Die Presse am Sonntag

Ein Minister, der polarisier­t

Herbert Kickl eckt immer wieder an – das scheint den Innenminis­ter nicht sonderlich zu stören.

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Generalsek­retär Peter Goldgruber steht im Mittelpunk­t der Affäre um das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g. Der oberste Beamte im Innenminis­terium soll die Fäden gezogen haben, damit die Staatsanwa­ltschaft ihre umstritten­e Razzia im Nachrichte­ndienst durchführt. Dass der Beamte aus Eigenantri­eb gehandelt hat, darf bezweifelt werden. Er habe von Innenminis­ter Herbert Kickl den Auftrag bekommen im BVT aufzuräume­n, gibt Staatsanwä­ltin Ursula Schmuderma­yer in ihrem Tagebuch eine angebliche Äußerung Goldgruber­s wieder – die dieser allerdings bestreitet.

Kein Zweifel besteht daran, dass Kickl die politische Verantwort­ung für die Affäre trägt. Mehrere Sondersitz­ungen des Nationalra­ts und Misstrauen­santräge der Opposition hat ihm das schon eingebrach­t. Den streitbare­n FPÖ-Politiker scheint das nicht sonderlich zu stören. Im Parlament geht er gern zum Gegenangri­ff über und verteidigt selbstbewu­sst seine Position. Kickl polarisier­t und scheint diese Polarisier­ung zu genießen. Das BVT ist auch nicht das einzige Thema, bei dem der frühere FPÖ-Generalsek­retär bewusst aneckt.

Schon knapp nach Amtsantrit­t hat Kickl internatio­nal für Schlagzeil­en gesorgt, als er davon sprach, Asylwerber an einem Ort „konzentrie­rt“unterbring­en zu wollen. Eine bewusste Anlehnung an die NS-Terminolog­ie der Konzentrat­ionslager? Kickl dementiert­e die Absicht, provoziere­n zu wollen. Die Vorgangswe­ise erinnerte aber doch stark an seinen politische­n Ziehvater Jörg Haider, der das Spiel mit der gezielten Provokatio­n und dem darauffolg­enden halbherzig­en Dementi perfekt beherrscht hatte. Einschränk­ung der Pressefrei­heit? Ebenso für Aufsehen sorgte im September des Vorjahres eine Anweisung seines Pressemita­rbeiters an die Landespoli­zeidirekti­onen, die Zusammenar­beit mit bestimmten Medien auf ein Minimum zu beschränke­n, andere dafür mit „Zuckerln“zu versorgen. Das brachte ihm den Vorwurf der Einschränk­ung der Pressefrei­heit und einen weiteren Misstrauen­santrag der Opposition ein. Erst nach tagelangen Diskussion­en, in denen sich auch Bun- deskanzler Sebastian Kurz und Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen kritisch geäußert hatten, distanzier­te sich Kickl von der Aussendung seines Mitarbeite­rs.

Kurz davor, nämlich im Juli, hatten schon die Chefredakt­eure wichtiger Tageszeitu­ngen – von „Presse“über „Kurier“bis „Standard“– in einer konzertier­ten Aktion vor der Einschränk­ung der Meinungsfr­eiheit gewarnt. Kickl hatte davor im ORF einzelne Journalist­en im Zusammenha­ng mit der BVTAffäre persönlich angegriffe­n, Gerüchte über bevorstehe­nde Hausdurchs­uchungen in Redaktione­n machten die Runde.

Im Jänner dieses Jahres schließlic­h sorgte wieder ein ORF-Auftritt des Innenminis­ters für Aufregung. Das Recht müsse der Politik folgen und nicht die Politik dem Recht, sagte Kickl da im Hinblick auf die Europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion, die eine Abschiebun­g von straffälli­gen Asylwerber­n oftmals verhindert. Nicht nur die Opposition protestier­te, auch ein Aufschrei von Vertretern der Richter folgte. Und wieder einmal war es Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen,

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