Ein Skandal ohne Konsequenzen
Vor einem Jahr fand eine Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz statt. Die Folgen waren massiv, die Performance von Justiz und Innenministerium ist zweifelhaft, der Ressourceneinsatz dafür groß. Was von den Vorwürfen geblieben ist.
Ein Jahr ist es her, dass in einer der zentralsten Sicherheitseinrichtungen dieser Republik eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Am 28. Februar 2018 stürmte die Einsatztruppe für Straßenkriminalität das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) am Rennweg in Wien Landstraße und beschlagnahmte großzügig Akten und Datenmaterial. Der Grund: Anonyme Vorwürfe gegen hochrangige Beamte des BVT und des Innenministeriums. Aussagen von vier Hauptbelastungszeugen veranlassten die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zur Hausdurchsuchung.
Das ungewöhnliche Vorgehen der Einsatzkräfte sowie der führenden Staatsanwältin und das eigenwillige Zusammenspiel von Justiz und Innenministerium führten schließlich zu einem U-Ausschuss sowie etlichen Anzeigen. Gegen Beamte. Gegen die Justiz. Gegen verdächtigte Schreiber des anonymen Konvoluts. Gegen Zeugen wegen deren unstimmigen Aussagen. Und gegen den Generalsekretär des Innenministeriums. Hohe Kosten. Der Ressourceneinsatz, um die Geschehnisse um den 28. Februar und die damit verbundenen Vorgänge aufzuklären, ist enorm. Seitens des Parlaments hat allein der U-Ausschuss mit 28 Sitzungstagen Kosten von rund einer Million Euro verursacht. Rund 700.000 Euro wurden an die parlamentarischen Klubs als Unterstützung bezahlt. 200.000 Euro wurden für administratives Personal bereitgestellt. Rund 80.000 Euro wurden an die Verfahrensrichter ausbezahlt. Weitere 20.000 Euro wurden für Medientechnik, Kopierkosten und Buffet ausgegeben. Allein die Kaffeekapseln, die bisher verbraucht wurden, haben einen Wert von rund 5000 Euro. Der U-Ausschuss soll noch bis zum Sommer weiterlaufen. Dazu gab es mehrere Sondersitzungen des Nationalrates, denen sich Innenminister Herbert Kickl stellen musste. Aufseiten der Justiz ist der Aufwand ebenfalls groß. Die WKStA bekam im Sommer 2017 ein anonym verfasstes Konvolut mit etlichen Vorwürfen übermittelt – diese reichen von Nichtlöschung von Daten bis zu Kickback-Zahlungen in Millio- nenhöhe und Korruption. Seitdem sind insgesamt fünf Oberstaatsanwälte und bis zu drei IT-Experten eingesetzt. Fünf Ermittler der Polizei sind der WKStA nach der Hausdurchsuchung direkt zugeteilt worden.
Insgesamt gab es anfangs sechs Beschuldigte – es wurden rund 100 Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen durchgeführt. Rund 100 Berichte wurden an die Oberbehörden erstattet – die demnach mit dem Fall ebenso befasst wurden wie das Bundesverwaltungsgericht, das Wiener Landesgericht und die Staatsanwaltschaft Korneuburg, bei der etliche Anzeigen vorliegen. Sie ermittelt unter anderem gegen die führende WKStA-Staatsanwältin, Ursula Schmudermayer, und gegen den Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber.
Das Innenministerium – und vor allem das BVT – kommen seit dem 28. Februar nicht zur Ruhe. Reformgruppe um Reformgruppe wird eingesetzt – es wird herumstrukturiert, Personal herumgeschoben.
Und dann wären da noch die Journalisten, die sich seit Monaten intensiv mit all dem auseinandersetzen.
Aber was ist nun nach einem Jahr intensiver Aufklärungsarbeit wirklich geblieben?
In erster Linie ein schlechter Eindruck von Österreich und dessen Behörden. Vor allem die Zusammenarbeit mit ausländischen, befreundeten
Der U-Ausschuss zum BVT kostete bisher rund eine Million Euro.
der Kickl zu sich berief. Der Innenminister machte danach einen halben Rückzieher: Niemals habe er die Europäische Menschenrechtskonvention infrage stellen wollen. Grenzen verschieben sich. Einen Effekt zeigen die fortgesetzten Provokationen allerdings: Die Grenzen verschieben sich, der Gegenwind, der ihm ins Gesicht bläst, wird zunehmend schwächer. Als Kickl im Februar eine Sicherungshaft für gefährliche Asylwerber vorschlug, sorgte dieser menschenrechtlich bedenkliche Vorschlag für keinen gröberen Wirbel mehr. Dass der Bundespräsident ihn für „rechtlich extrem heikel“befand, war schon der Höhepunkt der Kritik, SPÖ und Neos zeigten sich in der Sache verhandlungsbereit.
Vergleichsweise harmlos ist ein anderes Aufregerthema der Ära Kickl: Der Aufbau einer berittenen Polizei ist ein Steckenpferd des Innenministers, der an den Plänen auch angesichts hoher Kosten, organisatorischer Probleme beim Aufbau der Reiterstaffel und massiver Kritik von Tierschützern beharrlich festhält.