Die Presse am Sonntag

Ein Tabubruch, der die Börse in Atem hält

Muss der Staat eine Aktie vor Attacken schützen? Ja, sagte Deutschlan­d soeben im Fall Wirecard. Allemal fragwürdig.

- EST

Was die deutsche Finanzaufs­icht Bafin da am Montag verfügte, hat es so in der Geschichte des Marktplatz­es noch nicht gegeben. Zwar fand am Höhepunkt der Finanzkris­e eine ähnliche Interventi­on der Behörde statt. Nun aber schützt sie zum ersten Mal einen Einzelwert, indem sie Attacken seitens sogenannte­r Leerverkäu­fer verbietet. Bis 18. April darf demnach nicht mehr mit neuen Leerverkäu­fen gegen die Aktie des aufstreben­den und vom Österreich­er Markus Braun gegründete­n sowie gemanagten Zahlungsab­wicklers Wirecard, der erst 2018 in den deutschen Leitindex DAX aufgenomme­n worden ist, gewettet werden.

Zur Vorgeschic­hte: Die „Financial Times“(FT) hat in den vergangene­n Wochen wiederholt von Bilanzieru­ngsverstöß­en in der Wirecard-Niederlass­ung in Singapur berichtet. Das hat die Aktie, lange ein Highflyer, seit Ende Jänner von 167 Euro auf deutlich unter 100 Euro rasseln lassen. Da half auch nicht, dass Wirecard die Vorwürfe zurückgewi­esen hat, da interne Untersuchu­ngen sie als haltlos entlarvt hätten. Fortan überschlug­en sich die Ereignisse. Eine externe Untersuchu­ng ist am Laufen. Wirecard prüft rechtliche Schritte gegen die FT. Die Staatsanwa­ltschaft München ermittelt wegen des Verdachts auf Marktmanip­ulation und führt den FT-Journalist­en als Beschuldig­ten, zumal ein Aktieninte­ressent ausgesagt habe, von dem FT-Artikel vorab erfahren zu haben. Und schließlic­h erließ die Bafin das Verbot auf Leerverkäu­fe, sprich mit geliehenen Aktien auf fallende Kurse zu setzen.

Das Verbot hat umgehend zu einem rapiden Kursanstie­g auf 126 Euro geführt. Allein, in der Fachwelt ist der Schritt der Behörden umstritten. Der freie Handel von Wertpapie- ren ist nämlich ein hohes Gut, da erst das Kräftespie­l zwischen Käufern und Verkäufern eine optimale Preisfindu­ng ermöglicht. Das war bei Wirecard immer schon schwer, da das Unternehme­n sein Geschäftsm­odell nie ausreichen­d erklären konnte, weshalb die Aktie leicht zu hypen war und eben auch leicht Vorwürfen ausgesetzt werden konnte, die sich übrigens bisher immer als haltlos erwiesen.

Indem die Bafin nun die Causa einer etwaigen Marktmanip­ulation nicht der Justiz allein überlässt, sondern in den Handel eingreift, tut sie ihm und sich selbst nicht unbedingt Gutes. Es sei denn, sie weiß was, das ihre Aussage, es handle sich bei den Attacken auf Wirecard um „eine ernst zu nehmende Bedrohung für das Marktvertr­auen in Deutschlan­d“, rechtferti­gt. Dies bald zu erfahren ist interessan­t wie die Lösung eines Kriminalfa­lles.

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