Die Oscars: Favoriten, Sieger und Verlierer
Welche Filme und Schauspieler sind 2019 die heißesten Kandidaten für die Academy Awards, welche hätten sie am meisten verdient, welche wurden besonders unverdient übergangen? Ein Überblick vor der wichtigsten Filmnacht des Jahres.
Die politischen Debatten rund um die Oscars (Stichwort MeToo) wurden in diesem Jahr von logistischen abgelöst. Nach dem Rücktritt Kevin Harts fanden sich keine Moderationsnachfolger – und die Ankündigung der Showproduzenten, einzelne Preise in den Werbepausen zu verleihen, stieß auf erfolgreichen Widerstand. Am Ende blieb (fast) alles beim Alten. Und wie immer fragt man sich vor allem, wer heute Nacht gewinnen wird. Um den Hauptpreis rittern die Dramödie „Green Book“, das Erinnerungsepos „Roma“, der Kostümfilm „The Favourite“, das Freddy-Mercury-Biopic „Bohemian Rhapsody“, die Undercover-Story „BlacKkKlansman“, die Polit-Satire „Vice“, der Superheldenblockbuster „Black Panther“sowie auch Lady Gagas Musik-Romanze „A Star Is Born“. Wird gewinnen. Kaum jemand wäre unglücklich, wenn Cuarons´ Meisterwerk „Roma“triumphierte – am wenigsten Netflix, die schon lange höhere OscarWeihen erstreben. Sollte der große Konkurrent „Green Book“siegen, ist Unmut garantiert: Zu altmodisch! Trotz Titel nur ein Underdog: „The Favourite“. Sollte gewinnen. Die Spitzenreiter („Roma“und „The Favourite“, je zehn Nominierungen) sind beides Gustostücke gehobener Filmkunst, die Lorbeeren verdient hätten. Verwegener wäre allerdings die Auszeichnung eines der Pop-Kino-Anwärter, etwa „Black Panther“oder „A Star Is Born“. Übergangen. Als Barry Jenkins’ zärtliches Indie-Drama „Moonlight“trotz Verleihungsverwirrung den Top-Oscar des Jahres 2017 davontrug, waren nicht nur die Moderatoren baff. Sein jüngstes Werk „If Beale Street Could Talk“ist ebenso sehenswert – schaffte es aber nicht in die Königskategorie. Zur Wahl stehen Spike Lee für „BlacKkKlansman“, Paweł Pawlikowski für „Cold War“, Yorgos Lanthimos für „The Favourite“, Alfonso Cuaron´ für „Roma“und Adam McKay für seine Dick-Cheney-Biografie „Vice“. Wird gewinnen. Dass Alfonso Cuarons´ Orchestrierung seines bildgewaltigen MexikoPanoramas „Roma“, bei dem Lupita Nyong’o und Letitia Wright als Kriegerinnen in „Black Panther“. er auch Kamera und Schnitt (mit-)verantwortete, nicht prämiert wird, scheint ausgeschlossen – obwohl der 57-Jährige schon 2013 eine Regie-Trophäe für sein Weltraumspektakel „Gravity“kassierte. Sollte gewinnen. Frauen sind heuer zwar nicht unter den Regie-Nominierten, aber ansonsten geht es recht divers zu: Sowohl der Pole Pawel Pawlikowski als auch der Grieche Yorgos Lanthimos sind würdige Kandidaten. Wirklich überfällig wäre aber ein Oscar für die New-Black-Cinema-Legende Spike Lee. Übergangen. Paul Schrader kennt man vornehmlich als Drehbuchautor von „Taxi Driver“, dabei hat er über 20 Filme gedreht. Seine Priester-Passion „First Reformed“erhielt zwar eine Drehbuch-Nominierung, doch wahre Transzendenz erreicht das Alterswerk nur dank seiner kunstvollen Regie. Im Rennen sind Christian Bale („Vice“), Bradley Cooper („A Star Is Born“), Willem Dafoe („At Eternity’s Gate“), Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) und Viggo Mortensen („Green Book“). Wird gewinnen. Für „Bohemian Rhapsody“verwandelte sich Rami Malek in Freddie Mercury – und gilt nun als Favorit. Es wäre ein Oscar für falsche Zähne, spötteln manche – doch Maleks Performance hebt sich schon aufgrund ihres Camp-Charakters vom üblichen Hollywood-Mummenschanz ab.
