Nur noch in Superlative zu fassen
US-Star Mikaela Shiffrin verteidigte im Wm-slalom ihren Titel, als Erste gewann sie viermal in Folge. Die ÖSV-Damen blieben ohne Medaille.
WM in Are in der Tat ein Rückschritt. Dabei hatten die Titelkämpfe in Vail 2015 einen beachtlichen Standard gesetzt, auch Schladming 2013 lieferte weit spektakulärere Bilder in die heimischen Wohnzimmer.
Auch weil die Weltcupkalender überfrachtet sind, wird gern folgende vermeintliche Erfolgsformel ausgegeben: Weniger Bewerbe, dafür mehr Event-Charakter. Doch hohe Zuschauerzahlen sind nicht immer der Erfolg des Sports. Wenn auch als Scherz gemeint, hat Felix Neureuther wohl recht, wenn er feststellt, dass in Kitzbühel 90 Prozent der Zuschauer Restalkohol hätten. Auch beim Flutlichtspektakel in Schladming geht es längst nicht allen 45.000 Zuschauern um den Sport. „Wo die Masse den Maßkrug im übertragenen Sinne über den Sport stellt, wird der Sportler erniedrigt“, schreibt Eurosport-Urgestein Sigi Heinrich. Bei Mega-Events verlieren die richtigen Fans. Der zweifache Gesamtweltcupsieger Bode Miller moniert: „Jeder möchte gerade aus allem eine Show machen. Aber das ist nicht der Gedanke des Weltcups.“ Ohne Strahlemann Marcel Hirscher hätte im vergangenen Weltcupwinter Norwegen und nicht wie seit 26 Jahren Österreich den Nationencup der Männer gewonnen. Tritt der 29-jährige Salzburger ab, entsteht eine gewaltige Lücke, Nachfolger ist weit und breit keiner in Sicht. Die größte Baustelle, die es im rot-weiß-roten Ski-Nachwuchs zu bearbeiten gilt, ist das Fehlen einer qualitativ hochwertigen Masse. Jene große Gruppe, die auch hinter den Topleuten noch für Erfolge gut war, schrumpft. Die Gründe überraschen nicht, es gibt weit weniger strapaziöse, weniger gefährliche und auch weniger kostspieligere Arten, seinen Bewegungsdrang auszuleben als die Hundertsteljagd im Gebirge. Darüber hinaus haben Missbrauchsfälle das Image des Skisports belastet. Absagen wegen zu wenig Schnee oder zu warmen Temperaturen waren im Skiweltcup in den vergangenen Jahren die Ausnahme. Doch im Trainingsalltag hat der Klimawandel längst Einzug gehalten. Vor dem Saisonauftakt berichteten die Rennläufer einmal mehr von den großen Problemen, in Europa brauchbare Gletscherpisten zum Trainieren zu finden. Selbst für Rennen im Hochgebirge wie in Sölden wird Snowfaring betrieben, also Altschnee über den Sommer hinweg konserviert. Der Skisport wird sich langfristig anpassen müssen, der Kampf gegen das Wetter ist nicht zu gewinnen. Nicht alles läuft falsch im Skisport. Kitzbühel, Wengen und Schladming haben als nationale Sporthighlights weiterhin große Strahlkraft. Henrik Kristoffersen, Marco Odermatt, vielleicht auch Manuel Feller werden die neuen Gesichter ihres Sports sein, schon jetzt zeigen sie spektakuläre Läufe. Mikaela Shiffrin wird weiter von Rekord zu Rekord rasen und dabei mit ihrer Natürlichkeit überzeugen. Und auch die Nachwuchsläufer, die auf den Sesselliften von den Heldentaten ihrer Vorbilder schwärmen, gibt es noch.
Doch es gilt, den Sport und seine Aushängeschilder besser in Szene zu setzen, als das bei der WM in Are geschehen ist. FIS-Boss Gian Franco Kasper hat mittlerweile eingeräumt, dass sein Verband „ein schwerfälliges Konstrukt“sei. Die Hoffnungen ruhen auf der WM 2021 in Cortina, 2023 ist Courchevel an der Reihe. Die Titelkämpfe 2025 dürften an Saalbach-Hinterglemm vergeben werden. Aus rotweiß-roter Sicht dreht sich aber alles um eine Frage: Macht Marcel Hirscher weiter? Denn tritt der siebenfache Gesamtweltcupsieger ab, beginnt eine neue Zeitrechnung im Skisport.
Der WM-Slalom in Are hat die erwartete Siegerin gebracht. Mikaela Shiffrin sicherte sich zum vierten Mal in Folge Gold und untermauerte damit die Regentschaft in ihrer Lieblingsdisziplin. Bei der WM 2013 in Schladming bestieg sie 17-jährig den Thron – nur die Liechtensteinerin Hanni Wenzel 1974 und die Britin Esme´ MacKinnon im Jahr 1931 waren noch jüngere Weltmeisterinnen – und verteidigte ihn nun als erste Läuferin der WM-Geschichte zum dritten Mal erfolgreich. Mit dem vierten Titelgewinn stellte sie zudem den Rekord von Christl Cranz aus den 1930er-Jahren ein, die Deutsche ist auch die Einzige, die in einer WM-Disziplin noch öfter als Shiffrin gewonnen hat: sechsmal in der Kombination.
