Neue Formen, neue Gesichter, alte Marotten
Auf dem diesjährigen Genfer Autosalon probt nicht nur eine Luxusmarke den Aufbruch aus der Antike. Im beginnenden Umbruch der Branche sehen viele ihre Chance gekommen, im automobilen Geschehen der Zukunft mitzumischen.
Ein wunderbarer Zickenkrieg zweier englischer Luxusmarken erfrischt die Branche im Umfeld des 89. Genfer Autosalons. Der verdiente Chefdesigner von Aston Martin, Marek Reichmann, erläutert die sehr ungewöhnliche Kreation, mit der man den Namen Lagonda aus der Historie in die Jetztzeit, nein: in die Zukunft überführen will – die Konzeptstudie zählt zweifellos zu den Highlights des Salons. „Die Welt verändert sich“, so Reichmann, „aber sehen Sie sich Luxus an: Das kommt immer noch sehr traditionell daher. Luxus und Technologie wurden noch nicht kombiniert.“
Gerade beim luxuriösesten Auto der Welt sei das nicht geschehen: „Ich war selbst als Designer am Entwurf des Rolls-Royce Phantom beteiligt. Das Briefing hieß: der Buckingham-Palast auf Rädern. Es war wichtig, die Marke damals so zu positionieren. Aber inzwischen hat sich so vieles verändert, sogar die Royals haben sich verändert. Rolls-Royce und Bentley sind heute das antike Griechenland.“
Bei Aston habe man halt „überhaupt keine Ahnung vom Luxusmarkt“, kam es prompt aus Goodwood retour, dem Sitz von Rolls-Royce (wenn wir beiseite lassen, dass die Geschicke der Marke von BMW in München aus gelenkt werden). Keine Kutsche. Doch Aston und Reichmann dürften einen Punktesieg errungen haben – der Lagonda elektrisiert Fachpresse und Publikum. Auf radikale Weise nutzt er die Möglichkeiten des Elektroantriebs, der nicht mehr dem traditionellen Kutschen-Layout folgen muss und eine luftige, geräumige und gewiss komfortable Reisekapsel bereitstellt. Gebaut werden soll der neue Royce-Konkurrent ab 2022 im neuen Aston-Werk in Wales, in dem auch – ab Ende diesen Jahres – das Full-Size-SUV der Marke, der DBX, gefertigt wird.
Der Chef des Hauses, Andy Palmer, hat eine Menge Erwartungen losgetreten, zweifellos mit Sanktus des Eigentümers, der italienischen Investindustrial-Gruppe. Die hat sich soeben übrigens einen weiteren englischen Spezialisten einverleibt: Bei Morgan enden 109 Jahre als Familienbetrieb, die Italiener haben die Mehrheitsanteile übernommen und sind bei der Traditionsmarke, die weniger als 1000 Autos im Jahr baut, nun am Steuer. Ohne Zugang zu größeren Kapitalreserven lassen sich die Herausforderungen für einen Autobauer wohl auch nicht mehr bewältigen. In Genf zeigte Morgan bereits die neue Alu-Plattform, nach Art des Hauses mit Eschenholzrahmen kombiniert, mit der sich auch die kritischen der bald erforderlichen CrashTests bewältigen lassen.
„Bentley und Rolls-Royce sind das antike Griechenland“, sagt Aston Martins Chefdesigner.
Putins Schlachtschiff. Aber vielleicht liegt die Zukunft des Luxus ja nicht in Goodwood oder Gaydon, sondern in Russland. Das entsprechende Vehikel namens Aurus macht in Genf seine Aufwartung, dies eher in der klassizistischen Art des Tempelbaus. Hinter dem streng aufragenden Monument von Kühlergrill sitzt ein großer V8 mit elektrischem Support, und während es sich drinnen schon fein sitzen lässt, entging uns nicht die Ausführung der ZuziehVorhänge im Fond, die unsauber improvisiert, man könnte auch sagen: russisch wirkte.
Wir bleiben noch kurz in den Sphären der Oligarchie hinsichtlich des Kaufpreises, und da lässt in Genf ein schwarzer, aber keineswegs schlichter
Dieter Zetsche, 65
Letzter großer Auftritt in Genf, in wenigen Wochen übergibt er den Chefposten an Ola Källenius (49) und wechselt in den Daimler-Aufsichtsrat.
Carlos Tavares, 60
hat den Plan: bei PSA läuft es derzeit, jetzt geht es in die USA.
Andy Palmer, 55
leitet die große Offensive bei Aston Martin.
Thierry Bollor´e, 55
folgte bei Renault Carlos Ghosn nach.
Bram Schot, 57
Der Niederländer folgte Rupert Stadler nach und muss nun das Ruder bei Audi herumreißen. Wagen alle bisherigen Rekorde purzeln. „La Voiture Noire“nennt Bugatti sein Meisterstück und verneigt sich damit vor der eigenen Geschichte: Der Bugatti 57 C Atlantic dient als stilistische Inspiration – auffälligstes Merkmal: eine durchgehende Finne an Dach und Motorhaube – und als Wegweiser zu wahrer Exklusivität beziehungswei-
Vom Vorbild gab es vier, Bugattis „schwarzen Wagen“gibt es nur als Einzelstück.
se Wertsteigerung: Nur vier Exemplare wurden in Bugattis goldenen Tagen in den 1930ern gebaut, der eine, der verschollen ist, wird schon einmal auf 100 Mio. Dollar taxiert – vielleicht einmal nachschauen in Omas Garage (der Atlantic war allerdings schon damals richtig teuer). Den schwarzen Wagen der Neuzeit gibt es überhaupt nur in einmaliger Ausfertigung, dem Vernehmen nach erwirbt das Einzelstück