Bester Film Bester Regisseur Hauptdarsteller
Sollte gewinnen. Willem Dafoes Darstellung eines hypersensiblen Vincent van Gogh in „At Eternity’s Gate“berührt – dennoch bleibt der Charakterkopf wie schon seit Ewigkeiten ein Außenseiter. Auch Viggo Mortensen werden kaum Chancen zugerechnet, dabei gründet der Humor von „Green Book“fast nur auf ihm. Übergangen. Denzel Washingtons Sohn John David punktete in „BlacKkKlansman“mit Chuzpe und Afro-Charisma: Eine schlagartige Starwerdung. Unter den Veteranen beeindruckte Ethan Hawke, der in „First Reformed“einen Pastor in der Glaubenskrise gibt – wohl zu trist und nuanciert für Oscar-Glanz. Nominiert sind Glenn Close („The Wife“), Yalitza Aparicio („Roma“), Olivia Colman („The Favourite“), Melissa McCarthy („Can You Ever Forgive Me?“) und Lady Gaga („A Star Is Born“). Wird gewinnen. Nach sechs erfolglosen Nominierungen finden viele, dass es an der Zeit ist, Glenn Close mit einem Goldbuben zu ehren. Einst wurde ihre Rolle in „Fatal Attraction“als frauenfeindlich kritisiert – in „The Wife“befreit sie sich nun wirkungsvoll aus dem Schatten ihres Filmgatten. Sollte gewinnen. Bei den Golden Globes ging Olivia Colman als Preisträgerin hervor: In „The Favourite“glänzt sie als Queen Anne zwischen Manie und Melancholie. Melissa McCarthy und Lady Gaga wagten sich gewinnbringend ins dramatische Fach – doch voraussichtlich bleiben sie nur Siegerinnen der Herzen. Übergangen. Es ist spektakulär, wie kraftvoll Joanna Kulig in „Cold War“die Entwicklung einer Landpomeranze zur Chanson-Sängerin nachzeichnet. Doch die zwischen Liebeswahn, Depressionen und Selbstzerstörung taumelnde Figur war der Academy doch wohl zu widerborstig. Es treten an: Mahershala Ali für „Green Book“, Adam Driver für „BlacKkKlansman“, Sam Elliott für „A Star Is Born“, Richard E. Grant für „Can You Ever Forgive Me?“– und Sam Rockwell für seine George-W.-Bush-Imitation in „Vice“. Wird gewinnen. Zwei Jahre nach „Moonlight“könnte nun der nächste NebendarstellerOscar in Mahershala Alis Tasche wandern. Sein Pas de deux mit Viggo Mortensen kehrt die Stereotypen aus „Miss Daisy und ihr Chauffeur“um: Im Grunde spielt Ali in „Green Book“eine Variation jener verstockten weißen Dame, für die Jessica Tandy 1990 prämiert wurde. Sollte gewinnen. Noch lieber als Christian Bales trockenem Dick Cheney sieht man in „Vice“Sam Rockwells lockerem Bush Jr. zu. Nur leider viel zu kurz – überdies heimste der kalifornische Szenenstehler schon letztes Jahr einen Oscar ein. Sehr lustvoll agiert auch Richard E. Grant als abgestürzter schwuler Dandy in „Can You Ever Forgive Me?“ Übergangen. Der frankoamerikanische Shooting Star Timothee´ Chalamet war bereits 2017 in dieser Kategorie nominiert, ging jedoch leer aus. Nun klagen Fans, dass seine Darstellung eines äußerlich leichtfüßigen, aber innerlich schwermütigen Teenagers mit starkem Suchtproblem in „Beautiful Boy“den Preis noch viel mehr verdient hätte – aber nix da.
Hauptdarstellerin Nebendarsteller Nebendarstellerin
Gleich zwei Darstellerinnen aus dem Historiendrama „The Favourite“sind heuer nominiert: Emma Stone und Rachel Weisz. Weiters konkurrieren Amy Adams aus „Vice“, Marina de Tavira aus „Roma“und Regina King aus „If Beale Street Could Talk“. Wird gewinnen. TV-Veteranin Regina King liefert in der James-Baldwin-Verfilmung „If Beale Street Could Talk“eine eindringliche Darbietung als Mutter, die verzweifelt um das Familienglück ihrer jungen Tochter kämpft. Damit würde sie gebührende Aufmerksamkeit auf Barry Jenkins’ Zweitling lenken, der von der Academy sträflich vernachlässigt wurde. Sollte gewinnen. In „The Favourite“zoffen sich Emma Stone und Rachel Weisz um die Gunst der von Olivia Colman verkörperten Königin Anne. Auf dem Oscar-Parkett wird es wohl nicht so schroff zugehen – zudem haben beide schon eine güldene Trophäe im Regal. Auch Marina de Tavira macht in „Roma“, als einziger Profi unter tollen Laien, großen Eindruck. Übergangen. Nach der Premiere von Luca Guadagninos Horror-Remake „Suspiria“fragten sich viele: Wer ist