Staatlicher Eingriff? »Das ist nicht lustig«
Dass die Koalition wegen des Karfreitags in den Generalkollektivvertrag eingreift, freut Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer nicht. Lehrlinge sollten nach Möglichkeit nicht abgeschoben – und der Spitzensteuersatz abgeschafft werden.
Herr Wirtschaftskammerpräsident, haben wir es Ihnen zu verdanken, dass der Karfreitag kein genereller Feiertag wird? Harald Mahrer: Nein. Aber die Wirtschaft hat das berechtigte Anliegen gehabt, dass es zu keinen zusätzlichen Kostenbelastungen für Betriebe kommt. Aber die Wirtschaft wollte auch nicht auf den Pfingstmontag als Feiertag verzichten. Wir waren für alle Lösungen offen, bei denen es zu keiner Mehrbelastung kommt. Die jetzige Variante ist ein Kompromiss zwischen Regierung, Religionsgemeinschaften und Wirtschaft. Sind Sie glücklich damit? Das ist nicht die Frage. Ich war eher unglücklich, dass die Arbeiterkammer die Klage im Hintergrund unterstützt hat und nach dem EuGH-Urteil geschrien hat: Hurra, ein Feiertag für alle! Was sagen Sie zum geplanten staatlichen Eingriff in den Generalkollektivvertrag, um die Regelung umzusetzen? Lustig ist es nicht. Aber was bleibt der Regierung übrig, wenn sich ein Gegenüber hinstellt und sagt: Ich will, dass alle einen zusätzlichen Feiertag haben? Dann gibt es eben keinen Spielraum für Verhandlungen. Unglücklich müssten Sie auch beim Papamonat für alle sein, der kommen soll. Österreichs Wirtschaft ist wahnsinnig familienfreundlich. Auf EU-Ebene wird es einen neuen Rechtsrahmen in der Frage geben, wie sich Eltern freinehmen können und wie sie entschädigt werden. Die Regierung debattiert jetzt darüber, unabhängig davon einen Rechtsanspruch zu schaffen. Wenn der kommt, kann es nicht sein, dass die Wirtschaft auch nur einen Euro zusätzlich zahlt. Aber beim Papamonat bekommt man ohnehin nur 700 Euro Kinderbetreuungsgeld. Ja, jetzt. Aber wie schaut es in Zukunft aus? Wie auch immer die Lösung aussehen wird: Zusatzkosten müssen aus einem öffentlichen Topf kommen. Fürchten Sie, dass die FPÖ eine höhere Entlohnung im Papamonat plant? Ich weiß nicht, wer was plant. Ich verlasse mich aber darauf, dass mögliche Zusatzkosten von der öffentlichen Hand getragen werden. Schon jetzt werden in 99,9 Prozent der Betriebe individuelle Lösungen gefunden. Das führt aber zu Überstunden bei den anderen Mitarbeitern. Schwierig ist das hauptsächlich für kleine Betriebe. Sollte die öffentliche Hand also kleinen Betrieben finanziell helfen? Im Idealfall wäre das schön. Es gäbe die Möglichkeit, einen Fonds einzuführen, aus dem die entstandenen Überstunden bezahlt werden. Wie zufrieden sind Sie denn generell mit der Arbeit der Regierung? Diese Regierung ist sehr wirtschaftsfreundlich. Man kann erst Bilanz ziehen, wenn man Wirkungen abschätzen kann. Wir müssen uns das also in zwölf, 18, 24 Monaten anschauen. Man kann jetzt nicht sagen, ob jede Entscheidung der Weisheit letzter Schluss ist. Zur Steuerreform sind nur wenig Details bekannt. Aus Ihrer Forderung, die Körperschaftsteuer auf 19 Prozent zu senken, dürfte aber nichts werden. Wir haben gesagt, dass im Idealfall ein Einser davorstehen soll. Das ist unsere Wunschvorstellung. Uns geht es darum, dass Betriebe mehr Geld für Investitionen zur Verfügung haben, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Es muss also nicht unbedingt ein Einser bei der KÖSt davorstehen? Das wäre ein starkes Signal. Eine PRAktion bringt nichts, ich bin für eine kraftvolle Aktion. So kraftvoll, dass ein Drittel der Steuerentlastung der Wirtschaft zugutekommt? Mir geht es nicht darum, ob es ein Drittel ist oder nicht. Mir geht es um eine Maßnahme, die so kraftvoll ist, dass sie Wirkung zeigt – und Betriebe investieren. Hätten Sie Verständnis, wenn aufgrund der abflauenden Wirtschaft die Steuerreform geringer ausfällt als versprochen? Die Frage ist, was