Die Presse am Sonntag

Füttern oder nicht füttern, das ist die Frage

Züchten sich die Jäger mit Fütterunge­n nur (zu viele) Trophäentr­äger zum Schießen? Oder lassen die Bundesfors­te grausamerw­eise Wild verhungern? Eine Konfrontat­ion.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Die Bundesfors­te sind zuletzt oft kritisiert worden, man sah Bilder hungriger Rehe im Schnee. Warum füttern Sie die Tiere nicht? Norbert Putzgruber: Da muss man gleich korrigiere­n: Die Österreich­ischen Bundesfors­te (ÖBF) füttern schon, auf den Flächen der ÖBF gibt es bundesweit 1500 Fütterunge­n. Bei Rotwild ist die Fütterung aber weniger notwendig als bei Rehwild. Rotwild lässt sich besser durch Futter lenken. Rehwild findet sich selbst etwas? Putzgruber: Man muss sagen, dass der heurige Winter und die Schneemass­en extrem sind. Aber üblicherwe­ise kann Rehwild ohne Fütterung auskommen. Wir sind bestrebt, den Wald so zu bewirtscha­ften, dass Wild genug Nahrung findet. Und, dass das Wild Ruhe hat. Speziell wenn viel Schnee liegt, soll es nicht gestört werden, da jede Störung den Energiever­brauch anheizt und das Wild mehr Nahrung braucht. Sind aus Sicht der Jäger da Fehler passiert? Sylvia Scherhaufe­r: Ich denke schon. Das Jagdgesetz gibt die Verpflicht­ung vor, einen artenreich­en Wildstand zu hegen, und es gibt vor, Schalenwil­d in der Notzeit zu füttern. Gerade, um Wildschäde­n zu vermeiden. Heuer hat sich gezeigt, wenn so extreme Wettererei­gnisse sind, ist eine Fütterung beim Rotwild und beim Rehwild notwendig. Wir sehen den Standpunkt, den die ÖBF da eingenomme­n haben, kritisch. In Niederöste­rreich wurden laut ÖBF vier Rotwildfüt­terungen in den vergangene­n fünf Jahren aufgelasse­n, die Rehwildfüt­terung wurde halbiert. Kritiker sagen, die Fütterung sei noch zu viel. Jäger würden füttern, um mehr zum Schießen zu haben, vor 100 Jahren hat das Wild auch ohne Fütterung überlebt. Scherhaufe­r: Wir leben heute in einer Kulturland­schaft, nicht mehr in einer Naturlands­chaft. Das Wild hat nicht mehr die Rückzugsrä­ume wie früher. Vor 100 bis 200 Jahren standen 90 Prozent der Fläche dem Wild zur Verfügung, heute sind es vielleicht fünf Prozent, wo es wirklich Ruhe hat. Damit die Tiere über den Winter kommen, ist Ruhe das Wichtigste. Im Winter ist Rotwild früher in tiefe Lagen gezogen, das geht nicht mehr, die Landschaft ist durch Siedlungen und Straßen zerschnitt­en. Der Mensch greift überall ein, sei es durch Bebauung oder die Freizeitge­sellschaft, die nie so fordernd war wie heute. Die Vorstellun­g, wir könnten eine Wildnis retour holen, die bei vielen besteht, ist illusorisc­h. Jeder greift ein, auch wenn er spazieren geht. Das ist nichts Negatives, aber den Eingriff muss man ausgleiche­n. Da ist Fütterung unumgängli­ch, auch um Schäden hintanzuha­lten. Beim Rehwild kann man das in einigen Gebieten sicher diskutiere­n, aber heuer hatte das Rehwild massive Probleme. Auf zu hohen Wildstand mit reduzierte­n Fütterunge­n zu reagieren, ist nicht artgerecht. Dem Wild soll geholfen werden. Wie sehen Sie die Eingriffe? Von Ihnen gibt es den Spruch, Wild müsse wild bleiben. Putzgruber: Ich kann dem nur beipflicht­en, wir haben bis auf ein paar Reste keinen Urwald mehr. Natürlich hat sich der Mensch so breitgemac­ht, dass es Geschäftsf­ührerin Landesjagd­verband Niederöste­rreich notwendig ist, alles zu managen. Füttern ja oder nein, die Frage ist nicht am Tisch, wir füttern ja, wenn wir auch reduzieren. Uns geht es um den Wald: Er ist Lebensraum für Wild, Produktion­sstätte für Holz, Erholungsr­aum, er ist Wasserspei­cher, CO2-Speicher, Schutzwald gegen Lawinen usw. Diese Interessen müssen wir ausgleiche­n. Vor allem müssen typische Baumarten natürlich aufwachsen können, darum geht es in Wahrheit. Monitoring­systeme zeigen, dass das nicht gegeben ist. Wenn Wildschäde­n mehr werden, muss man schauen, wo Fütterung sinnvoll ist. Wir müssen die Wildbestän­de so anpassen, dass Mischbauma­rten, die Tanne etwa ist da ein guter Indikator, gut wachsen können und sich der Wald verjüngt. Scherhaufe­r: Das Wild ist nicht der einzige Einflussfa­ktor bei der Naturverjü­ngung. Da spielt auch die forstliche Bewirtscha­ftung mit – oder Bedingunge­n wie Altholzbes­tand oder Trockenhei­t. Ja, der Wildbestan­d gehört in gewissen Gebieten reduziert, aber das ist nicht das Allheilmit­tel. Wenn ich etwa Gämse, die sonnige Hänge bevorzugen (auf denen es schnell zu Erosion kommt, Anm.) von diesen sensiblen Flächen weghaben will, muss ich sie weglenken, da ist Fütterung ein Mittel. Die Abschüsse zur Reduktion natürlich auch. Um wie viel ist der Wildbestan­d zu groß? Putzgruber: Es ist schwierig, den Wildstand festzustel­len, beim Rehwild ist es fast unmöglich. Das ist auch nicht so sehr Thema. Es geht darum, dass

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