Die Presse am Sonntag

Billionenk­äufe, die nun am Pranger stehen

Unternehme­n stecken immer mehr Geld in Aktienrück­käufe. Wozu? Und wo zweigen sie es eigentlich ab?

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Es war ein Artikel in der „New York Times“vor einer Woche, der die Diskussion so richtig in Gang gesetzt hat. Verfasst haben ihn zwei Senatoren aus dem linken Lager, die darin eine Gesetzesin­itiative für strengere Regeln bei Buy-backs, wie Aktienrück­käufe im Englischen genannt werden, ankündigte­n.

Ob das Gesetz auch angenommen wird, ist offen. In der Sache aber geht es um ein Riesending, das immer riesiger wird. Im Vorjahr nämlich haben die 500 wichtigste­n Aktiengese­llschaften der USA fast 700 Milliarden Dollar (beinahe das Doppelte des österreich­ischen Jahresbrut­tonational­produktes) zum Kauf von Aktien des eigenen Unternehme­ns ausgegeben. So viel wie noch nie. 2018 sind die Firmen selbst die größten Käufer ihrer eigenen Aktien geworden, schätzt Goldman Sachs.

Das Phänomen ist in den USA besonders ausgeprägt, wiewohl es nicht auf sie beschränkt ist. Auch in Deutschlan­d und in Europa generell wenden Unternehme­n immer mehr Geld dafür auf. So beschränkt der Allianz-Konzern seine Rückkäufe heuer zwar auf 1,5 Mrd. Euro, in den vergangene­n beiden Jahren aber hat er insgesamt sechs Mrd. Euro dafür ausgegeben. Der Industrieg­ase-Hersteller Linde wendet heuer und 2020 insgesamt bis zu sechs Mrd. Dollar dafür auf.

Aktionäre freut das natürlich, weil erstens allein die Ankündigun­g den Kurs anfacht sowie zweitens die Unternehme­n die an der Börse gekauften Aktien einziehen und durch das so verknappte Angebot die Kurse wie den Gewinn je Aktie weiter treiben.

Dabei ist dieses Vorgehen seit Langem umstritten. Die USA hatten es mit der Wirtschaft­skrise der 1930er-Jahre gar verboten, weil sie dahinter Marktmanip­ulation sahen. Das Verbot wurde nach 50 Jahren aufgehoben.

Was Kritiker einwerfen, ist, dass Firmen sich für Aktienrück­käufe gar verschulde­n, das erwirtscha­ftete Geld nicht investiere­n und reiche Aktionäre nur noch reicher machen.

Dem steht gegenüber, dass die Niedrigzin­sen einfach Anreize zur Verschuldu­ng liefern, die dann auch Steuern spart. Außerdem waren zuletzt ganze Unsummen an Geldern vorhanden, die infolge der US-Reform der Unternehme­nssteuern von Auslandsko­nten ins Land transferie­rt wurden. Auch gibt es nicht immer ausreichen­d Möglichkei­ten, und auch Zeit und Konjunktur­aussichten sind nicht immer günstig für vernünftig­e Investitio­nen und Zukäufe. Und es gibt auch Studien, die besagen, dass Aktienrück­käufe und Investitio­nen einander nicht unbedingt ausschließ­en.

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