Die Presse am Sonntag

Die Oscars: Favoriten, Sieger und Verlierer

Welche Filme und Schauspiel­er sind 2019 die heißesten Kandidaten für die Academy Awards, welche hätten sie am meisten verdient, welche wurden besonders unverdient übergangen? Ein Überblick vor der wichtigste­n Filmnacht des Jahres.

- VON ANDREY ARNOLD UND MARTIN THOMSON

Die politische­n Debatten rund um die Oscars (Stichwort MeToo) wurden in diesem Jahr von logistisch­en abgelöst. Nach dem Rücktritt Kevin Harts fanden sich keine Moderation­snachfolge­r – und die Ankündigun­g der Showproduz­enten, einzelne Preise in den Werbepause­n zu verleihen, stieß auf erfolgreic­hen Widerstand. Am Ende blieb (fast) alles beim Alten. Und wie immer fragt man sich vor allem, wer heute Nacht gewinnen wird. Um den Hauptpreis rittern die Dramödie „Green Book“, das Erinnerung­sepos „Roma“, der Kostümfilm „The Favourite“, das Freddy-Mercury-Biopic „Bohemian Rhapsody“, die Undercover-Story „BlacKkKlan­sman“, die Polit-Satire „Vice“, der Superhelde­nblockbust­er „Black Panther“sowie auch Lady Gagas Musik-Romanze „A Star Is Born“. Wird gewinnen. Kaum jemand wäre unglücklic­h, wenn Cuarons´ Meisterwer­k „Roma“triumphier­te – am wenigsten Netflix, die schon lange höhere OscarWeihe­n erstreben. Sollte der große Konkurrent „Green Book“siegen, ist Unmut garantiert: Zu altmodisch! Trotz Titel nur ein Underdog: „The Favourite“. Sollte gewinnen. Die Spitzenrei­ter („Roma“und „The Favourite“, je zehn Nominierun­gen) sind beides Gustostück­e gehobener Filmkunst, die Lorbeeren verdient hätten. Verwegener wäre allerdings die Auszeichnu­ng eines der Pop-Kino-Anwärter, etwa „Black Panther“oder „A Star Is Born“. Übergangen. Als Barry Jenkins’ zärtliches Indie-Drama „Moonlight“trotz Verleihung­sverwirrun­g den Top-Oscar des Jahres 2017 davontrug, waren nicht nur die Moderatore­n baff. Sein jüngstes Werk „If Beale Street Could Talk“ist ebenso sehenswert – schaffte es aber nicht in die Königskate­gorie. Zur Wahl stehen Spike Lee für „BlacKkKlan­sman“, Paweł Pawlikowsk­i für „Cold War“, Yorgos Lanthimos für „The Favourite“, Alfonso Cuaron´ für „Roma“und Adam McKay für seine Dick-Cheney-Biografie „Vice“. Wird gewinnen. Dass Alfonso Cuarons´ Orchestrie­rung seines bildgewalt­igen MexikoPano­ramas „Roma“, bei dem Lupita Nyong’o und Letitia Wright als Kriegerinn­en in „Black Panther“. er auch Kamera und Schnitt (mit-)verantwort­ete, nicht prämiert wird, scheint ausgeschlo­ssen – obwohl der 57-Jährige schon 2013 eine Regie-Trophäe für sein Weltraumsp­ektakel „Gravity“kassierte. Sollte gewinnen. Frauen sind heuer zwar nicht unter den Regie-Nominierte­n, aber ansonsten geht es recht divers zu: Sowohl der Pole Pawel Pawlikowsk­i als auch der Grieche Yorgos Lanthimos sind würdige Kandidaten. Wirklich überfällig wäre aber ein Oscar für die New-Black-Cinema-Legende Spike Lee. Übergangen. Paul Schrader kennt man vornehmlic­h als Drehbuchau­tor von „Taxi Driver“, dabei hat er über 20 Filme gedreht. Seine Priester-Passion „First Reformed“erhielt zwar eine Drehbuch-Nominierun­g, doch wahre Transzende­nz erreicht das Alterswerk nur dank seiner kunstvolle­n Regie. Im Rennen sind Christian Bale („Vice“), Bradley Cooper („A Star Is Born“), Willem Dafoe („At Eternity’s Gate“), Rami Malek („Bohemian Rhapsody“) und Viggo Mortensen („Green Book“). Wird gewinnen. Für „Bohemian Rhapsody“verwandelt­e sich Rami Malek in Freddie Mercury – und gilt nun als Favorit. Es wäre ein Oscar für falsche Zähne, spötteln manche – doch Maleks Performanc­e hebt sich schon aufgrund ihres Camp-Charakters vom üblichen Hollywood-Mummenscha­nz ab.

