»Mama feiert ihren Eintritt in die Politik«
Es brauchte einen Weltkrieg, um in Österreich ein neues Verhältnis zwischen Staat und Frauen einzuleiten. 1919 durften Frauen erstmals wählen. Nicht die jahrzehntelange Agitation war ausschlaggebend, sondern die Bewährung der Frauen im Krieg.
Damenwahl!“, singt der Herrenchor im ersten Akt von Franz Lehars´ „Lustiger Witwe“. Die reiche Titelheldin, Madame Glawari, soll sich einen Tanzpartner – und damit Ehemann – suchen. Einer der verschmähten Herren macht dabei eine Anspielung auf das Frauenwahlrecht: „Es kämpfen die Damen schon lange / Um das nämliche Recht mit dem Mann, / Jetzt haben Madame hier das Wahlrecht, / Und fangen damit gar nichts an!“Doch die Witwe zeigt keine kämpferischen feministischen Ambitionen: „Verhasst ist mir Politik. / Verdirbt sie beim Mann den Charakter, / So raubt sie uns Frauen den Schick!“
Lehars´ Operette wurde 1905 uraufgeführt, da war die Diskussion um das Frauenwahlrecht in Österreich schon längst ein Thema. Eigentlich seit der Revolution 1848, doch es gab immer wieder Rückschläge. Es fehlte das gesamtgesellschaftliche Verständnis. Ein Steuer- und Bildungszensus verhinderte die Reform: Frauen galten als wirtschaftlich und intellektuell nicht ebenbürtig. Wen kümmerte es, dass die Benachteiligung, begründet mit der physiologischen wie psychologischen „Schwachheit“und mangelnden Intelligenz der Frau, nicht aufrechtzuerhalten war? Sie stand in unauflöslichem Widerspruch zum Grundsatz der natürlichen Gleichheit aller Menschen, der sich seit der Aufklärung in der politischen Philosophie und dem Privatrecht Bahn gebrochen hatte. Ungeniert sprach man bei der Wahlreform 1907 von einem „allgemeinen, gleichen Wahlrecht“, obwohl die weibliche Hälfte der Bevölkerung von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen war. Kein Bündnis. Der öffentliche Protest ließ ab den 1870er-Jahren nicht auf sich warten, die Frauen wollten sich das alles nicht länger gefallen lassen. Ihr Problem war: Sie durften sich nicht in einem Verein zusammenschließen. Politische Vereine für Frauen waren verboten, der „Allgemeine österreichische Frauenverein“beispielsweise, in dem sich der radikale Teil der bürgerlichen Frauen sammelte, musste jede politische Forderung aus dem Pro-
Veranstaltungen zu 100 Jahre Frauenwahlrecht
Am 4. März 2019 erinnert sich das Parlament in einer Veranstaltung an die erste Sitzung der Konstituierenden Nationalversammlung und 100 Jahre Frauenwahlrecht. Am 5. März 2019 eröffnet die Hauptbücherei am UrbanLoritz-Platz die Ausstellung Die Suffragetten – 100 Jahre Frauenwahlrecht. Ab 8. März 2019 läuft im Museum für Volkskunde die Ausstellung Sie meinen es politisch! 100 Jahre Frauenwahlrecht. Frauen im Parlament ist eine bereits etablierte Spezialführung des Parlaments. gramm streichen. Also blieb nur die Agitation als Privatperson, mit Flugblättern, Broschüren, Artikeln in Frauenzeitschriften.
Die politische Gemengelage war verwirrend komplex und verhinderte den Fortschritt. Links kämpfte man bis 1907 darum, dass überhaupt erst einmal alle Männer wählen durften. Einer wie Karl Lueger sprach sich für das Frauenwahlrecht aus, um eine Stimmenmehrheit der Roten zu verhindern. Die Frauengruppen selbst waren zu heterogen. Was hatten Katholikinnen mit der linken politischen Kämpferin Adelheid Popp gemeinsam?
Zu einem gemeinsamen Bündnis der Frauen aller Lager, des christlichen, bürgerlich-konservativen und sozialdemokratischen, kam es lang nicht. Die Klassengegensätze waren zu groß. Die katholische Frauenbewegung hielt sich fern von ihrem emanzipationsverseuchten Gegenüber und betätigte sich karitativ. Für die linken Frauen, die rebellischer und unruhiger waren als die übrigen, war die Wahlrechtsbewegung ein Teil der Arbeiterbewegung, das heißt des Klassenkampfes. Mit dem Slogan „Gleiches Recht für Mann und Weib“zogen sie durch die Straßen. Solche Demonstrationen lehnten die bürgerlichen Frauen ab.
Zwei Jahrzehnte lang verfolgten die Frauenbewegungen einen Krieg gegeneinander, bis Europa begann, sich selbst in einem blutigen Krieg zu zerfleischen. Dann vereinigten sie ihre Kräfte, freilich nicht für den politischen Kampf, sondern sie bauten gemeinsam Hilfsorganisationen auf und lernten einander wertzuschätzen. Als die wirtschaftliche Situation sich verschärfte, kam es zu einer Neubewertung zwischen Staat und Frauen: Die Politik wandte sich wegen der Probleme am Arbeitsmarkt an die Frauenvereine.
Nicht die Vorkriegsagitation der Frauenrechtlerinnen war also der Auslöser für den gesetzlichen Wandel, sondern die vier Jahre, in denen die Frau-
Linke, katholische und bürgerliche Frauen fanden lang nicht zusammen.
en sich als wahre Patriotinnen zeigten. „Die Leistungen der Frauen im Kriege sind bekannt und mussten zu einer Änderung der Gesetzgebung hinsichtlich der Beteiligung der Frauen an dem öffentlichen Leben führen“, liest man im Protokoll der Provisorischen Nationalversammlung 1918. Zeitgenossen mit Hang zur Poesie sprachen gerührt von einer „Morgengabe“der neuen Republik für die Frauenwelt. Das hinderte die etablierte Politik aber nicht daran, dieses Gesetz vom 18. Dezember 1918 über das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht aller mündigen Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts mit Bangen zu betrachten. Allzu unüberschaubar schien die neue Wählermasse. Jede Partei glaubte,