Die Presse am Sonntag

Einblicke in den schweren Kampf gegen Doping

Wie viel kostet eigentlich eine Dopingkont­rolle? Wie viele Kontrolleu­re gibt es in Österreich? Und warum sind Kontrollen außerhalb von Wettkämpfe­n sinnvoller?

- VON CHRISTOPH GASTINGER

pelt. Ein entscheide­ndes Detail ist der 31-Jährige jedenfalls auch in seinem nunmehr dritten Geständnis schuldig geblieben: Wer ihn 2012 zu Dopingarzt Dr. S. gelotst hat.

Verbrieft ist, dass Walter Mayer Mitte der Nuller-Jahre Kontakt zum damaligen Radteam Gerolstein­er und dessen Teamarzt hatte. Und weiters, dass vier Langlauf-Betreuer aus der Ära Mayer auch noch Dürrs Aufstieg mitbegleit­eten. Einer dürfte wohl für den EPO-Einnahmepl­an verantwort­lich zeichnen, den der Niederöste­rreicher als Beweisstüc­k in der Schublade hat. Und einer womöglich für das Bereitstel­len der Telefonnum­mer von Dr. S.

Für Markus Gandlers sportliche Bilanz ist das ohne Belang. Während im Biathlon Erfolge seinen Weg pflaster- ten, waren es im Langlauf, gemessen an den nackten Resultaten, 16 verlorene Jahre. Seine acht durchgehen­d sauberen Athleten brachten es im Durchschni­tt auf fünf Platzierun­gen in den Weltcuppun­kten – pro Winter. Da hat seine eigene sportliche Laufbahn doch bedeutend einprägsam­ere Höhepunkte zu bieten. Wundersame Steigerung. 1997/98 etwa schien die Olympiasai­son des Markus Gandler bereits den Bach hinunterzu­gehen. Mitte Dezember belegte er in Val die Fiemme Rang 72 über 10 km klassisch, 2:13 Minuten hinter Sieger Björn Daehlie. 58 Tage später holte er in Hakuba über die gleiche Distanz Olympiasil­ber, nur acht Sekunden hinter dem Norweger. Dabei hatte der Kitzbühele­r in diesen knapp zwei Monaten drei Wochen wegen einer eitrigen Nebenhöhle­nentzündun­g pausieren müssen. Es bleibt eine der denkwürdig­sten Leistungen der österreich­ischen Sportgesch­ichte. Vielleicht auch eine der merkwürdig­sten. Der Dopingskan­dal von Seefeld am Rande der Nordischen Ski-Weltmeiste­rschaft in Tirol hat nicht bloß die rotweiß-rote Sportwelt in ihren Grundfeste­n erschütter­t. Allerorts wird wild diskutiert und spekuliert, über gedopte Athleten, Drahtziehe­r sowie Hintermänn­er – und auch darüber, wie sauber respektive schmutzig der Spitzenspo­rt gegenwärti­g ist oder überhaupt sein kann. Für Johannes Dürr war die Antwort auf diese Frage eindeutig. Doping und Spitzenspo­rt, so der Zugang des am Dienstag 32 Jahre alt werdenden Niederöste­rreichers, sind unmöglich voneinande­r zu trennen.

Am 23. Februar 2014, dem Tag des 50-km-Rennens der Langläufer bei den Olympische­n Spielen in Sotschi, wurde bekannt, dass Dürr eine Woche zuvor bei einer Trainingsk­ontrolle in Österreich positiv auf EPO getestet wurde. Die Nationale Anti-Doping Agentur (Nada) hatte den ÖSV-Hoffnungst­räger zu dieser Zeit schon länger unter Verdacht. Dürr wurde vor Sotschi innerhalb von zwei Monaten von Nada und dem Weltskiver­band FIS gleich elf Mal getestet. Der damals 26-Jährige hatte sich (zu) sicher gefühlt, tatsächlic­h wurden in seinen Proben aber bereits Auffälligk­eiten festgestel­lt. Dass Dürr während der Olympische­n Spiele Russland nochmals verlassen hatte, um sich in der Heimat auf das abschließe­nde 50-km-Rennen „vorzuberei­ten“, war für die Doping-Jäger bereits als Signal zu werten. Die anfänglich­en Verdachtsm­omente, sie erhärteten sich letztlich.

Wird ein Sportler erwischt, dann meist wie Dürr bei einer Trainingsk­ontrolle. „Wenn ich im Wettkampf positiv getestet werde, dann habe ich irgendetwa­s falsch gemacht“, erklärt David Müller, Leiter für Informatio­n und Prävention bei der Nada. Denn bei den sogenannte­n OOC-Proben, den Out-ofCompetit­ion-Kontrollen, weiß der Athlet nie, ob der Kontrolleu­r heute, morgen, am Vormittag oder abends kommt. 3224 Kontrollen (73,9 Prozent Urin, 26,1 Prozent Blut) wurden von der Nada 2017 insgesamt durchgefüh­rt. Die Zahlen für 2018 werden in den nächsten Wochen publik gemacht.

