Trumps (großer?) China-Deal
Der Druck auf den US-Präsidenten, im Handelskrieg eine Lösung zu finden, ist enorm. Wird er gar einen halbherzigen Deal eingehen, über den sich nur noch die Sojabauern freuen?
Kürzlich im Weißen Haus: Der US-Handelsdelegierte Robert Lighthizer und sein chinesisches Gegenüber, Vizepremier Liu He, finden sich im Oval Office ein, um mit Donald Trump über die Fortschritte der Verhandlungen zu sprechen. Es geht um ein anvisiertes Memorandum of Understanding, mit dem der Handelskrieg zwischen den weltgrößten Volkswirtschaften beendet werden soll. „Ich mag diesen Ausdruck nicht“, sagt der Präsident schließlich. „Aber das ist ein echter, bindender Vertrag“, erklärt Lighthizer. „Ich bin anderer Meinung“, entgegnet Trump vor laufender Kamera.
Freilich, Lighthizer ist schon lang im Geschäft, und er weiß, was er zu sagen hat, um seinen als jähzornig verschrieenen Chef zu beruhigen: „Von nun an nennen wir das Ding niemals wieder Memorandum! Wir nennen es ein Handelsdokument!“Liu He, sonst bekannt für seine ernste Miene, kann sein Schmunzeln nicht verbergen. Trump ist jetzt glücklich. „Ja, das mag ich.“Wenn nur alle Probleme im ewigen US-chinesischen Handelsdisput so einfach zu lösen wären.
Schon George W. Bush hat mit China über Handelshemmnisse und Währungsmanipulationen gestritten, Barack Obama ebenfalls. Stets beschwerten sich die USA über die höheren Zölle Pekings, über die Tatsache, dass China ausländische Firmen zum Technologietransfer zwingt, über die künstliche Abwertung des Yuan, um den Export zu stärken, über das gigantische Handelsbilanzdefizit der USA mit China. Am Ende drückte Washington aus geopolitischen Überlegungen stets ein Auge zu. Man versuchte, Peking im Konflikt mit Nordkorea auf seine Seite zu lotsen, hoffte auf die Unterstützung Chinas im Dauerstreit mit dem Iran. Enormer Druck auf Trump. Bis Donald Trump kam und die Handelsbeziehungen mit China ganz oben auf seine Agenda setzte. Ein für alle Mal wolle er den unfairen Praktiken Pekings ein Ende bereiten, kündigte er an. Er führte Strafzölle ein, zuletzt einen zehnprozentigen Tarif auf chinesische Lieferungen im Wert von 200 Milliarden Dollar. Und siehe da, die Drohgebärden scheinen Wirkung zu zeigen. China macht Zugeständnisse. Ein Deal scheint nahe, darauf deutet die Tatsache hin, dass die USA vorläufig von einer geplanten Erhöhung der Zölle auf 25 Prozent abgesehen haben. Mitte März könnten sich Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping treffen, um ein historisches Abkommen zu unterzeichnen – einen Deal, den Trump seinen Wählern als Riesenerfolg verkaufen könnte.
Wiewohl, und das ist die Kehrseite der Medaille, diese Chance birgt aus amerikanischer Sicht auch eine große Gefahr. Der Druck auf Trump, schon bald irgendeinen Deal zu präsentieren, ist enorm. Scheitert er, droht ein Wirtschaftsabschwung und ein Börsen- crash. Das Problem: Die Präsidentschaftswahl 2020 rückt näher, und wenn die USA noch vorher in eine Rezession stürzen, kann sich Trump seine Wiederwahl möglicherweise abschminken. Vor wenigen Tagen, am Rande des Gipfels mit Nordkoreas Kim Jong-un, betonte Trump, dass er kein Problem damit hätte, auch die Verhandlungen mit China ohne Ergebnis zu beenden. Doch würde er das wirklich tun, wenn er weiß, dass es ihn eine zweite Amtszeit kosten könnte?
Mittlerweile rechnet kaum noch jemand damit, dass es zu keinem Deal kommt. China hat angeboten, seine US-Importe über einen Zeitraum von sechs Jahren um 1,2 Billionen Dollar zu erhöhen. Ein Plus von 200 Milliarden Dollar pro Jahr bedeutete mehr als eine Verdopplung vom aktuellen Niveau. Davon würden die Sojabauern im Inneren der USA profitieren, eine wichtige Wählergruppe für Trump. Es verwundert nicht, dass der Preis für Futures auf Sojabohnen zuletzt stark angestiegen ist. Peking weiß, was es tut. Mit dem Wohlstandsanstieg der 1,4 Milliarden Einwohner würde China künftig wohl sowieso mehr importieren. Das zu versprechen, ist ein einfaches Zugeständnis, das noch dazu der Kernwählerschaft Trumps dient.
Woran es sich immer noch spießt, ist der erzwungene Technologietransfer. Ausländische Firmen müssen in vielen Fällen beim Markteintritt Joint Ventures mit chinesischen Konkurrenten eingehen. Nur wenige Unternehmen sprechen das offen aus, weil sie Rachemaßnahmen Chinas befürchten. Doch die vielen anonymisierten Beschwerden zeigen, dass das Problem des erzwungenen Know-how-Abflusses die größte Sorge für US-Firmen ist, die in Asien expandieren wollen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Peking müsse „strukturellen“Änderungen zustimmen, sagte Lighthizer bei einer Anhörung im US-Kongress. Er fügte hinzu, dass es noch ein weiter Weg sei. Ärger über Technologietransfer. Es zeigt sich auch ein anderes Problem, jenes der Uneinigkeit innerhalb der Regierung Trumps. Lighthizer zählt zur Fraktion der Hardliner, für die kein Deal besser als ein halbherziger ist. Finanzminister Steven Mnuchin plädiert für eine Lösung, wie immer diese aussehen mag. Er sorgt sich um die Stabilität der Finanzmärkte. Man arbeite an einem 150 Seiten langen „Agreement“– nennen Sie es bloß nicht „Memorandum“–, das auch das Problem der Währungsmanipulation lösen soll. Wiewohl: Den Technologietransfer adressierte Mnuchin bisher nicht.
Am Ende wird sich zeigen, ob Trump seine eigene Regel befolgen wird, die da lautet: „No deal is better than a bad deal.“Für viele Beobachter, ob Republikaner oder Demokraten, wäre ein Deal, der den Technologietransfer ausklammert, ein „Bad Deal“.
Woran es sich noch immer spießt, ist der erzwungene Technologietransfer.