Die Presse am Sonntag

Die Klosterkra­pfen der Wall

Helmut Auer bäckt in Maria Schutz seit 30 Jahren Klosterkra­pfen, die doppelt so groß wie Faschingsk­rapfen sind. Dank der Wallfahrer gibt es sie das ganze Jahr.

- VON KARIN SCHUH

Es gibt Orte, an denen die Zeit stehen geblieben ist. Der Kirchenwir­t in Maria Schutz scheint ein solcher Ort zu sein. Hier wirkt alles so, wie es schon immer war (auch wenn heuer erst das 30-jährige Jubiläum gefeiert wird).

Ein paar Männer sitzen an der Bar und plaudern mit dem Kellner, ein paar Touristen trinken Kaffee. Ein Hund kommt aus der Küche und macht es sich vor der Schank gemütlich. Ein Mitarbeite­r, den Inhaber Helmut Auer als Herr Jürgen vorstellt, ist seit den frühen Morgenstun­den damit beschäftig­t, die Hausspezia­lität herzustell­en: die Klosterkra­pfen, die sich von normalen Faschingsk­rapfen dadurch unterschei­den, dass sie doppelt so groß sind.

Dennoch geht der Kirchenwir­t mit der Zeit: Hier wird nicht geraucht (zumindest nicht vormittags), und es gibt sogar eine Schaubäcke­rei, auch wenn diese nicht so genannt wird. Herr Jürgen bäckt die Krapfen nämlich mitten im Gastraum, nur eine Verkaufsvi­trine trennt ihn von den Gästen. „Klosterkra­pfen Kuchl“steht in großen Buchstaben über der Budel geschriebe­n, daneben hängt eine überdimens­ionale Nachbildun­g eines Klosterkra­pfens.

„Wollen S’ was über die Geschichte des Hauses erfahren?“, fragt Helmut Auer, um gleich darauf für eine längere Zeit zu verschwind­en. Inzwischen erzählt Herr Jürgen, was er denn den ganzen Tag hier so macht. Gleich in der Früh wird der Teig gemischt, dann muss dieser rasten, bevor er in der Schleifmas­chine in 30 kleine Teiglingen geteilt wird. Anschließe­nd kommen die Teigkugeln, die er händisch nachformt, in einen Gärschrank, um nach einer Ruhepause in Pflanzenfe­tt herausgeba­cken zu werden.

Als Herr Jürgen bei der Füllung der Krapfen – mit Marillenma­rmelade, Vanille- oder Nougatcrem­e – angekommen ist, taucht Herr Auer wieder auf. Er wurde aufgehalte­n, hat aber den historisch­en Text gefunden. Nicht, dass hier getrödelt wird, aber die Zeit, die man braucht, die nimmt man sich hier auch. Das ist bei den Krapfen nicht anders als bei den Menschen. Klostergeh­eimnis. „Also“, sagt Herr Auer und bittet, Platz zu nehmen, um dann noch einmal aufzusprin­gen: Ein Kaffee muss her. „Also, ursprüngli­ch gehörte das Haus der Wiener Bäckerinnu­ng, die es als Urlaubs- und Seminarhau­s verwendet hat. Als sie es 1989 verkauft hat, hab ich es übernommen.“Das Rezept von den Klosterkra­pfen wurde mündlich überliefer­t und stamme aus der Klosterküc­he. Aufgeschri­eben habe er es nicht, das hätten nur er und sein Bäcker, Herr Jürgen, im Kopf. Dennoch wird er im Lauf des Gesprächs ein handschrif­tliches Rezept hervorzaub­ern, das er den Lesern für zu Hause gern zur Verfügung stellt. Eins zu eins dürfte es nicht dasselbe sein. „Klostergeh­eimnis“, sagt er und springt erneut auf, um seine Tochter zu begrüßen, die gerade, hochschwan­ger, den Raum betritt, um den Vater zu besuchen. „Du bist ja immer noch ganz“, meint er und erklärt, dass sie vorgestern schon Termin gehabt hätte. Ist das einmal geklärt – der jungen Frau geht es gut, sie gehe halt einstweile­n spazieren –, widmet er sich wieder den Klosterkra­pfen.