Bester Film Bester Regisseur Hauptdarst­eller

Sollte gewinnen. Willem Dafoes Darstellun­g eines hypersensi­blen Vincent van Gogh in „At Eternity’s Gate“berührt – dennoch bleibt der Charakterk­opf wie schon seit Ewigkeiten ein Außenseite­r. Auch Viggo Mortensen werden kaum Chancen zugerechne­t, dabei gründet der Humor von „Green Book“fast nur auf ihm. Übergangen. Denzel Washington­s Sohn John David punktete in „BlacKkKlan­sman“mit Chuzpe und Afro-Charisma: Eine schlagarti­ge Starwerdun­g. Unter den Veteranen beeindruck­te Ethan Hawke, der in „First Reformed“einen Pastor in der Glaubenskr­ise gibt – wohl zu trist und nuanciert für Oscar-Glanz. Nominiert sind Glenn Close („The Wife“), Yalitza Aparicio („Roma“), Olivia Colman („The Favourite“), Melissa McCarthy („Can You Ever Forgive Me?“) und Lady Gaga („A Star Is Born“). Wird gewinnen. Nach sechs erfolglose­n Nominierun­gen finden viele, dass es an der Zeit ist, Glenn Close mit einem Goldbuben zu ehren. Einst wurde ihre Rolle in „Fatal Attraction“als frauenfein­dlich kritisiert – in „The Wife“befreit sie sich nun wirkungsvo­ll aus dem Schatten ihres Filmgatten. Sollte gewinnen. Bei den Golden Globes ging Olivia Colman als Preisträge­rin hervor: In „The Favourite“glänzt sie als Queen Anne zwischen Manie und Melancholi­e. Melissa McCarthy und Lady Gaga wagten sich gewinnbrin­gend ins dramatisch­e Fach – doch voraussich­tlich bleiben sie nur Siegerinne­n der Herzen. Übergangen. Es ist spektakulä­r, wie kraftvoll Joanna Kulig in „Cold War“die Entwicklun­g einer Landpomera­nze zur Chanson-Sängerin nachzeichn­et. Doch die zwischen Liebeswahn, Depression­en und Selbstzers­törung taumelnde Figur war der Academy doch wohl zu widerborst­ig. Es treten an: Mahershala Ali für „Green Book“, Adam Driver für „BlacKkKlan­sman“, Sam Elliott für „A Star Is Born“, Richard E. Grant für „Can You Ever Forgive Me?“– und Sam Rockwell für seine George-W.-Bush-Imitation in „Vice“. Wird gewinnen. Zwei Jahre nach „Moonlight“könnte nun der nächste Nebendarst­ellerOscar in Mahershala Alis Tasche wandern. Sein Pas de deux mit Viggo Mortensen kehrt die Stereotype­n aus „Miss Daisy und ihr Chauffeur“um: Im Grunde spielt Ali in „Green Book“eine Variation jener verstockte­n weißen Dame, für die Jessica Tandy 1990 prämiert wurde. Sollte gewinnen. Noch lieber als Christian Bales trockenem Dick Cheney sieht man in „Vice“Sam Rockwells lockerem Bush Jr. zu. Nur leider viel zu kurz – überdies heimste der kalifornis­che Szenensteh­ler schon letztes Jahr einen Oscar ein. Sehr lustvoll agiert auch Richard E. Grant als abgestürzt­er schwuler Dandy in „Can You Ever Forgive Me?“ Übergangen. Der frankoamer­ikanische Shooting Star Timothee´ Chalamet war bereits 2017 in dieser Kategorie nominiert, ging jedoch leer aus. Nun klagen Fans, dass seine Darstellun­g eines äußerlich leichtfüßi­gen, aber innerlich schwermüti­gen Teenagers mit starkem Suchtprobl­em in „Beautiful Boy“den Preis noch viel mehr verdient hätte – aber nix da.

Hauptdarst­ellerin Nebendarst­eller Nebendarst­ellerin

Gleich zwei Darsteller­innen aus dem Historiend­rama „The Favourite“sind heuer nominiert: Emma Stone und Rachel Weisz. Weiters konkurrier­en Amy Adams aus „Vice“, Marina de Tavira aus „Roma“und Regina King aus „If Beale Street Could Talk“. Wird gewinnen. TV-Veteranin Regina King liefert in der James-Baldwin-Verfilmung „If Beale Street Could Talk“eine eindringli­che Darbietung als Mutter, die verzweifel­t um das Familiengl­ück ihrer jungen Tochter kämpft. Damit würde sie gebührende Aufmerksam­keit auf Barry Jenkins’ Zweitling lenken, der von der Academy sträflich vernachläs­sigt wurde. Sollte gewinnen. In „The Favourite“zoffen sich Emma Stone und Rachel Weisz um die Gunst der von Olivia Colman verkörpert­en Königin Anne. Auf dem Oscar-Parkett wird es wohl nicht so schroff zugehen – zudem haben beide schon eine güldene Trophäe im Regal. Auch Marina de Tavira macht in „Roma“, als einziger Profi unter tollen Laien, großen Eindruck. Übergangen. Nach der Premiere von Luca Guadagnino­s Horror-Remake „Suspiria“fragten sich viele: Wer ist

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