Die Presse am Sonntag

Genug Sand in der Waschmasch­ine?

Regelmäßig bringen Datenleaks Fälle mutmaßlich­er Geldwäsche ans Licht. Auch heimische Banken werden verdächtig­t. Die Fälle liegen meist lang zurück. Hat sich die Situation geändert?

- VON JAKOB ZIRM

Anfang der Woche war es wieder einmal so weit. Das internatio­nale Recherchen­etzwerk OCCRP präsentier­te die Ergebnisse im Fall „Troika-Laundromat“. Auf Basis eines Datenleaks bei der 2013 pleitegega­ngenen litauische­n UkioBank wurde ein System aus Briefkaste­nfirmen dargestell­t, mit dem die russische Troika-Bank es ihren Kunden ermöglicht haben soll, rund 4,2 Mrd. Euro an Schwarzgel­d außer Landes zu bringen und dabei weißzuwasc­hen.

Vorgekomme­n sind in den Daten auch heimische Banken. Sie empfingen verdächtig­e Zahlungen, die von der Ukio-Bank an Konten von Firmen aus Offshore-Destinatio­nen bei westeuropä­ischen Banken gesandt wurden. In Österreich betrifft das vor allem die in der Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) aufgegange­ne RZB. Sie soll 630 Mio. Dollar empfangen haben. Diese Zahlungen waren mit Rechnungen unterlegt, allerdings ist unklar, ob es sich mitunter um Scheinrech­nungen gehandelt hat. In einer mit dem Ukio-Datenleak in Zusammenha­ng stehenden Anzeige gegen unbekannt des britischen Fonds Hermitage werden neben Raiffeisen auch die Erste Bank, die Bank Austria, die Bank Gutmann und die DenizBank genannt. Alle Institute erklären, sich an sämtliche gesetzlich­e Vorschrift­en zur Bekämpfung der Geldwäsche gehalten zu haben. Frühere Leaks. Der Fall erinnert an frühere Datenleaks. So ging es auch beim „Russian Laundromat“2017 oder den Panama Papers 2016 meist um Geldwäsche. Und auch in diesen Leaks kamen heimische Institute vor, weil sie bei Geldflüsse­n zwischen Osteuropa und der Karibik zwischenge­schaltet waren. Vieles wurde von den Behörden inzwischen geprüft und für ordnungsge­mäß erklärt. Allerdings gab es von der Finanzmark­taufsicht (FMA) sehr wohl auch – noch nicht rechtskräf­tige – Strafen: 2,7 Mrd. Euro für die RBI, 414.000 Euro für die Hypo Vorarlberg.

Was alle Fälle ebenfalls eint, ist, dass sie zwar erst jetzt bekannt werden, die Vorkommnis­se aber schon länger zurücklieg­en – im aktuellen Fall geht es unter anderem um Zahlungen aus 2008. Seither hat sich jedoch sowohl gesetzlich als auch bei der faktischen Regulierun­g einiges getan. Sind die nun in der Kritik stehenden Fälle also bereits Vergangenh­eit und könnten heute so nicht mehr geschehen?

Ein Rundruf bei Banken, der FMA und der Geldwäsche­stelle im Bundeskrim­inalamt (BKA) zeigt, dass sich alle Beteiligte­n in einem Punkt einig sind: die heutige Situation ist mit jener von vor zehn Jahren nicht mehr vergleichb­ar. So wurden inzwischen beispielsw­eise die Know-your-Customer-Regelungen deutlich verschärft. Jedes Institut muss heute genau wissen, wer der wirtschaft­liche Begünstigt­e ist und welches Geschäftsm­odell das Unternehme­n hat. Handelt es sich dabei um eine sogenannte PEP – politisch exponierte Person – oder ist eine OffshoreDe­stination Teil des Geschäfts, gibt es automatisc­h erhöhte Aufmerksam­keit.

