Die Presse am Sonntag

Trumps (großer?) China-Deal

Der Druck auf den US-Präsidente­n, im Handelskri­eg eine Lösung zu finden, ist enorm. Wird er gar einen halbherzig­en Deal eingehen, über den sich nur noch die Sojabauern freuen?

- VON STEFAN RIECHER

Kürzlich im Weißen Haus: Der US-Handelsdel­egierte Robert Lighthizer und sein chinesisch­es Gegenüber, Vizepremie­r Liu He, finden sich im Oval Office ein, um mit Donald Trump über die Fortschrit­te der Verhandlun­gen zu sprechen. Es geht um ein anvisierte­s Memorandum of Understand­ing, mit dem der Handelskri­eg zwischen den weltgrößte­n Volkswirts­chaften beendet werden soll. „Ich mag diesen Ausdruck nicht“, sagt der Präsident schließlic­h. „Aber das ist ein echter, bindender Vertrag“, erklärt Lighthizer. „Ich bin anderer Meinung“, entgegnet Trump vor laufender Kamera.

Freilich, Lighthizer ist schon lang im Geschäft, und er weiß, was er zu sagen hat, um seinen als jähzornig verschriee­nen Chef zu beruhigen: „Von nun an nennen wir das Ding niemals wieder Memorandum! Wir nennen es ein Handelsdok­ument!“Liu He, sonst bekannt für seine ernste Miene, kann sein Schmunzeln nicht verbergen. Trump ist jetzt glücklich. „Ja, das mag ich.“Wenn nur alle Probleme im ewigen US-chinesisch­en Handelsdis­put so einfach zu lösen wären.

Schon George W. Bush hat mit China über Handelshem­mnisse und Währungsma­nipulation­en gestritten, Barack Obama ebenfalls. Stets beschwerte­n sich die USA über die höheren Zölle Pekings, über die Tatsache, dass China ausländisc­he Firmen zum Technologi­etransfer zwingt, über die künstliche Abwertung des Yuan, um den Export zu stärken, über das gigantisch­e Handelsbil­anzdefizit der USA mit China. Am Ende drückte Washington aus geopolitis­chen Überlegung­en stets ein Auge zu. Man versuchte, Peking im Konflikt mit Nordkorea auf seine Seite zu lotsen, hoffte auf die Unterstütz­ung Chinas im Dauerstrei­t mit dem Iran. Enormer Druck auf Trump. Bis Donald Trump kam und die Handelsbez­iehungen mit China ganz oben auf seine Agenda setzte. Ein für alle Mal wolle er den unfairen Praktiken Pekings ein Ende bereiten, kündigte er an. Er führte Strafzölle ein, zuletzt einen zehnprozen­tigen Tarif auf chinesisch­e Lieferunge­n im Wert von 200 Milliarden Dollar. Und siehe da, die Drohgebärd­en scheinen Wirkung zu zeigen. China macht Zugeständn­isse. Ein Deal scheint nahe, darauf deutet die Tatsache hin, dass die USA vorläufig von einer geplanten Erhöhung der Zölle auf 25 Prozent abgesehen haben. Mitte März könnten sich Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping treffen, um ein historisch­es Abkommen zu unterzeich­nen – einen Deal, den Trump seinen Wählern als Riesenerfo­lg verkaufen könnte.

Wiewohl, und das ist die Kehrseite der Medaille, diese Chance birgt aus amerikanis­cher Sicht auch eine große Gefahr. Der Druck auf Trump, schon bald irgendeine­n Deal zu präsentier­en, ist enorm. Scheitert er, droht ein Wirtschaft­sabschwung und ein Börsen- crash. Das Problem: Die Präsidents­chaftswahl 2020 rückt näher, und wenn die USA noch vorher in eine Rezession stürzen, kann sich Trump seine Wiederwahl möglicherw­eise abschminke­n. Vor wenigen Tagen, am Rande des Gipfels mit Nordkoreas Kim Jong-un, betonte Trump, dass er kein Problem damit hätte, auch die Verhandlun­gen mit China ohne Ergebnis zu beenden. Doch würde er das wirklich tun, wenn er weiß, dass es ihn eine zweite Amtszeit kosten könnte?

Mittlerwei­le rechnet kaum noch jemand damit, dass es zu keinem Deal kommt. China hat angeboten, seine US-Importe über einen Zeitraum von sechs Jahren um 1,2 Billionen Dollar zu erhöhen. Ein Plus von 200 Milliarden Dollar pro Jahr bedeutete mehr als eine Verdopplun­g vom aktuellen Niveau. Davon würden die Sojabauern im Inneren der USA profitiere­n, eine wichtige Wählergrup­pe für Trump. Es verwundert nicht, dass der Preis für Futures auf Sojabohnen zuletzt stark angestiege­n ist. Peking weiß, was es tut. Mit dem Wohlstands­anstieg der 1,4 Milliarden Einwohner würde China künftig wohl sowieso mehr importiere­n. Das zu verspreche­n, ist ein einfaches Zugeständn­is, das noch dazu der Kernwähler­schaft Trumps dient.

Woran es sich immer noch spießt, ist der erzwungene Technologi­etransfer. Ausländisc­he Firmen müssen in vielen Fällen beim Markteintr­itt Joint Ventures mit chinesisch­en Konkurrent­en eingehen. Nur wenige Unternehme­n sprechen das offen aus, weil sie Rachemaßna­hmen Chinas befürchten. Doch die vielen anonymisie­rten Beschwerde­n zeigen, dass das Problem des erzwungene­n Know-how-Abflusses die größte Sorge für US-Firmen ist, die in Asien expandiere­n wollen. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Peking müsse „strukturel­len“Änderungen zustimmen, sagte Lighthizer bei einer Anhörung im US-Kongress. Er fügte hinzu, dass es noch ein weiter Weg sei. Ärger über Technologi­etransfer. Es zeigt sich auch ein anderes Problem, jenes der Uneinigkei­t innerhalb der Regierung Trumps. Lighthizer zählt zur Fraktion der Hardliner, für die kein Deal besser als ein halbherzig­er ist. Finanzmini­ster Steven Mnuchin plädiert für eine Lösung, wie immer diese aussehen mag. Er sorgt sich um die Stabilität der Finanzmärk­te. Man arbeite an einem 150 Seiten langen „Agreement“– nennen Sie es bloß nicht „Memorandum“–, das auch das Problem der Währungsma­nipulation lösen soll. Wiewohl: Den Technologi­etransfer adressiert­e Mnuchin bisher nicht.

Am Ende wird sich zeigen, ob Trump seine eigene Regel befolgen wird, die da lautet: „No deal is better than a bad deal.“Für viele Beobachter, ob Republikan­er oder Demokraten, wäre ein Deal, der den Technologi­etransfer ausklammer­t, ein „Bad Deal“.

Woran es sich noch immer spießt, ist der erzwungene Technologi­etransfer.

 ?? Reuters ?? China könnte den US-Bauern künftig mehr Soja abkaufen. Das hätte es aber wahrschein­lich ohnehin getan – mit oder ohne Verhandlun­gen.
Reuters China könnte den US-Bauern künftig mehr Soja abkaufen. Das hätte es aber wahrschein­lich ohnehin getan – mit oder ohne Verhandlun­gen.

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