Mit Liebe und viel Management: Das dritte Kind kommt
Sie liegen über dem österreichischen Durchschnitt und sind der Wunsch mancher Politiker: Familien mit drei, vier oder mehr Kindern. Doch wie lebt es sich in einer großen Familie? Und gibt es den Trend zu mehr Kindern? Ein Hausbesuch.
So richtig war das Kinderkriegen bei Madeleine Fremuth gar nicht geplant. Zumindest war ihr Kinderwunsch nicht so ausgeprägt. „Ich habe selbst einen kleinen Bruder, der um 16 Jahre jünger ist, und ich habe einfach gewusst, wie viel Arbeit Kinder sein können“, erzählt sie heute. Aber ihr Mann Jörg wollte welche. „Dann haben wir gesagt, schauen wir, was das Universum sagt.“Und das sagte gleich mehrmals Ja.
Die 44-Jährige sitzt umringt von ihrer Familie auf ihrem Sofa in der Wiener Wohnung im 23. Bezirk. Neben ihr die Zwillingstöchter Lola und Rosa (12), Mann Jörg (46) und Sohn Jakob (10), „der dringend zu uns wollte und ein paar Hürden genommen hat“, erzählt sie schmunzelnd. Familie FremuthStadler liegt damit deutlich über dem österreichischen Durchschnitt. Die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau liegt noch immer bei weniger als zwei Kindern, wobei es seit dem Jahr 2010 wieder eine leichte Zunahme bei den Geburten gibt. 2017 kamen mit 87.633 Kindern fast so viele Babys auf die Welt wie 1996. Ein Faktum, das von Experten so erklärt wird: Frauen bekommen immer später Kinder und sind nun in dem Alter, in dem sie das Kinderkriegen nachholen.
2017 bekamen deutlich mehr Frauen ihr erstes Kind als in den Jahren davor, so wie auch mehr Frauen ein zweites und drittes Kind bekamen. Allerdings steigt hier die Kurve im Vergleich zu den Vorjahren weniger steil an. Auch die Zahl jener Frauen mit vier oder fünf Kindern nahm etwas zu. Ein Phänomen, das sich durch alle Schichten zieht. Sieht man sich in der gut gebildeten Wiener Schicht um, findet man auch hier immer wieder Familien mit drei und mehr Kindern.
Volkswirtschaftlich gesehen sind mehr Kinder für ein Land freilich gut. Österreich kann ohne eine höhere Geburtenrate seine Wirtschaftsleistung nicht aufrechterhalten – und muss damit, so wie andere Länder auch, auf Zuwanderung setzen. Einer, der das partout nicht will, ist Ungarns Premier, Viktor Orban.´ Er will die Ungarinnen nun motivieren, Babys zu bekommen – indem er ihnen mit Krediten für Autos und Wohnungen, die bei vielen Kindern nicht mehr zurückgezahlt werden müssen, Anreize setzt. Frauen, die vier Kinder bekommen, sollen zudem von der Einkommensteuer befreit werden. Ein Plan, dessen Erfolg zweifelhaft ist, der aber Grundsatzfragen aufwirft: Was motiviert Paare, mehr Kinder zu bekommen? Wie lebt es sich überhaupt mit vielen Kindern? Und wie schafft man den Alltag – ohne zu verzweifeln?
Indem man gut organisieren kann – und sich Hilfe holt, lautet die Antwort, die alle Familien, die die „Presse am Sonntag“getroffen hat, gegeben haben. „Mir ist zugutegekommen, dass ich schon im Labor gearbeitet habe und man da sehr organisiert sein muss“, sagt Fremuth. Schon die Zwillinge seien eine Herausforderung gewesen, „aber die wichtigste Entscheidung war, die Zwillinge nach Jakobs Geburt über Mittag im Kindergarten zu lassen“. Drei Kinder erziehe man eben nicht allein. Sie sei von Anfang an in jede Schnullergruppe gegangen, die es in ihrer Umgebung gab. Hat geschaut, dass es für sie und die Kinder ein gutes soziales Netz gibt. „Dann kann auch mal jemand die Kinder mitnehmen, oder wir nehmen jemanden mit.“Die eigene Familie sei freilich eine wichtige Stütze. „Ich weiß nicht, was man macht, wenn man keine Großeltern hat.“
Im Gegenzug müsse man dafür aber auch bereit sein, den Helfern Freiheiten zu geben. „Wenn die Uroma die Kinder mit Schokolade vollstopft, dann ist das halt ihr Programm. Ich habe die Kinder auch immer abgegeben und nicht mehr angerufen“, sagt sie. Sie findet es gut, wenn die Kinder verschiedene Welten kennenlernen. Helikoptermutter könne man mit drei Kindern sowieso nicht mehr sein. Ihr Mann Jörg nickt zustimmend.
