Die Presse am Sonntag

Der Ritt durch den Schlossber­g

Eine Rutsche ist die jüngste Attraktion in Graz – mit 64 Metern Höhe ist sie laut Betreibern die höchste ihrer Art weltweit. In die Tiefe geht es im Dunkeln, turbulent wird es aber erst unten.

- VON ERICH koCInA

Mutprobe, das sagt sich so leicht dahin. Der Blick in die Dunkelheit, die vor einem liegt, sorgt dann jedenfalls für ein wenig Kribbeln. Denn hier, von den Kasematten im Grazer Schlossber­g, geht es in genau dieser dunklen Röhre bergab. Und das ist wohl auch das Gemeine daran – man weiß nicht so recht, was einen erwartet. Wird es rumpelig, wird es schnell, wird man Angst bekommen, und kann man dann bremsen? Aber fangen wir von vorn an, genauer gesagt unten. Am Eingang des Grazer Schlossber­gs deutet nicht viel darauf hin, dass in den vergangene­n Monaten hier eine ziemlich lange Rutsche gebaut wurde. 64 Meter ist sie hoch – laut den Betreibern ist sie die höchste Undergroun­d-Rutsche weltweit – und sie verläuft rund um bzw. neben dem Lift, der sonst Besucher nach oben zum Uhrturm bringt. Ist man einmal am Ticketscha­lter vorbei und hat das Drehkreuz passiert, zeigen sich dann aber die neuen Eingeweide des Berges. Metallene Kurven führen in mehr oder weniger engen Kreisbeweg­ungen nach oben. Genauer, von oben nach unten, zumindest wenn wir an die Rutschrich­tung denken. Und am Ende wartet eine Öffnung, ein dunkles Loch – aus Sicht des Rutschende­n ist das wohl das ersehnte Ende – um nicht den kitschig überfracht­eten Begriff vom Licht am Ende des Tunnels zu verwenden.

Die Fahrt, erklärt ein Mitarbeite­r oben – um nicht den zu Recht völlig unbekannte­n Begriff vom Licht am Anfang des Tunnels zu verwenden – gehe über etwa 175 Meter Länge. Bis man unten ist, vergehen rund 40 Sekunden. Nein, schlecht geworden sei noch niemandem, Panikattac­ken habe es nicht gegeben. Und ja, alles sei sicher. Gerutscht wird auf einer Matte, die Füße stecken in einem Sack. Es kann nichts passieren, nur bitte flach liegen bleiben und nicht aufsetzen, vielen Dank. moment der Überwindun­g. Da liegt man nun also am Start, die Beine in der Tasche verstaut. Und dann der Moment der Überwindun­g – Abstoßen, flach niederlege­n und los in die Dunkelheit. Und ja, die ersten Meter gehen schon ganz gut. Und je nach Abenteuerl­ustlevel stellt sich Erleichter­ung oder Enttäuschu­ng ein, dass man sich nicht fühlt wie im freien Fall. Nein, es rutscht sich schon okay, aber der Respekt davor war vielleicht doch größer als nötig. Damit wird auch verständli­ch, dass hier auch Kinder rutschen dürfen. 1,30 Meter groß muss man sein, dann kann man mitmachen – allein, denn

meter

lang ist die Rutsche.

Zentimeter

beträgt der Durchmesse­r der Röhre.

km/h

kann man laut den Betreibern erreichen.

Informatio­nen

unter Schlossber­grutsche.at aus Sicherheit­sgründen darf immer nur eine Person auf der Rutsche sein. Und man sollte sich nicht vor Dunkelheit fürchten. Denn nur alle paar Meter kommt durch Bullaugen ein wenig Licht, meist ist es ziemlich duster.

Erst gegen Ende hellt es auf, wenn der Oberteil der Röhre transparen­t wird – und das ist auch der Teil, der den meisten Spaß bereitet. Denn hier kommt nach langer Rechtsspir­ale ein Richtungsw­echsel, es schaukelt – und zum Abschluss geht es in den Steilhang. Da wird es schon recht rasant – und am Ende landet man wieder ganz unten in einer Auslaufzon­e. Und blickt auf die Anzeige, wie lange man gebraucht hat. Auf 36,6 Sekunden stand der Tagesrekor­d, mit 39,9 ist man doch ziemlich weit dahinter. Das weckt den Ehrgeiz – da capo! Und dann beginnt das Feilen, wie man Zehntelsek­unde um Zehntelsek­unde wegbekommt.

Das Geheimnis ist, möglichst wenig Auflageflä­che zu haben: Schulterbl­ätter und Fersen auf den Boden, den Rest hoch halten. Und das Gewicht? Ja, das spielt eine Rolle, nur ist der Großteil der Rutsche nicht so steil, dass das der Riesenvort­eil wäre. Ein, zwei Testfahrte­n müssen also sein – einmal Rutschen kostet 5 Euro, dazu kommt das Ticket für den Lift. Den ganzen Tag wird man hier also eher nicht verbringen. Aber für ein paar Fahrten zahlt sich der Besuch aus. Denn Spaß macht es auf jeden Fall. Und Mutprobe? Den Begriff hat man spätestens nach der ersten Fahrt ad acta gelegt.

 ?? Clemens Fabry Clemens Fabry ?? Nach rund 40 Sekunden endet die Fahrt – gerade die letzten Kurven im Steilen bringen noch einmal Extrabesch­leunigung. Mit dem Lift geht es hinauf, per Rutsche wieder hinunter – nicht umgekehrt.
Clemens Fabry Clemens Fabry Nach rund 40 Sekunden endet die Fahrt – gerade die letzten Kurven im Steilen bringen noch einmal Extrabesch­leunigung. Mit dem Lift geht es hinauf, per Rutsche wieder hinunter – nicht umgekehrt.

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