KEINE BEFRISTUNG IN BERLIN
den seien. Jetzt sollen die kommunalen Gesellschaften mehr Wohnungen bauen, aber echte Niedrigpreise kommen damit nicht zustande: Die meisten werden teurer sein als 7,5 Euro pro Quadratmeter. Konnte man sogar im angesagten Prenzlauer Berg vor gut zehn Jahren noch zu Spottpreisen mieten, werden in Berlin heute nur noch zehn Prozent der Mietwohnungen für unter sieben Euro pro Quadratmeter angeboten. In Österreich sind gemeinnützige Wohnungen lebenslang mietzinsbegrenzt. 55 Prozent der Bevölkerung leben laut EU-Daten im Eigenheim, in Deutschland sind es 52 Prozent. In Wien nur etwa ein Fünftel.
Prozent
seines verfügbaren Einkommens gibt ein österreichischer Haushalt durchschnittlich für Wohnen (inklusive Nebenkosten) aus. Darin enthalten sind auch Eigentumswohnungen und Häuser.
Euro netto
braucht eine Familie in Wien laut dem Immobilienportal Nestpick mindestens, um „adäquat“wohnen zu können – also ein Drittel ihres Einkommens für Wohnen aufzuwenden. Die Zahlen beziehen sich auf aktuell angebotene Mietwohnungen.
Tausend
Menschen in Wien leben in einer Gemeindewohnung, also fast ein Viertel der Stadtbewohner. Jedes Jahr werden 10.000 neue Mietverträge geschlossen.
Prozent.
Um so viel schossen die Mieten in Berlin zwischen 2000 und 2017 in die Höhe, so die Daten der Investitionsbank Berlin.
Prozent.
Um so viel erhöhten sich die privaten Hauptmieten in Wien zwischen 2008 und 2018, zeigt eine Auswertung der Statistik Austria. Die allgemeine Teuerung betrug im selben Zeitraum knapp 17 Prozent. Schichten, geht in Wien langsam voran. Oder, wie es Buwog-Chef Daniel Riedl formuliert: „Das starre Mietrecht dämpft die dynamische Entwicklung der Stadt.“Der „Friedenszins“wurde zwar 1981 abgeschafft, aber wer vor 30 Jahren eine Wohnung angemietet hat, muss maximal mit einer Inflationsanpassung rechnen. Großzügige Weitergaberechte an Kinder, Geschwister, Partner und sogar Enkel haben dazu geführt, dass sich in alten Zinshäusern für viele Mieter eine Art Eigentumsverhältnis entwickelt hat. Laut der Indust- rieländerorganisation OECD hat Österreich einen der am stärksten regulierten Wohnungsmärkte der Welt. Kritiker beanstanden, dass dies das Angebot drückt. Und auch den Anreiz für Hauseigentümer, in die Modernisierung zu investieren, da sie die Kosten nicht an die Mieter weitergeben können. Hohe Miete bleibt. Anders ist das in Berlin. Dort dürfen Vermieter bis zu elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete draufschlagen, auch bei Altverträgen. In Extremfällen, die es immer wieder in die Schlagzeilen schaffen, führt das zu einer Verdoppelung oder gar Verdreifachung der Miete. Die Miete bleibt dauerhaft höher, auch wenn die Kosten für den Umbau hereingespielt sind. In Österreich darf ein Vermieter die Miete wegen Verbesserungsarbeiten nicht anheben, wegen Erhaltungsarbeiten schon. Aber auch nur dann, wenn sie nicht durch die Mietzinsreserve gedeckt sind. Sind die Kosten einmal hereingespielt, muss er die Miete wieder senken. Die Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ will die Weitergabe von Mietwohnungen einschränken. Im Regierungsprogramm ist die Abschaffung des „Mietadels“angekündigt. Laut der liberalen Denkfabrik Agenda Austria führt der strenge Mieterschutz dazu, dass ältere Menschen jungen Familien Wohnraum wegnehmen. Sie seien „quasi in ihrer Altbauwohnung gefangen“, da diese jedenfalls billiger ist, als eine kleinere Wohnung neu anzumieten. Deutsche Pensionisten verfügen laut der Studie Teurer Wohnen aus 2014 über 15 Quadratmeter weniger Wohnfläche als österreichische. Nur eines von acht Mietverhältnissen in Wien werde auf dem freien Markt abgeschlossen, österreichweit eins von vier.
In Berlin, das die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“wegen der Enteignungsdebatte kürzlich die „Hauptstadt des Sozialismus“nannte, regiert der Markt. Die Mieten können während der Vertragslaufzeit über der Inflation erhöht werden, in Wien nur um die Teuerung. Wegen des strengen Mieterschutzes in Wien sind unbefristete Mieter quasi unkündbar. Befristete Verträge werden mehr. Laut einer Ifes-Umfrage für die Arbeiterkammer haben zwei Drittel der Unter-36-Jährigen einen befristeten Vertrag, zu durchschnittlich 4,4 Jahren. 2003 waren es noch fünf Jahre. In Deutschland gibt es so gut wie keine befristeten Mietverträge.
Was also tun gegen steigende Preise und Mieten? In Deutschland versuchte man es mit der Mietpreisbremse – aber Experten konnten keinen nennenswerten Effekt feststellen. Bauen, bauen, bauen, sagen Politiker, Ökonomen, Experten. Aber gebaut wird in Wien nicht gerade wenig. Die Stadt erlebte zuletzt einen regelrechten Boom: 2017 wurden fast 24.000 Wohneinheiten bewilligt, heuer werden es 20.000 sein. In den Nullerjahren waren es regelmäßig nur ein Drittel davon. „Das kommt jetzt langsam auf dem Markt an“, sagt der Immobilienforscher Wolfgang Amann. 2018 wurden rund 13.000 Wohnungen fertiggestellt. „Heuer und nächstes Jahr wird es einen Schub geben.“Wegen der hohen Nachfrage arbeite die Bauwirtschaft die Aufträge langsamer ab. Jedes Jahr werden rund 7000 geförderte Wohnungen gebaut. Zugelegt haben vor allem frei finanzierte Eigentumswohnungen, und da vor allem kleine, oft als Vorsorgewohnungen. Leistbarkeit werde vor allem dadurch hergestellt, „dass die Wohnungen kleiner werden“, sagt Amann.
Es wird also zumindest nicht günstiger werden. Trotzdem sympathisiert in Wien nicht einmal die links stehende Arbeiterkammer mit den Berliner Enteignungsfantasien. „Das ist bei uns nicht denkbar“, sagt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunalpolitik bei der AK. Denn: „Im internationalen Vergleich ist die Wohnungssituation in Wien hervorragend.“