Die Presse am Sonntag

Let’s make money

INFORMATIO­NEN FÜR ZEITGENOSS­EN, DIE AUF IHR GELD SCHAUEN

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Mich wundert, dass ich so fröhlich bin“heißt ein Roman des Schriftste­llers Johannes Mario Simmel. Eigentlich stammt der Satz von einem jahrhunder­tealten Spruch, dessen Herkunft unklar ist. Unter anderem stand er auf dem Deckengemä­lde der ehemaligen Franziskan­erkirche von Heilbronn – in dieser Fassung: „Ich leb und weiß nicht wie lang / ich sterb und weiß nicht wan / ich fahr und weiß nicht wahin / mich nimmt wunder daß ich so frelich bin / wan ich bedenk den dot und di ewige pein / so mecht ich nicht so frelich sein.“

Warum wir die heutige Kolumne mit Literatur beginnen? Weil man sich auch wundern kann, dass die Börse so fröhlich unterwegs ist. Nach der scharfen Korrektur im vierten Quartal kennt sie nun kein Halten. Der US-Leitindex Dow Jones markierte am Freitag ein neues Jahreshoch und ist nicht mehr weit vom vorjährige­n Allzeithoc­h entfernt. Auch die Nasdaq hat einen neuen Höchstwert seit Jahreswech­sel erzielt. Ja selbst beim deutschen Dax und dem europäisch­en Euro Stoxx 50, die beide im Vorjahr enttäuscht­en, ist ein solches zu vermerken, obwohl sie zu ihren Bestmarken noch ein großes Wegstück haben.

Was die Börsen so fröhlich macht? Am meisten wirkt wohl die Kehrtwende weiter, die die US-Notenbank Fed Ende Jänner gemacht hat, indem sie den Leitzins nicht weiter erhöhte und eine Pause bei der Straffung der Geldpoliti­k verkündete. Wie an den Fed Funds Futures – also den Terminkont­rakten – abzulesen ist, die die Erwartungs­haltung der Marktteiln­ehmer bezüglich des USLeitzins­niveaus abbilden, beträgt die Wahrschein­lichkeit, dass es auch bei der Fed-Sitzung am 20. März zu keiner Zinserhöhu­ng kommt, über 96 Prozent.

Fröhlich macht Anleger auch das am Donnerstag bekannt gewordene Protokoll der Zinssitzun­g der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) im Jänner, bei der eine Neuauflage langfristi­ger Geldspritz­en für die Banken ins Auge gefasst worden ist. Marktteiln­ehmer rechnen damit, dass diese Geldsalven schon auf der EZB-Sitzung am 7. März beschlosse­n werden. Die Leitzinser­höhung in Europa ist ohnehin kein Thema mehr.

Und so bleibt Geld billig und wird schon bald wieder in größeren Mengen auf den Markt geworfen. Im Interesse der Konjunktur, die sich einzutrübe­n begonnen hat. Von diesem Erklärungs­zusatz freilich wollen die Börsianer nichts hören, so wie der Dichter des obigen Spruchs den Tod ausblenden muss, um „frelich“zu sein. Dabei kommen von der Konjunktur­front keine positiven Nachrichte­n. Wie der Brexit in gut einem Monat ablaufen wird, wissen wir auch nicht. Ebensoweni­g wie das Thema neuer US-Strafzölle auf den Im-

 ?? Reuters ?? Fröhliche Zeiten. Eine Aktienhänd­lerin an der Börse in Frankfurt.
Reuters Fröhliche Zeiten. Eine Aktienhänd­lerin an der Börse in Frankfurt.

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