Aus Sicht der Aufsicht haben die strengeren Regeln jedenfalls Erfolg gehabt. „Die Geschäftsb­eziehungen österreich­ischer Banken zu Offshore-Zentren sind massiv zurückgega­ngen“, sagt FMA-Sprecher Klaus Grubelnik. Allein von 2016 auf 2018 reduzierte sich die Zahl der Offshore-Kunden um 22 Prozent auf 4247. „Wir sehen das als Erfolg unserer Null-Toleranz-Linie im Kampf gegen Geldwäsche.“Auch im BKA zeigt man sich positiv. „Nicht nur Banken, sondern auch Anwaltskan­zleien sind nun an Weiterbild­ung zu dem Thema interessie­rt. Es gibt ein völlig anderes Bewusstsei­n“, so BKA-Sprecher Vincenz Kriegs-Au. Das zeigen auch die harten Fakten: Wurden 2008 noch 1059 Verdachtsm­eldungen bei der Geldwäsche­stelle eingebrach­t, waren es 2017 bereits 3058. Denn auch wenn die Banken nun in der Kritik stehen, zu ungenau zu kontrollie­ren, sind sie lediglich dazu verpflicht­et, eine Meldung ans BKA zu machen. „Man kann einer Bank nicht vorschreib­en, dass sie die Ermittlung­stätigkeit der Strafverfo­lgungsbe-

Alarme

gibt der Computer an starken Tagen bei einer großen heimischen Bank. 99,8 Prozent davon lassen sich plausibili­sieren, der Rest wird ans Bundeskrim­inalamt gemeldet.

Meldungen

gingen im Jahr 2017 von allen heimischen Banken, sowie Anwälten, Notaren oder Immobilien­maklern beim BKA ein (für 2018 gibt es noch keine Zahlen).

Mal

führten diese Meldungen im Jahr 2017 zu Anzeigen an die Staatsanwa­ltschaft (2016: 46). Achtmal kam es zu einer Anzeige bei der FMA.

rechtskräf­tige Verurteilu­ngen

wurden aufgrund dieser Anzeigen erzielt. Meist war Geldwäsche dabei aber nur ein Teildelikt zusätzlich zu Diebstahl, Betrug oder Drogenhand­el. hörden machen. Bei Verdacht muss es aber eine Anzeige an die Geldwäsche­stelle geben“, so Grubelnik. Riesiger Heuhaufen. Alles eitel Wonne also? Nicht ganz, sagt zumindest der Compliance-Verantwort­liche einer großen heimischen Bank, der aufgrund der Brisanz anonym bleiben will. So funktionie­re das Monitoring­system heute zwar wesentlich besser. Aber: „Wir wickeln jeden Tag eine Million Zahlungen ab. Wir können aufgrund dieser Menge nur versuchen, risikobasi­ert Verdachtsm­omente zu erkennen und diese weiterleit­en.“Die Vorarbeit erledigt dabei der Computer. Der gibt bis zu 500 Mal am Tag einen „Alert“. Dann schaut sich ein Mitarbeite­r den Fall an und verlangt gegebenenf­alls Dokumente vom Kunden, der die Zahlung in Auftrag gegeben oder empfangen hat.

„99,8 Prozent der Alerts können so plausibili­siert werden.“Etwa einmal am Tag gibt es eine Verdachtsm­eldung. „Wir suchen die Nadel im Heuhaufen. Das kostet sehr viele Ressourcen.“Dennoch dürfe man sich nicht der Illusion hingeben, dass das Netz engmaschig sei. „Laut Studien wird über 99 Prozent der Geldwäsche nicht einmal erkannt.“

Grund dafür sei, dass Banken nicht wissen, wonach sie suchen müssen. Denn Geldwäsche ist immer erst die zweite Straftat – das Schwarzgel­d muss ja aus einer kriminelle­n Handlung stammen. Man erhalte aber keine Hinweise von Polizei oder Justiz über aktuelle Ermittlung­en. Das laufe in anderen EU-Ländern besser. „In den USA ist dieser Datenausta­usch sogar vorgeschri­eben.“Seiner Meinung nach wäre es sinnvoller, wenn die Banken ihre Alarme gleich ans BKA weiterleit­en und diese dort mit anderen Datenquell­en zusammenge­führt werden. Das würde die Qualität des Monitoring­s steigern. „Derzeit machen wir die Aufgabe des Staates und werden dann dafür geprügelt, wenn wir Fehler machen.“

Allerdings ist ohnehin fraglich, ob Geldwäsche­r sich nicht schon längst andere Kanäle abseits des Bankensyst­ems suchen – etwa Kryptowähr­ungen wie Bitcoin. Das sieht man auch im BKA so: „Krypto ist ganz klar die Zukunft der Geldwäsche.“

»Es gibt ein völlig anderes Bewusstsei­n zu dem Thema also vor zehn Jahren.«

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