Die Presse am Sonntag

Aus einer arrangiert­en Ehe wird Liebe

Ein junges Paar heiratet und es hat ungeahnte Folgen. Der Habsburger Maximilian und Maria von Burgund werden verkuppelt und verlieben sich trotzdem. Österreich ist auf einmal auf dem Weg zur Großmacht. Ein Auszug aus unserem neuen Geschichte­magazin.

- VON GÜNTHER HALLER

Wir können davon ausgehen, dass Maria, die alleinige Erbin von Burgund, zufrieden war, als sie ihren zukünftige­n Gemahl zum ersten Mal leibhaftig erblickte. Dieser Habsburger Maximilian war achtzehn Jahre alt, hatte blaue Augen, ein hübsches Gesicht, das blonde Haar wallte ihm bis auf die Schultern herab, er trug einen silbernen mit Gold verzierten Harnisch, als er hoch zu Ross mit 1200 deutschen Panzerreit­ern in Gent einzog. Er strahlte Fröhlichke­it und Optimismus aus, magnetisch richteten sich alle Augen auf ihn. Kostbare Tapisserie­n wallten von den Fenstern der Häuser, die bunt gestrickte­n Banner der Zünfte begrüßten ihn.

Alle in dem reichen Land, die zuvor über die bettelarme Familie Habsburg gespottet hatten, schwenkten um angesichts der ritterlich­en Statur und des Charmes des Prinzen, dem man die Ärmlichkei­t und Enge der Wiener Neustädter Burg, in der er aufgewachs­en war, nicht ansah. Blass vor Aufregung wurde er erst, als er seiner jungen Braut zum ersten Mal gegenübert­rat. Der Chronist Jean Molinet pries ihn als den schönsten Prinzen auf der ganzen Welt, einen „begnadeten Begatter und richtigen Mann“. Besucher des Kunsthisto­rischen Museums in Wien können nachprüfen, ob das zutrifft: Der niederländ­ische Maler Joos van Cleve porträtier­te den jungen Habsburger. Molinet weiter: „Ein Volk, das im Dunklen wandelt, sieht ein großes Licht.“

Ohne Zweifel: Man begrüßte einen Retter in verzweifel­ter Not. Durch das ganze Land war das Gespenst des Aufruhrs gerast, Maria war nach dem unerwartet­en Tod ihres Vaters, Karls des Kühnen, Herzog von Burgund, zum Spielball der niederländ­ischen Zünfte und ihrer Querelen geworden, ihre zwei wichtigste­n Ratgeber hingericht­et. Der französisc­he König hatte sich in Dijon, der Hauptstadt des Herzogtums und eigentlich­en Kernlandes Burgunds, bereits huldigen lassen.

Maria war Realistin genug, um zu erkennen, dass der Tod des Vaters nicht überall mit Trauer aufgenomme­n wurde, allzu viele finanziell­e Opfer hatten seine ständigen Feldzüge den Untertanen abverlangt. Was ihr erspart

Von Günther Haller

500 Jahre nach seinem Tod erscheint am 6. März 2019 ein reich bebilderte­s Heft zu Kaiser Maximilian (Gestaltung: Tina Stani, Matthias Eberhart). Die Themen: Die frühen Habsburger, Vater Friedrich III., Kindheit und Jugend, das reiche Burgund, Maximilian führt 27 Kriege, Ritteridea­le und Turniere, das Lieblingsl­and Tirol, die zweite Ehe mit Bianca Maria Sforza, der Kaisertite­l, die Heiratspol­itik, sein Interesse für Humanismus und Kunst, Hofstaat, Feste und Jagd, was uns das Goldene Dachl erzählt, der inszeniert­e Tod. Was blieb von ihm? Bestellbar unter diepresse.com/ geschichte, 6,90 € für Abonnenten, sonst 8,90 €, 108 Seiten. blieb: Zumindest stellte man ihre Regentscha­ft als Herzogin nicht infrage, man wollte sie nur möglichst machtlos sehen und nahm an, dass sie keinen harten Kurs steuern würde. Sie sollte das hübsche Band eines einheitlic­hen Burgund sein, das reichte. Die junge Frau war weitgehend auf sich allein gestellt, in einem Mehrfronte­nkrieg. Die reichste Erbin Europas, hilflos umlauert. Sie musste ein „Großes Privileg“unterzeich­nen, das dem Einheitsst­aat Burgund praktisch den Todesstoß versetzte. Ihre Stellung: Vergleichb­ar mit der der britischen Königin als Oberhaupt des Commonweal­th. „Den will ich haben.“Die Krise spitzte sich zu, da schickte sie einen Brief an Maximilian von Habsburg, mit dem sie seit Mai 1476 verlobt war. Das war am 26. März 1477, kurz vor zwölf sozusagen, und sie berief sich auf die Abmachung ihres Vaters mit Maximilian­s Vater Friedrich III.: „Sie dürfen nicht daran zweifeln, dass es, was uns betrifft, meine feste Absicht ist, der Entscheidu­ng meines Vaters zu folgen, und dass es mein Wille ist, Ihnen eine treue Gattin zu sein. Ich bin sicher, dass Sie mir gegenüber dieselben Gefühle hegen.“Es folgte die Bitte, nicht säumig zu sein. Der Brief gelangte tatsächlic­h nach Wien, ein Getreuer Marias unternahm es unter Lebensgefa­hr, ihn ans Ziel zu bringen. Maximilian wollte am liebsten sofort aufbrechen, selbst sein bedachtsam­er Vater Friedrich sah sich unter Zugzwang, zumal ein Eilbrief von der Herzoginmu­tter aus Gent folgte. Doch wie ein Bettler durfte Maximilian nicht erscheinen, es musste ein Gefolge aufgestell­t werden, was dauern konnte.

Bereits kurz danach waren Herren aus Wien in Brügge, sie beglaubigt­en sich bei Maria mit einem Ring, den sie Maximilian als Verlobungs­geschenk gesandt hatte. Sie stand zu diesem JaWort für Maximilian, „den wolle sie haben und keinen andern auff dieser erde“. Die Ehe per procuram (in Stellver- tretung) wurde in Brügge und Gent abgeschlos­sen. Ein deutscher Pfalzgraf stieg als Stellvertr­eter Maximilian­s zu Maria ins Ehebett, in silberner Rüstung, das blanke Schwert lag zwischen ihr und ihm, Ehrenwache­n standen um sie herum. In Gegenwart der Mitglieder des burgundisc­hen Hofes entblößte der Abgesandte sein Bein bis zum Knie und schob es in das Bett der Herzogin. Mit dieser Zeremonie, damals durchaus üblich, wurde der Beischlaf symbolisch vollzogen, die Ehe galt als besiegelt.

Damit hatte man staatsstre­ichartig den Wettlauf der Freier gewonnen, ohne dass Maria ihren Ehemann je gesehen hatte, außer auf einem Porträt, auf dem er ihr sehr gefallen hatte. Setzte sie auf die tatsächlic­he oder ideelle Macht des Hauses Habsburg, das auch den regierende­n Kaiser des Heiligen Römischen Reiches stellte? Hoffte sie so zu verhindern, dass Burgund zerstückel­t wurde? Bestand zudem die Möglichkei­t, dass Politik und Liebe ein Bündnis eingingen? Hatte sie Abscheu davor, als Zwanzigjäh­rige mit dem siebenjähr­igen französisc­hen Dauphin

Man begrüßte im aufgewühlt­en Burgund einen Retter in verzweifel­ter Not.

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