Schöne Adrienne für die Hörspielstars
Bei seiner jährlichen Gala feierte der orF-Sender Ö1 am Freitag seine wohl subtilste kunst. Ausgezeichnet wurden Felix mitterer, mariola Brillowska, philipp Scheiblbrandner, magdalena Hahnkamper und Sylvie rohrer.
Recht viel von der Melancholie des Abschieds lag am Freitagabend über der Hörspielgala von Ö1, die im Großen Sendesaal des Funkhauses zelebriert wurde. Bald nach Beginn der dreistündigen, im Radio und auch online samt visueller Garnierung übertragenen Veranstaltung gedachte man eines Großen dieser Sparte: Man hörte in einer Einspielung noch einmal die sonore Stimme des im Vorjahr mit 76 Jahren verstorbenen Regisseurs Götz Fritsch, der eine Liebeserklärung an das Hörspiel abgab. Er brannte auch für das Thea- ter. Hier aber verriet er einen Unterschied zur nur oberflächlich als kleiner einzuschätzenden Radiokunst: Hörspiele müssten immer gut sein, denn sonst würden die Hörer ganz einfach abdrehen. Das war bei ihm eigentlich nie der Fall, und auch nicht bei den aktuell ausgezeichneten Produktionen, die zumindest populär sind, oder auch der kritischen Betrachtung von Fachjurys standgehalten haben.
Fast schon Abschied nahm ein Radiomann, der das Hörspiel ebenfalls geprägt hat: Peter Klein, der im Sommer als Programmchef von Ö1 in den Ruhestand treten wird, hielt eine Rede, die von frühen Jahren als Journalist in Vorarlberg bis ins Herz der Radiowelt in der Argentinierstraße führte. Er habe immer in die Politik gewollt: „Ich streb- te nach Relevanz!“Aber nach längerem Zwischenspiel im Aktuellen sei er wieder in die Kultur zurückgekehrt. Beherzt versuchte er Trennlinien aufzuheben. Fazit: Langsamkeit und endlose Debatten in der Kultur scheinen für Klein substanziell politischer als der Ereigniskult um harte Politik zu sein.
Wer aber hat bei Ö1 diesmal die „Schönen Adriennen“gewonnen – gewichtige Statuen, die an ein Lied von Hermann Leopoldi erinnern? In der Kategorie Publikumswahl siegte „Märzengrund“des Tiroler Dramatikers Felix Mitterer, inszeniert von Martin Sai- ler, nach der wahren Geschichte eines Aussteigers, der sich für vier Jahrzehnte in ein einsames Hochtal zurückzog und erst kurz vor seinem Tod wieder von dort herunterkam. Oberflächlich gesehen ist das Hörspiel (eine Produktion des Landesstudios Tirol, das auch an Originalschauplätzen im Zillertal aufgenommen wurde) simpel gestrickt. Der gemäßigte Unterländer Dialekt der Laienschauspieler wirkt volkstümlich im besten Sinn, aber doch auch im Sinne des Programmdirektors politisch: Bei Mitterer schwingt stets eine gehörige Portion Gesellschaftskritik mit.
Den Kritikerpreis erhielt Mariola Brillowska für „Die Kochastronautin“. Inhalt: Als erste Sternen-Köchin wird eine Polin auf die ISS gesandt. Sie will auf der Raumstation so gut kochen, „dass die Russen vom Dosenfisch wegkommen“. (Das Hörspiel wird am 24. 2. von Ö1 um 23 Uhr wiederholt.) „Da ist jemand“war heuer das Motto für den Wettbewerb Track 5’. Die Schule für Dichtung und Ö1 hatten das beste Werk mit maximal fünf Minuten gesucht. Philipp Scheiblbrandner gewann mit „Maxl, da ist jemand!“(Das Kurzhörspiel wird am 2. 3. um 14 Uhr gesendet.) Einen Sonderpreis erhielt Magdalena „Fräulein“Hahnkamper für „Feminismus im Dunkeln“. Elegie für Hertha kräftner. Regisseure und Regisseurinnen wählten den Burgtheater-Star Sylvie Rohrer zur Schauspielerin des Jahres: Sie beeindruckte mit „Weil immer das Meer vor der Liebe ist. Elegie für und nach Hertha Kräftner“. Der Schweizer Autor Jürg Amann hat einen „Monolog der letzten Stunde“dieser großen österreichischen Dichterin der Nachkriegszeit erstellt. Regie führte Stefan Weber. Hermann Beil, langjähriger Weggefährte von Ex-Burgchef Claus Peymann, hielt eine berührende Laudatio auf Rohrer. Noch mehr Grund für Melancholie: Peymann musste soeben die Regie für Ionescos „Die Stühle“, seine letzte unter der scheidenden Burgtheater-Chefin Karin Bergmann, aus Krankheitsgründen abgeben. Und Rohrer spielt demnächst in Hauptmanns „Die Ratten“, der letzten Arbeit von Regisseurin Andrea Breth in der Ära Bergmann.