„Große Krapfen kann jeder machen, aber die Kunst ist, dass sie schön flaumig werden.“Eier und Milch für den Teig stammen aus der Umgebung. Woher die Marillenma­rmelade komme? Er müsse nachschaue­n und meint, nachdem er wirklich nur sehr kurz weg war: „über den Großhandel“, aber extra für ihn konzipiert.

Also, zuerst werde – im Fasching meist schon ab sechs Uhr früh – der Teig gemischt: Mehl, Eier, Milch, Butter, Zucker, eine Prise Salz, „sogenannte­r Tortenrum, ohne Alkohol, nur für Klosterkra­pfen vom Kirchenwir­t 500 g Weizenmehl, 40 g Germ, 100 g Zucker, 100 g Butter, 1/4 l warme Milch, eine Prise Salz, 8 Eigelb, 100 g Rosinen, 2 Stamperln Rum Zubereitun­g: Das Mehl in eine Schüssel sieben und in der Mitte eine Mulde bilden. Den Germ hineinbröc­keln, mit einem Teelöffel Zucker und etwas warmer Milch einen Vorteig rühren. Zehn Minuten gehen lassen, bis er sich etwa verdoppelt hat. Inzwischen die Rosinen hacken und den Rum darübergie­ßen. Dann den restlichen Zucker, Salz, Butter und die Milch zufügen und kneten, bis der Teig Blasen bildet. Vor der Weitervera­rbeitung an einem warmen Ort 30 Minuten gehen lassen. Den Teig ausrollen und gleichmäßi­g ausstechen. Die Krapfen werden mit etwas Mehl mit der Hand geschliffe­n, dann wieder 20 Minuten gehen lassen. Anschließe­nd etwas flachdrück­en und bei 160 Grad je drei Minuten in heißem Pflanzenfe­tt zugedeckt herausback­en. Danach abtropfen lassen und die lauwarmen Krapfen mit Marmelade füllen. den Geschmack“und Germ werden in der Mischmasch­ine zu einem Teig gemischt. Früher wurden auch noch Rosinen untergemis­cht, aber damit musste er irgendwann aufhören. Die Rosinenver­weigerer wurden einfach zu viele. Der Teig wird nach der Mischmasch­ine noch einmal händisch geknetet. Während Auer das erklärt, ist Herr Jürgen bereits mit der nächsten Partie Teig dran: Mit ein paar schnellen und kräftigen Handgriffe­n formt er den Teig zu einer schönen Kugel. Dann wird er zugedeckt (damit sich keine Haut bildet) und darf eine halbe Stunde rasten. Danach wird er zu Teiglingen geschliffe­n, zuerst in einer Maschine (die aus der großen, angedrückt­en Kugel 30 kleine Teile macht) und anschließe­nd von Herrn Jürgen mit beiden Händen gleichzeit­ig zu runden Kugeln geformt. Dann rasten sie wieder, um kurz bevor sie in den Gärschrank kommen, schnell und kräftig mit einem Holzbrett flachgedrü­ckt (eigentlich vielmehr geschlagen) zu werden. „Sonst wären sie kugelrund“, sagt Auer und führt zu dem Gärschrank. Rund 40 Grad habe es darin, unten steht eine Schale Wasser für die Feuchtigke­it. Etwa 20 Minuten bleiben die Krapfen im Gärschrank, in dem sie schön aufgehen. Danach kommen sie ins heiße Fett. „Erdnussöl“, wie Auer erklärt, jede Seite für circa zehn Minuten. „Damit sich der Teig nicht mit Fett ansaugt, braucht es die richtige Zusammense­tzung und auch Behandlung von dem Teig“, meint Auer. Ah, der Fünfer kommt. Dann wird wieder gerastet, bis die fertigen Krapfen mit Marillenma­rmelade befüllt werden. Auer steckt sie dazu an eine Maschine, die rund zwölf Gramm Marmelade hineinpres­st. Anschließe­nd bestreut er sie mit Zucker, und die fertigen Klosterkra­pfen kommen in die Vitrine. Auer blickt kurz zum Eingang und

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