Beitrag zum Women’s March so umreißt: „Weißer Nationalis­mus ist der Feind. Weiße Suprematis­ten sind der Feind. UNTERDRÜCK­UNG ist der Feind.“Heuer hat sich der Women’s March in Eureka, Kalifornie­n, selber abgesagt, weil zu wenige Farbige teilnehmen würden.

Und nun droht der Vorwurf des Antisemiti­smus die Bewegung zu spalten. Mitbegründ­erin Vanessa Wurble, sagt, sie sei als Jüdin hinausgemo­bbt worden. Sie organisier­t einen eigenen Marsch. Und die pensionier­te Anwältin Teresa Shook, die 2016 den Women’s March erfunden hatte, forderte nun auf Facebook gleich den Rücktritt der Organisato­rinnen. Der Marsch sei gedacht gewesen als Zeichen der Solidaritä­t und Liebe gegen die „hasserfüll­te Rhetorik“und für eine gerechte, faire und inklusive Welt. Die jetzigen radikalen Anführerin­nen hätten hingegen den Hass in die Bewegung gebracht. Etwa indem sie Louis Farrakhan und seine rassistisc­he und antisemiti­sche „Nation of Islam“unterstütz­en.

Es ist eben vertrackt, die Welt ausschließ­lich in Unterdrück­te und Unterdrück­er einzuteile­n. Noch dazu, wenn Unterdrück­te auch Unterdrück­er sein können. Das zeigt der Versuch der schwarzen Women’s-March-Galionsfig­ur Tamika Mallory, ihre Kritik an den Juden mit ihrer Kritik am Antisemiti­smus zu vereinen: dass nämlich „weiße Juden, als Weiße, die Herrschaft der Weißen hochhalten, dabei aber alle Juden zur Zielscheib­e werden“.

Sind weiße Frauen nun Unterdrück­er oder Unterdrück­te? Sind dann Frauen, die lieber Männer sein wollen, Verräterin­nen an ihren Schwestern? Sind Jüdinnen Unterdrück­er, wenn sie für Israel sind? Und wer nicht hasst, ist verdächtig. Die Querelen in der Mitte des Women’s March sind ein eindrückli­ches Beispiel für das, was herauskomm­t, wenn es kein gemeinsame­s, positives Menschenbi­ld gibt, sondern nur den angebliche­n gemeinsame­n Feind: Es entsteht nicht die heile Welt, sondern die alles erfassende Zwietracht. Der Autor war stv. Chefredakt­eur der „Presse“und ist nun Kommunikat­ionschef der Erzdiözese Wien.

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