Füttern oder nicht füttern, das ist die Frage
Züchten sich die Jäger mit Fütterungen nur (zu viele) Trophäenträger zum Schießen? Oder lassen die Bundesforste grausamerweise Wild verhungern? Eine Konfrontation.
Die Bundesforste sind zuletzt oft kritisiert worden, man sah Bilder hungriger Rehe im Schnee. Warum füttern Sie die Tiere nicht? Norbert Putzgruber: Da muss man gleich korrigieren: Die Österreichischen Bundesforste (ÖBF) füttern schon, auf den Flächen der ÖBF gibt es bundesweit 1500 Fütterungen. Bei Rotwild ist die Fütterung aber weniger notwendig als bei Rehwild. Rotwild lässt sich besser durch Futter lenken. Rehwild findet sich selbst etwas? Putzgruber: Man muss sagen, dass der heurige Winter und die Schneemassen extrem sind. Aber üblicherweise kann Rehwild ohne Fütterung auskommen. Wir sind bestrebt, den Wald so zu bewirtschaften, dass Wild genug Nahrung findet. Und, dass das Wild Ruhe hat. Speziell wenn viel Schnee liegt, soll es nicht gestört werden, da jede Störung den Energieverbrauch anheizt und das Wild mehr Nahrung braucht. Sind aus Sicht der Jäger da Fehler passiert? Sylvia Scherhaufer: Ich denke schon. Das Jagdgesetz gibt die Verpflichtung vor, einen artenreichen Wildstand zu hegen, und es gibt vor, Schalenwild in der Notzeit zu füttern. Gerade, um Wildschäden zu vermeiden. Heuer hat sich gezeigt, wenn so extreme Wetterereignisse sind, ist eine Fütterung beim Rotwild und beim Rehwild notwendig. Wir sehen den Standpunkt, den die ÖBF da eingenommen haben, kritisch. In Niederösterreich wurden laut ÖBF vier Rotwildfütterungen in den vergangenen fünf Jahren aufgelassen, die Rehwildfütterung wurde halbiert. Kritiker sagen, die Fütterung sei noch zu viel. Jäger würden füttern, um mehr zum Schießen zu haben, vor 100 Jahren hat das Wild auch ohne Fütterung überlebt. Scherhaufer: Wir leben heute in einer Kulturlandschaft, nicht mehr in einer Naturlandschaft. Das Wild hat nicht mehr die Rückzugsräume wie früher. Vor 100 bis 200 Jahren standen 90 Prozent der Fläche dem Wild zur Verfügung, heute sind es vielleicht fünf Prozent, wo es wirklich Ruhe hat. Damit die Tiere über den Winter kommen, ist Ruhe das Wichtigste. Im Winter ist Rotwild früher in tiefe Lagen gezogen, das geht nicht mehr, die Landschaft ist durch Siedlungen und Straßen zerschnitten. Der Mensch greift überall ein, sei es durch Bebauung oder die Freizeitgesellschaft, die nie so fordernd war wie heute. Die Vorstellung, wir könnten eine Wildnis retour holen, die bei vielen besteht, ist illusorisch. Jeder greift ein, auch wenn er spazieren geht. Das ist nichts Negatives, aber den Eingriff muss man ausgleichen. Da ist Fütterung unumgänglich, auch um Schäden hintanzuhalten. Beim Rehwild kann man das in einigen Gebieten sicher diskutieren, aber heuer hatte das Rehwild massive Probleme. Auf zu hohen Wildstand mit reduzierten Fütterungen zu reagieren, ist nicht artgerecht. Dem Wild soll geholfen werden. Wie sehen Sie die Eingriffe? Von Ihnen gibt es den Spruch, Wild müsse wild bleiben. Putzgruber: Ich kann dem nur beipflichten, wir haben bis auf ein paar Reste keinen Urwald mehr. Natürlich hat sich der Mensch so breitgemacht, dass es Geschäftsführerin Landesjagdverband Niederösterreich notwendig ist, alles zu managen. Füttern ja oder nein, die Frage ist nicht am Tisch, wir füttern ja, wenn wir auch reduzieren. Uns geht es um den Wald: Er ist Lebensraum für Wild, Produktionsstätte für Holz, Erholungsraum, er ist Wasserspeicher, CO2-Speicher, Schutzwald gegen Lawinen usw. Diese Interessen müssen wir ausgleichen. Vor allem müssen typische Baumarten natürlich aufwachsen können, darum geht es in Wahrheit. Monitoringsysteme zeigen, dass das nicht gegeben ist. Wenn Wildschäden mehr werden, muss man schauen, wo Fütterung sinnvoll ist. Wir müssen die Wildbestände so anpassen, dass Mischbaumarten, die Tanne etwa ist da ein guter Indikator, gut wachsen können und sich der Wald verjüngt. Scherhaufer: Das Wild ist nicht der einzige Einflussfaktor bei der Naturverjüngung. Da spielt auch die forstliche Bewirtschaftung mit – oder Bedingungen wie Altholzbestand oder Trockenheit. Ja, der Wildbestand gehört in gewissen Gebieten reduziert, aber das ist nicht das Allheilmittel. Wenn ich etwa Gämse, die sonnige Hänge bevorzugen (auf denen es schnell zu Erosion kommt, Anm.) von diesen sensiblen Flächen weghaben will, muss ich sie weglenken, da ist Fütterung ein Mittel. Die Abschüsse zur Reduktion natürlich auch. Um wie viel ist der Wildbestand zu groß? Putzgruber: Es ist schwierig, den Wildstand festzustellen, beim Rehwild ist es fast unmöglich. Das ist auch nicht so sehr Thema. Es geht darum, dass