Die Fremuth-Stadlers wohnen in einer schönen, großen Wohnung. Ein Glücksgriff, wie sie wissen. Als sich Jakob ankündigte, zogen die Nachbarn unten aus – und sie konnten die Wohnungen zusammenlegen. „Ich weiß nicht, ob wir sonst heute noch hier wären“, sagt Jörg Stadler. Eine fünfköpfige Familie braucht Platz – und der ist teuer in Wien. Auch ein Standard-Auto reicht für drei (kleine) Kinder nicht mehr. „In die Mitte passt ja meistens kein Kindersitz.“Die Fremuth-Stadlers haben sich schon zur Geburt der Zwillinge einen Familienbus zugelegt. Den Urlaub haben sie zuletzt auf einem Roadtrip mit dem Zug verbracht. „Für mich war das immer ein Horrorgedanke: im Flugzeug mit drei kleinen Kindern. Mir ist das nie in den Sinn gekommen“, sagt Fremuth.
Finanziell machen sich drei Kinder freilich bemerkbar. Auch wenn es sich die Familie leisten kann. „Eintritt für fünf zu zahlen, das geht einfach ins Geld“, sagt Stadler, der Steuerberater ist. Auch Restaurantbesuche werden schnell dreistellig. Kleidung und Spielzeug wird zwar weitergegeben, aber bei zwei Mädchen und einem Buben passe eben nicht alles. „Außerdem hat Jakob schon die gleiche Schuhgröße wie die Zwillinge“, fügt seine Mutter hinzu. Nicht immer alles zu fünft. Auch gruppendynamisch ändert sich mit drei Kindern viel, sagt Stadler. „Ich erinnere mich an Zeiten, in denen wir Wochentage getrennt verbracht haben, einfach weil die Rhythmen unterschiedlich waren und es so besser funktioniert hat.“Und seine Frau sagt: „Es wird leichter, wenn man nicht den Anspruch hat, immer alles zu fünft zu unternehmen. Es kann ruhig auch einmal ein Teil der Familie sein, um den Bedürfnissen von allen gerecht zu werden.“Und das heißt auch, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Für Madeleine Fremuth ist die Musik ein wichtiger Ausgleich. Sie musiziert, schreibt ihre eigenen Songs im Genre Rap und Hip-Hop unter dem Namen Dr.MadLane – und hat es zuletzt beim Protestsongcontest unter die besten 25 geschafft, wie die beiden Töchter stolz erzählen.
Derzeit nimmt sie im Studio ein Album auf. Dabei hat Fremuth etwas ganz anderes studiert. Sie ist Biologin, hat eine Zeit lang als Lehrerin gearbeitet und sich danach als Texterin selbstständig gemacht. Das komme ihr jetzt auch zugute. „Ich will auch bei den Kindern sein“, sagt sie. Ihre Freundinnen, die bei vielen Kindern auf Karriere setzen, müssten auch mehr in die Fremdbetreuung investieren. Für die Kinder selbst seien die Geschwister jedenfalls ein Geschenk, sind Fremuth und Stadler überzeugt. Auch, weil sie lernen, aufeinander Rücksicht zu nehmen, zu teilen.
Helikoptereltern kann man mit drei und mehr Kindern nicht mehr sein.
Drei Töchter und ein Blog. Wenn auch die Beziehung zu Geschwistern nicht immer unkompliziert ist – und mehr Kinder auch weniger Aufmerksamkeit von den Eltern für jeden bedeuten. Wie bei Judith List. Das Leben mit drei Töchtern teilt List auf ihrem viel gelesenen Blog Stadtmama.at. Dort schreibt sie über das Abstillen, MeningokokkenImpfungen, über das Pausenbrot und Ingwer-Shots; nur Erziehungstipps will sie dort keine geben, lieber davon erzählen, was eben bei ihrer Familie funktioniere. Die älteste Tochter von List ist sieben Jahre alt. Als ihre Schwester kam, setzte bei ihr die Entthronungsphase ein, wie die Mutter erzählt, und als das dritte Kind kam, traf das die mittlere Tochter mehr, schweißte die beiden älteren aber fester zusammen. „Ich habe viel Aufmerksamkeit für die Jüngste gebraucht. Sie mussten sich mehr mit sich selbst beschäftigen.“
In dieser Dreierkonstellation konnte List aber auch beobachten, wie die Älteren die Jüngste relativ schnell in ihre Clique aufnahmen. Auch bei List waren die drei nicht ganz geplant. Sie habe lang geglaubt, dass sie zwei Kinder will. „Bei uns war es ein Bauchgefühl“, sagt die 36-Jährige rückblickend. „Wir haben uns überlegt, ob wir vollständig sind.“Waren sie nicht. Über ihren Blog und über soziale Medien steht List in Kontakt mit vielen (Jung-)