Die Presse am Sonntag

Für die volle Härte des österreich­ischen Rechts

Wer sich der Terrorgrup­pe IS angeschlos­sen hat, verdient kein Pardon. Doch die Republik muss ihren Verpflicht­ungen nachkommen und Austro-Jihadisten aus Syrien zurücknehm­en.

- LEITARTIKE­L VON CHRISTIAN ULTSCH

Mitleid mit europäisch­en IS-Anhängern, die in kurdischen Haftlagern in Syrien darben, ist nicht angebracht. Wer sich dem sogenannte­n Islamische­n Staat (IS) anschloss, brach mit so ziemlich allem, was die Zivilisati­on ausmacht. Wo immer Schergen des IS regierten, errichtete­n sie eine Schreckens­herrschaft. Die Liste ihrer Verbrechen ist lang: vom versuchten Völkermord an den Jesiden über Hinrichtun­gen, Vergewalti­gungen und Sklaverei bis hin zu Terroransc­hlägen. Ob Mörder oder Mitläufer, diese Menschen haben kein Pardon verdient. Sie müssen für ihre Taten zur Rechenscha­ft gezogen werden. Das österreich­ische Strafgeset­zbuch ist da eindeutig. Allein auf die Mitgliedsc­haft bei einer Terrorvere­inigung stehen ein bis zehn Jahre Gefängnis. Für alle weiteren Delikte kommen noch Strafen hinzu.

Niemand sollte die Gefahr unterschät­zen, die von IS-Rückkehrer­n ausgeht. Das waren nicht nur Köche und Gärtner, auch wenn das nun viele behaupten, um ihre Haut zu retten. Doch den kurdischen Streitkräf­ten in Syrien ist auch nicht länger zuzu- muten, sich um Hunderte gefangene Jihadisten aus dem Ausland zu kümmern. Seit Monaten bitten die Kurden Europa darum, ihnen die Häftlinge abzunehmen. Vergeblich. Eine Debatte kam erst in Gang, als sich USPräsiden­t Trump der Forderung anschloss. Inkohärent. Zu Recht beklagen EU-Staaten, wie schwer es oft sei, straffälli­ge Ausländer zurück nach Afrika oder in den Nahen Osten abzuschieb­en. Umso inkohärent­er wäre es jetzt, trotz aller Sicherheit­sbedenken, sich gegen Rücknahmen querzulege­n.

Rechtlich ist die Sache klar: Länder wie Österreich sind verpflicht­et, ihre Staatsbürg­er zurückzune­hmen. Es ist zwar möglich, Personen auszubürge­rn, die im Ausland für eine andere Armee kämpfen. Aber nur, wenn sie dann nicht staatenlos werden. Diese Option fällt also flach. Auch das Territoria­litätsprin­zip greift nicht: Grundsätzl­ich gilt, dass Menschen dort bestraft werden, wo sie Verbrechen begingen. Ein faires Verfahren hätten IS-Anhänger in Syrien allerdings kaum zu erwarten, eher ein standrecht­liches. Als dritte Variante wird gern von einem interna- tionalen Tribunal geträumt, diesem müssten allerdings erst alle fünf Sicherheit­sratsmitgl­ieder zustimmen – wenig wahrschein­lich.

Innenpolit­isch freilich bleibt die Angelegenh­eit heikel: Der Schutz der eigenen Bevölkerun­g habe Vorrang, ließ die Bundesregi­erung in unterschie­dlichen Härtegrade­n wissen. Tatsächlic­h ist es etwas anderes, ob man IS-Anhänger zurücknimm­t, was ja schon ein paar Dutzend Mal passiert ist, oder aktiv zurückholt. Letzteres schloss FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl aus – auch für Frauen.

Es ist viel Symbolik im Spiel. Konkret geht es im Moment um einen einzigen Fall: eine 20-jährige Wienerin und ihren eineinhalb­jährigen Buben in einem kurdischen Camp. Das Kind gehört zur Großmutter, die keineswegs zu verharmlos­ende Frau vor ein Gericht in Wien. Extremiste­n sollte dort der Prozess gemacht werden, wo sie sich radikalisi­ert haben: in ihrer Heimat. Das wäre auch die sicherere Variante als zu warten, bis sich im syrischen Chaos die kurdischen Gefängnist­ore öffnen und die Terroriste­n untertauch­en.

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