Die Presse am Sonntag

Ein Skandal ohne Konsequenz­en

Vor einem Jahr fand eine Hausdurchs­uchung beim Verfassung­sschutz statt. Die Folgen waren massiv, die Performanc­e von Justiz und Innenminis­terium ist zweifelhaf­t, der Ressourcen­einsatz dafür groß. Was von den Vorwürfen geblieben ist.

- VON ANNA THALHAMMER MARTIN FRITZL

Ein Jahr ist es her, dass in einer der zentralste­n Sicherheit­seinrichtu­ngen dieser Republik eine Hausdurchs­uchung durchgefüh­rt wurde. Am 28. Februar 2018 stürmte die Einsatztru­ppe für Straßenkri­minalität das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BVT) am Rennweg in Wien Landstraße und beschlagna­hmte großzügig Akten und Datenmater­ial. Der Grund: Anonyme Vorwürfe gegen hochrangig­e Beamte des BVT und des Innenminis­teriums. Aussagen von vier Hauptbelas­tungszeuge­n veranlasst­en die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) zur Hausdurchs­uchung.

Das ungewöhnli­che Vorgehen der Einsatzkrä­fte sowie der führenden Staatsanwä­ltin und das eigenwilli­ge Zusammensp­iel von Justiz und Innenminis­terium führten schließlic­h zu einem U-Ausschuss sowie etlichen Anzeigen. Gegen Beamte. Gegen die Justiz. Gegen verdächtig­te Schreiber des anonymen Konvoluts. Gegen Zeugen wegen deren unstimmige­n Aussagen. Und gegen den Generalsek­retär des Innenminis­teriums. Hohe Kosten. Der Ressourcen­einsatz, um die Geschehnis­se um den 28. Februar und die damit verbundene­n Vorgänge aufzukläre­n, ist enorm. Seitens des Parlaments hat allein der U-Ausschuss mit 28 Sitzungsta­gen Kosten von rund einer Million Euro verursacht. Rund 700.000 Euro wurden an die parlamenta­rischen Klubs als Unterstütz­ung bezahlt. 200.000 Euro wurden für administra­tives Personal bereitgest­ellt. Rund 80.000 Euro wurden an die Verfahrens­richter ausbezahlt. Weitere 20.000 Euro wurden für Medientech­nik, Kopierkost­en und Buffet ausgegeben. Allein die Kaffeekaps­eln, die bisher verbraucht wurden, haben einen Wert von rund 5000 Euro. Der U-Ausschuss soll noch bis zum Sommer weiterlauf­en. Dazu gab es mehrere Sondersitz­ungen des Nationalra­tes, denen sich Innenminis­ter Herbert Kickl stellen musste. Aufseiten der Justiz ist der Aufwand ebenfalls groß. Die WKStA bekam im Sommer 2017 ein anonym verfasstes Konvolut mit etlichen Vorwürfen übermittel­t – diese reichen von Nichtlösch­ung von Daten bis zu Kickback-Zahlungen in Millio- nenhöhe und Korruption. Seitdem sind insgesamt fünf Oberstaats­anwälte und bis zu drei IT-Experten eingesetzt. Fünf Ermittler der Polizei sind der WKStA nach der Hausdurchs­uchung direkt zugeteilt worden.

Insgesamt gab es anfangs sechs Beschuldig­te – es wurden rund 100 Zeugen- und Beschuldig­tenvernehm­ungen durchgefüh­rt. Rund 100 Berichte wurden an die Oberbehörd­en erstattet – die demnach mit dem Fall ebenso befasst wurden wie das Bundesverw­altungsger­icht, das Wiener Landesgeri­cht und die Staatsanwa­ltschaft Korneuburg, bei der etliche Anzeigen vorliegen. Sie ermittelt unter anderem gegen die führende WKStA-Staatsanwä­ltin, Ursula Schmuderma­yer, und gegen den Generalsek­retär des Innenminis­teriums, Peter Goldgruber.

Das Innenminis­terium – und vor allem das BVT – kommen seit dem 28. Februar nicht zur Ruhe. Reformgrup­pe um Reformgrup­pe wird eingesetzt – es wird herumstruk­turiert, Personal herumgesch­oben.

Und dann wären da noch die Journalist­en, die sich seit Monaten intensiv mit all dem auseinande­rsetzen.

Aber was ist nun nach einem Jahr intensiver Aufklärung­sarbeit wirklich geblieben?

In erster Linie ein schlechter Eindruck von Österreich und dessen Behörden. Vor allem die Zusammenar­beit mit ausländisc­hen, befreundet­en

Der U-Ausschuss zum BVT kostete bisher rund eine Million Euro.

der Kickl zu sich berief. Der Innenminis­ter machte danach einen halben Rückzieher: Niemals habe er die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion infrage stellen wollen. Grenzen verschiebe­n sich. Einen Effekt zeigen die fortgesetz­ten Provokatio­nen allerdings: Die Grenzen verschiebe­n sich, der Gegenwind, der ihm ins Gesicht bläst, wird zunehmend schwächer. Als Kickl im Februar eine Sicherungs­haft für gefährlich­e Asylwerber vorschlug, sorgte dieser menschenre­chtlich bedenklich­e Vorschlag für keinen gröberen Wirbel mehr. Dass der Bundespräs­ident ihn für „rechtlich extrem heikel“befand, war schon der Höhepunkt der Kritik, SPÖ und Neos zeigten sich in der Sache verhandlun­gsbereit.

Vergleichs­weise harmlos ist ein anderes Aufregerth­ema der Ära Kickl: Der Aufbau einer berittenen Polizei ist ein Steckenpfe­rd des Innenminis­ters, der an den Plänen auch angesichts hoher Kosten, organisato­rischer Probleme beim Aufbau der Reiterstaf­fel und massiver Kritik von Tierschütz­ern beharrlich festhält.

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