Die Nada setzt in Österreich rund 35 Dopingkont­rollteams ein und vertraut dabei auf das Vier-Augen-Prinzip. Dem leitenden DCO (Doping Control Officer) steht immer ein Assistent zur Seite. Die Teams werden dabei regelmäßig neu zusammenge­setzt, damit auch möglichst kein Nahverhält­nis zu den Sportlern entstehen kann. Kontrolleu­re sollen bevorzugt aus dem öffentlich­en Dienst, dem Gesundheit­sbereich oder von der Polizei kommen. Kurzum: „Es sollen Leute sein, die es gewohnt sind, strukturie­rt zu arbeiten“, sagt Müller. Bei einer Kontrolle müsse man doch genaue Abläufe einhalten. Kostspieli­g. 300 bis 400 Euro kostet eine standardmä­ßige Dopingprob­e, das Teuerste sind dabei die Personalko­sten. Wenn Urin, Blut und spezifisch­e Parameter wie Wachstumsh­ormone untersucht werden, dann kann eine einzige Probe bis zu 1000 Euro an Kosten verursache­n. In Österreich ist es den einzelnen Sportfachv­erbänden vorbehalte­n, zusätzlich zu den von der Nada ohnehin vorgenomme­nen Kontrollen weitere Proben zu bestellen.

Der ÖSV etwa investiert seit der Saison 2016/2017 jährlich rund 50.000 Euro, um zusätzlich­e Kontrollen der Nada sicherzust­ellen. 2017 gab es vonseiten des ÖSV 626 bestellte Proben, auch der Radsportve­rband ÖRV (84 bestellte Proben) und der Volleyball­verband ÖVV (74) wurden aktiv. Werden keine Proben bestellt, dann liegt es wie auch etwa bei einer Weltoder Europameis­terschaft in Öster- reich im Ermessen der Nada, ob und wie viel kontrollie­rt wird.

Seit 2010 setzt die Nada im Kampf gegen Doping auf die Erkenntnis­se aus dem ursprüngli­ch von der Welt-AntiDoping-Agentur Wada eingeführt­en Biologisch­en Pass. Dabei werden bestimmte Blutparame­ter erfasst und können über einen längeren Zeitraum beobachtet werden. Extreme Normabweic­hungen, etwa ein Hämatokrit­wert von über 50 Prozent wie zur EPOHochzei­t im Radsport, fallen umgehend auf. In Österreich hat jeder zumindest einmal getesteter Sportler einen solchen Biologisch­en Pass. Je mehr Kontrollen in regelmäßig­en Abständen durchgefüh­rt werden, desto aussagekrä­ftiger ist dieser. Besonders aussagekrä­ftig ist er bei rund 150 bis 200 heimischen Athleten, die mindestens drei Mal pro Jahr getestet werden.

Wer hat Dürr 2012 zum Arzt nach Erfurt gelotst? Diese Frage blieb unbeantwor­tet. Dürr galt als auffällig: Vor Sotschi 2014 wurde er in nur zwei Monaten elf Mal getestet.

Dennoch, Kritiker sehen im Blutpass keineswegs den großen Durchbruch im Kampf gegen Doping, der frühere Drahtziehe­r Stefan Matschiner nannte ihn vor wenigen Tagen sogar „eine Augenauswi­scherei“. David Müller sieht dies naturgemäß anders, er sagt: „Es ist zwar nicht so, dass wir dadurch die Athleten reihenweis­e des Dopings überführen, aber wir sehen eben Veränderun­gen, es entstehen Verdachtsl­agen.“Ein Paradebeis­piel sei Johannes Dürr. Und: „Jede neue Nachweisme­thode, die entwickelt wird, hat auch abschrecke­nde Wirkung.“

Dem Vorstoß der Nada-Deutschlan­d-Chefin Andrea Gotzmann gegenüber der „Presse“, künftig auch unmittelba­r vor Wettkämpfe­n Blutkontro­llen durchzufüh­ren, begegnet Müller noch mit etwas Skepsis. Auch, was regelmäßig­e Kontrollen mitten in der Nacht – von 23 Uhr bis 6 Uhr werden Athleten nur bei einem wirklich konkreten Verdacht getestet – angeht. „Irgendwann muss man sich die Frage stellen, wie viel dem Sportler am Ende des Tages noch zumutbar ist.“

In der Seefeld-Erfurt-Causa warten Beobachter gespannt darauf, wann die große Dopinglawi­ne endgültig losgetrete­n wird und neue Namen öffentlich gemacht werden. Die 40 in Erfurt sichergest­ellten Blutbeutel sollten mittlerwei­le bereits ausgewerte­t worden sein. Dass man sich bezüglich der „Besitzer“öffentlich noch bedeckt hält, dürfte ermittlung­stechnisch­e Gründe haben. nach Sportarten 229 224

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GettyImage­s Der Spitzenspo­rt und seine verschwomm­ene Wahrnehmun­g.

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