man darunter versteht: Die reine Tarifentlastung oder das Gesamtpaket aller steuerpolitischen Maßnahmen. Es gibt keinen magischen Bankomat der Republik. Der Finanzminister wird nie jeden Wunsch erfüllen können. Mir ist wichtig, dass die Steuerreform auf jeden Fall konjunkturbelebende Elemente enthält. Aber die versprochenen 4,5 bzw. 6 Milliarden Euro Volumen müssen sein? Weniger kann es gar nicht sein, da würde es den Stimuluseffekt nicht geben. Allein durch die kalte Progression gibt es einen großen Spielraum für die Regierung. Apropos kalte Progression: Hätte man die Abschaffung dieser heimlichen Steuererhöhung nicht schon jetzt angehen müssen, statt erst vor der nächsten Wahl? Das ist eine systemische Debatte. Mir hat der Finanzminister gesagt, dass er die Abschaffung in einem größeren Kontext realisieren will, dass man das Steuersystem umbaut. Und das geht eben nicht in einem halben Jahr, dafür braucht man mehr Zeit. Der Spitzensteuersatz von 55 Prozent wird entgegen der ursprünglichen Planungen nicht auslaufen, sondern bleiben. Tut das dem Wirtschaftsstandort gut? Es ist nicht kriegsentscheidend, es hat aber eine sehr große Signalwirkung. Ich hatte erst kürzlich wieder einige asiatische Unternehmen in Österreich zu Besuch, bei denen ist dieser Steuersatz ein Thema, genauso bei den USAmerikanern. Das darf man nicht unterschätzen. Wem will die Regierung etwas dadurch signalisieren, dass man diese 55 Prozent nicht abschafft? Das kann ich nicht sagen. Es ist eine von vielen Maßnahmen, die in Diskus-
Seit Mai 2018
ist Harald Mahrer Präsident der Wirtschaftskammer Österreich. Es ist nicht die einzige Funktion des 45-jährigen Wieners. Seit 2017 ist er unter anderem Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes.
Im Sommer 2014
wurde Mahrer als Staatssekretär in das rot-schwarze Kabinett von Kanzler Werner Faymann geholt. 2017 wurde er Wirtschaftsminister. sion sind. Die Regierung überlegt sich, was ist mehr oder weniger wichtig. Und das wird eben kein primäres Anliegen sein. Es geht ja auch darum, ob man sich diese Abschaffung leisten kann. Wir von der Wirtschaft wären auf jeden Fall ganz seltsame Partner, würden wir der Regierung sagen, sie müssen alles umsetzen. Signalisiert man mit dem höheren Steuersatz nicht auch, dass man jene bestraft, die etwas leisten und deshalb mehr verdienen? Es gibt ja auch andere Menschen, die sehr viel leisten und nicht so viel verdienen. Ich fände es ein gutes Signal, die 55 Prozent abzuschaffen. Aber wenn das finanziell nicht möglich ist, verstehe ich das auch. Zur Abschiebung von Lehrlingen: Warum ist Ihnen der Wunsch der Unternehmen, dass es bei einer Lehre nicht zu einer Abschiebung kommen soll, nicht wichtig? Wer sagt denn das, das stimmt nicht! Ich verstehe die Haltung der Koalition in dieser Frage, aber ich würde mir eine pragmatische Lösung wünschen. Nämlich, dass die Gerichte in solchen Fällen in einer Güterabwägung ein humanitäres Bleiberecht aussprechen. Dafür würde in vielen Fällen vieles sprechen. Lehrlinge sollen also während der Lehre nicht abgeschoben werden. Ich bin dafür, dass die geltende Rechtsordnung eingehalten wird. In dieser gibt es bereits jetzt genügend Gründe, jemandem ein humanitäres Bleiberecht zu geben. Dafür muss man keine Gesetze ändern. Wir sind aber massiv dafür, dass ein Aufenthaltstitel geschaffen wird, damit man in Österreich eine Lehre absolvieren kann. Wir diskutieren gerade über die notwendigen Kriterien, aber es ist schwierig, mit dem Koalitionspartner darüber zu sprechen. Sie sind Präsident der Wirtschaftskammer, Obmann der SVA, Präsident der Nationalbank, Präsident des Wifo, Vizepräsident der politischen Akademie der ÖVP, Obmann des Wirtschaftsbundes, Sie haben Funktionen beim Ökosozialen Forum und bei der Sporthilfe – wann schlafen Sie eigentlich? In der Nacht. Im Schnitt zwischen fünf und sieben Stunden.