RTL-Weltmeisterin Petra Vlhova,´ im Weltcup Shiffrins schärfste SlalomRivalin, musste sich mit Rang drei (+1,03 Sek.) hinter Anna Swenn-Larssen (+0,58) begnügen. Die Schwedin jubelte im Ziel ausgelassen mit dem Publikum über die erste Medaille bei dieser WM für die Gastgeber. shiffrin bleibt die luft weg. „Ich habe im zweiten Lauf wirklich angegriffen, ich wusste, dass es ein Kampf wird“, sagte Shiffrin mit Tränen in den Augen. 15 Hundertstel Rückstand als Halbzeitdritte auf Wendy Holdener – die Schweizerin vergab später alle Chancen mit einem schweren Fehler – verwandelte Shiffrin im zweiten Durchgang in fast sechs Zehntel Vorsprung – weit weg von ihrem Rekordvorsprung (3,07 Sekunden) und doch eine kleine Welt bei einer WM. Danach brach sie im Ziel zusammen. „Die Challenge war, atmen zu können. Ich habe es noch nie erlebt, dass ich keine Luft bekommen habe“, sagte Shiffrin, die schwerer Husten plagte.
Ein wenig war es wohl auch dem Abfallen des enormen Drucks, der auf Shiffrin gelastet hatte, geschuldet. Die US-Amerikanerin war noch vor dem ersten Rennen zum Superstar dieser Titelkämpfe hochstilisiert worden, von fünf Chancen auf Gold war die Rede. Die 23-Jährige startete mit dem Super-G-Sieg optimal, verzichtete jedoch auf Abfahrt und Kombination – und stand plötzlich in der Kritik. Mit Lindsey Vonn und Bode Miller zeigten zwei US-Skigrößen wenig Verständnis für die Entscheidung, „nur“RTL-Bronze ließ dann Fragen nach Nervenkostüm und Konzentration aufkommen. Im Slalom aber gab Shiffrin die Antwort und untermauerte ihre Vormachtstellung der letzten Jahre zwischen den Stangen. Allein in diesem Winter hat sie fünf der sechs Saisonbewerbe gewonnen, mit insgesamt 38 Erfolgen hält sie auch den Disziplinenrekord.
Mit zweimal Gold und Bronze umfasst die Sammlung des US-Stars nun schon sieben WM-Medaillen, fünf davon in Gold, was im ewigen Medaillenspiegel Rang sechs unmittelbar hinter Österreichs Jahrhundertsport- lerin Annemarie Moser-Pröll bedeutet. Dabei darf man nicht vergessen, dass Shiffrin am 13. März erst ihren 24. Geburtstag feiert. In Anbetracht dessen scheint – Verletzungsfreiheit und Motivation vorausgesetzt – nicht einmal die Bestmarke von Cranz von zwölfmal Gold außer Reichweite. „Rekorde sind da, um gebrochen zu werden“, sagte Shiffrin einmal. „Aber irgendjemand wird kommen, der meine Bestmarken bricht. Und ich hoffe, meine Rekorde sind nicht für die Ewigkeit.“Ihren Platz in den Annalen der Skigeschichte hat die neue, alte SlalomWeltmeisterin jedoch bereits sicher. G S B Mikaela Shiffrin Anna Swenn-Larsson Petra Vlhová diepresse.com/skiwm schon wieder Blech. Den ÖSV-Damen blieb zum dritten Mal bei dieser WM nur Blech, im Gegensatz zu Stephanie Venier (Abfahrt) und Ramona Siebenhofer (Kombination) fehlten Katharina Liensberger diesmal nicht vier Hundertstel, sondern vier Zehntel auf die erste rot-weiß-rote WM-Medaille im Slalom seit Michaela Kirchgasser 2013. Trost war das freilich keiner. „Der vierte Platz ist sehr undankbar. Ich hoffe, das passiert mir nur einmal in meiner Karriere“, meinte die Vorarlbergerin. Hinter Liensberger sorgten Katharina Huber (7.), Katharina Truppe (8.) und Bernadette Schild (9.) für ein achtbares Teamergebnis zum Abschluss.
Obgleich das erhoffte Edelmetall mit Sicherheit in den Speeddisziplinen verschenkt worden ist, scheint am Ende in der Bilanz erstmals seit der WM 1982 in Schladming keine Medaille der ÖSV-Damen auf. Heute (11/14.30 Uhr, live, ORF eins) liegt es somit an Marcel Hirscher und seinen Slalom-Kollegen Manuel Feller, Marco Schwarz, Michael Matt und Christian Hirschbühl, die erste Gold-Nullnummer für Österreich seit 42 Jahren noch abzuwenden. „Das kann auch passieren, da geht die Welt auch nicht unter“, beruhigte ÖSV-Sportdirektor Hans Pum. „Im Endeffekt sieht man, dass es nicht selbstverständlich ist, dass man so viel gewinnt, weil alle da Gas geben und um Medaillen fahren.“ mEDAIllEnspIEGEl