Zweiter Anlauf für Trump und Kim
Bei ihrem zweiten Treffen in Vietnams Hauptstadt Hanoi müssen der US-Präsident und Nordkoreas Anführer einen Deal finden. Einen unverbindlichen Wohlfühlgipfel darf es nicht wieder geben.
Die Doppelgänger sind bereits eingetroffen. Was der mit Bräunungscreme geschminkte Trump-Darsteller Russel White und Kim-Doppelgänger Howard X am Freitag auf den Stufen der Oper in Hanoi inszenierten, wird in nur wenigen Tagen Realität. Ab Mittwoch findet das zweite Gipfeltreffen zwischen Donald Trump und Kim Jong-un in Vietnams Hauptstadt statt.
Kim Jong-un ist bereits seit gestern in seinem Spezialzug unterwegs. Die letzten 170 Kilometer von der chinesischen Grenze wird Kim im Auto zurücklegen – die Regierung in Hanoi sperrt vorsorglich die gesamte Strecke. Ankommen wird er am Montag oder Dienstag. Auch die Vorbereitungen am Gipfelort laufen auf Hochtouren. Wahrscheinlich ist, dass das Treffen der Staatsmänner im Regierungsgästehaus im Zentrum stattfinden wird. Es gilt als das am besten bewachte Objekt.
Beide Staatsmänner treffen acht Monate nach ihrer historischen Begegnung in Singapur zum zweiten Mal aufeinander. Eigentlich genug Zeit, um zu klären, was zwischen den USA und Nordkorea möglich ist und was nicht. Damals hatte Kim Jong-un angeblich seine grundsätzliche Bereitschaft zur „kompletten Denuklearisierung“zugesagt, jedoch keine konkreten Zusagen gemacht, wie und bis wann Pjöngjang sein Atomwaffen-Arsenal abrüsten will. Trump ließ offen, wie die Gegenleistungen der USA aussehen könnten.
Während Kim seinem Gegenspieler vorwirft, ihn zur einseitigen Abrüstung zwingen zu wollen, steht Trump daheim unter Druck, nach bislang mageren Fortschritten tatsächlich Resultate vorzuweisen. Dafür wollen die Amerikaner offenbar einen Paradigmenwechsel in ihrer Taktik vollziehen. Statt den Fokus auf „alles sofort“zu legen, ist jetzt eine langfristigere Annäherung das neue Ziel ihrer Diplomatie. Nicht das detaillierte Abkommen soll am Ende in Hanoi herauskommen, sondern eine klare Willenserklärung auf höchster Ebene, die das „Fenster“für eine Entspannungschance öffnet. Auch aus Pjöngjang, wo man bisher auf einen mehrstufigen Phasenplan setzte, kommen Signale des Umdenkens. Nun soll Kim bereit sein zu einem Parallelprozess, der kurzfristige Erfolge in Einzelgebieten ermöglichen würde. Deklaration zum Korea-Krieg. Möglich wäre schon in Hanoi eine gemeinsame Deklaration zur Beendigung des KoreaKrieges von 1950–53. Das würde Vertrauen schaffen und wäre ein Prozessbeschleuniger für einen international gültigen Friedensvertrag, der allerdings auch die damaligen Kriegsteilnehmer China und Südkorea einbeziehen müsste. Wie CNN berichtet, werde ernsthaft auch die Einrichtung von Verbindungsbüros in beiden Hauptstädten geprüft. Das könnte ein erster Schritt zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen sein. Wichtig wäre es auch für den von Seoul forcierten Prozess der interkoreanischen Normalisierung.
Eigentliches Verhandlungsziel von Kim sind jedoch die Aufhebung oder wenigstens Lockerung der globalen Sanktionen. „Ich würde es mögen“, zeigte Donald Trump dazu Bereitschaft. Vorstellbar wäre, dass Washington die Daumenschrauben lockert, um humanitäre Hilfe für Pjöngjang zu erleichtern. Allerdings machte Außenminister Mike Pompeo diese Woche noch einmal klar: Erst wenn die USA sicher sind, dass Pjöngjang die nukleare Bedrohung „substanziell reduziert“, kann es mit Erleichterungen rechnen.
Vermutlich ist in diesem Kontext auch der am Freitag bekannt gewordene „Hungerappell“Pjöngjangs an die UNO zu bewerten. Demnach fehlen Nordkorea offiziell 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel, die Essensration für die Bevölkerung müsse fast halbiert werden. Grund dafür seien neben Naturkatastrophen die UNO-Sanktionen. In der Gipfelerklärung wird davon vermutlich nichts stehen, hinter den Kulissen wird sicher darüber gesprochen.
Kaum Chancen dürfte hingegen eine nordkoreanisch-chinesische Idee haben. Demnach lagert Nordkorea sei- ne Raketen nach China aus und behält als Sicherheitsgarantie die nuklearen Sprengköpfe. Bis zur letzten Gipfelstunde könnte unklar bleiben, ob sich in der Atom- oder Raketenfrage überhaupt Substanz ergibt. Donald Trump dämpfte die Erwartungen. Es gebe „keine Eile“bei der Denuklearisierung Nordkoreas, solange Pjöngjang keine weiteren Tests unternehme. Und dann sagte der US-Präsident beinahe verräterisch, er rechne mit einem dritten Gipfel.
Washington legt nicht länger den Fokus auf „alles sofort“, sondern auf Annäherung.