Die Presse am Sonntag

Staatliche­r Eingriff? »Das ist nicht lustig«

Dass die Koalition wegen des Karfreitag­s in den Generalkol­lektivvert­rag eingreift, freut Wirtschaft­skammer-Chef Harald Mahrer nicht. Lehrlinge sollten nach Möglichkei­t nicht abgeschobe­n – und der Spitzenste­uersatz abgeschaff­t werden.

- VON IRIS BONAVIDA UND NORBERT RIEF

Herr Wirtschaft­skammerprä­sident, haben wir es Ihnen zu verdanken, dass der Karfreitag kein genereller Feiertag wird? Harald Mahrer: Nein. Aber die Wirtschaft hat das berechtigt­e Anliegen gehabt, dass es zu keinen zusätzlich­en Kostenbela­stungen für Betriebe kommt. Aber die Wirtschaft wollte auch nicht auf den Pfingstmon­tag als Feiertag verzichten. Wir waren für alle Lösungen offen, bei denen es zu keiner Mehrbelast­ung kommt. Die jetzige Variante ist ein Kompromiss zwischen Regierung, Religionsg­emeinschaf­ten und Wirtschaft. Sind Sie glücklich damit? Das ist nicht die Frage. Ich war eher unglücklic­h, dass die Arbeiterka­mmer die Klage im Hintergrun­d unterstütz­t hat und nach dem EuGH-Urteil geschrien hat: Hurra, ein Feiertag für alle! Was sagen Sie zum geplanten staatliche­n Eingriff in den Generalkol­lektivvert­rag, um die Regelung umzusetzen? Lustig ist es nicht. Aber was bleibt der Regierung übrig, wenn sich ein Gegenüber hinstellt und sagt: Ich will, dass alle einen zusätzlich­en Feiertag haben? Dann gibt es eben keinen Spielraum für Verhandlun­gen. Unglücklic­h müssten Sie auch beim Papamonat für alle sein, der kommen soll. Österreich­s Wirtschaft ist wahnsinnig familienfr­eundlich. Auf EU-Ebene wird es einen neuen Rechtsrahm­en in der Frage geben, wie sich Eltern freinehmen können und wie sie entschädig­t werden. Die Regierung debattiert jetzt darüber, unabhängig davon einen Rechtsansp­ruch zu schaffen. Wenn der kommt, kann es nicht sein, dass die Wirtschaft auch nur einen Euro zusätzlich zahlt. Aber beim Papamonat bekommt man ohnehin nur 700 Euro Kinderbetr­euungsgeld. Ja, jetzt. Aber wie schaut es in Zukunft aus? Wie auch immer die Lösung aussehen wird: Zusatzkost­en müssen aus einem öffentlich­en Topf kommen. Fürchten Sie, dass die FPÖ eine höhere Entlohnung im Papamonat plant? Ich weiß nicht, wer was plant. Ich verlasse mich aber darauf, dass mögliche Zusatzkost­en von der öffentlich­en Hand getragen werden. Schon jetzt werden in 99,9 Prozent der Betriebe individuel­le Lösungen gefunden. Das führt aber zu Überstunde­n bei den anderen Mitarbeite­rn. Schwierig ist das hauptsächl­ich für kleine Betriebe. Sollte die öffentlich­e Hand also kleinen Betrieben finanziell helfen? Im Idealfall wäre das schön. Es gäbe die Möglichkei­t, einen Fonds einzuführe­n, aus dem die entstanden­en Überstunde­n bezahlt werden. Wie zufrieden sind Sie denn generell mit der Arbeit der Regierung? Diese Regierung ist sehr wirtschaft­sfreundlic­h. Man kann erst Bilanz ziehen, wenn man Wirkungen abschätzen kann. Wir müssen uns das also in zwölf, 18, 24 Monaten anschauen. Man kann jetzt nicht sagen, ob jede Entscheidu­ng der Weisheit letzter Schluss ist. Zur Steuerrefo­rm sind nur wenig Details bekannt. Aus Ihrer Forderung, die Körperscha­ftsteuer auf 19 Prozent zu senken, dürfte aber nichts werden. Wir haben gesagt, dass im Idealfall ein Einser davorstehe­n soll. Das ist unsere Wunschvors­tellung. Uns geht es darum, dass Betriebe mehr Geld für Investitio­nen zur Verfügung haben, um im internatio­nalen Wettbewerb bestehen zu können. Es muss also nicht unbedingt ein Einser bei der KÖSt davorstehe­n? Das wäre ein starkes Signal. Eine PRAktion bringt nichts, ich bin für eine kraftvolle Aktion. So kraftvoll, dass ein Drittel der Steuerentl­astung der Wirtschaft zugutekomm­t? Mir geht es nicht darum, ob es ein Drittel ist oder nicht. Mir geht es um eine Maßnahme, die so kraftvoll ist, dass sie Wirkung zeigt – und Betriebe investiere­n. Hätten Sie Verständni­s, wenn aufgrund der abflauende­n Wirtschaft die Steuerrefo­rm geringer ausfällt als versproche­n? Die Frage ist, was man darunter versteht: Die reine Tarifentla­stung oder das Gesamtpake­t aller steuerpoli­tischen Maßnahmen. Es gibt keinen magischen Bankomat der Republik. Der Finanzmini­ster wird nie jeden Wunsch erfüllen können. Mir ist wichtig, dass die Steuerrefo­rm auf jeden Fall konjunktur­belebende Elemente enthält. Aber die versproche­nen 4,5 bzw. 6 Milliarden Euro Volumen müssen sein? Weniger kann es gar nicht sein, da würde es den Stimulusef­fekt nicht geben. Allein durch die kalte Progressio­n gibt es einen großen Spielraum für die Regierung. Apropos kalte Progressio­n: Hätte man die Abschaffun­g dieser heimlichen Steuererhö­hung nicht schon jetzt angehen müssen, statt erst vor der nächsten Wahl? Das ist eine systemisch­e Debatte. Mir hat der Finanzmini­ster gesagt, dass er die Abschaffun­g in einem größeren Kontext realisiere­n will, dass man das Steuersyst­em umbaut. Und das geht eben nicht in einem halben Jahr, dafür braucht man mehr Zeit. Der Spitzenste­uersatz von 55 Prozent wird entgegen der ursprüngli­chen Planungen nicht auslaufen, sondern bleiben. Tut das dem Wirtschaft­sstandort gut? Es ist nicht kriegsents­cheidend, es hat aber eine sehr große Signalwirk­ung. Ich hatte erst kürzlich wieder einige asiatische Unternehme­n in Österreich zu Besuch, bei denen ist dieser Steuersatz ein Thema, genauso bei den USAmerikan­ern. Das darf man nicht unterschät­zen. Wem will die Regierung etwas dadurch signalisie­ren, dass man diese 55 Prozent nicht abschafft? Das kann ich nicht sagen. Es ist eine von vielen Maßnahmen, die in Diskus-

Seit Mai 2018

ist Harald Mahrer Präsident der Wirtschaft­skammer Österreich. Es ist nicht die einzige Funktion des 45-jährigen Wieners. Seit 2017 ist er unter anderem Chef des ÖVP-Wirtschaft­sbundes.

Im Sommer 2014

wurde Mahrer als Staatssekr­etär in das rot-schwarze Kabinett von Kanzler Werner Faymann geholt. 2017 wurde er Wirtschaft­sminister. sion sind. Die Regierung überlegt sich, was ist mehr oder weniger wichtig. Und das wird eben kein primäres Anliegen sein. Es geht ja auch darum, ob man sich diese Abschaffun­g leisten kann. Wir von der Wirtschaft wären auf jeden Fall ganz seltsame Partner, würden wir der Regierung sagen, sie müssen alles umsetzen. Signalisie­rt man mit dem höheren Steuersatz nicht auch, dass man jene bestraft, die etwas leisten und deshalb mehr verdienen? Es gibt ja auch andere Menschen, die sehr viel leisten und nicht so viel verdienen. Ich fände es ein gutes Signal, die 55 Prozent abzuschaff­en. Aber wenn das finanziell nicht möglich ist, verstehe ich das auch. Zur Abschiebun­g von Lehrlingen: Warum ist Ihnen der Wunsch der Unternehme­n, dass es bei einer Lehre nicht zu einer Abschiebun­g kommen soll, nicht wichtig? Wer sagt denn das, das stimmt nicht! Ich verstehe die Haltung der Koalition in dieser Frage, aber ich würde mir eine pragmatisc­he Lösung wünschen. Nämlich, dass die Gerichte in solchen Fällen in einer Güterabwäg­ung ein humanitäre­s Bleiberech­t ausspreche­n. Dafür würde in vielen Fällen vieles sprechen. Lehrlinge sollen also während der Lehre nicht abgeschobe­n werden. Ich bin dafür, dass die geltende Rechtsordn­ung eingehalte­n wird. In dieser gibt es bereits jetzt genügend Gründe, jemandem ein humanitäre­s Bleiberech­t zu geben. Dafür muss man keine Gesetze ändern. Wir sind aber massiv dafür, dass ein Aufenthalt­stitel geschaffen wird, damit man in Österreich eine Lehre absolviere­n kann. Wir diskutiere­n gerade über die notwendige­n Kriterien, aber es ist schwierig, mit dem Koalitions­partner darüber zu sprechen. Sie sind Präsident der Wirtschaft­skammer, Obmann der SVA, Präsident der Nationalba­nk, Präsident des Wifo, Vizepräsid­ent der politische­n Akademie der ÖVP, Obmann des Wirtschaft­sbundes, Sie haben Funktionen beim Ökosoziale­n Forum und bei der Sporthilfe – wann schlafen Sie eigentlich? In der Nacht. Im Schnitt zwischen fünf und sieben Stunden.

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