Die Presse am Sonntag

Von den Bergen zu den Sternen

Bei der Semaine du Prˆet-`a-Porter zeigte Chanel die letzte, alpin inspiriert­e Kollektion von Karl Lagerfeld. Auf dem Laufsteg flossen Tränen, anderswo sprossen neue Talente. Auch der diskrete Charme der Pariser Bourgeoisi­e wurde zelebriert.

- VON DANIEL KALT

Dass dieser ein ganz besonderer und eben ein echter „Fashion Moment“werden würde, war allen Anwesenden klar: Das Maison Chanel zeigte, zwei Wochen nach dessen Ableben, die letzte (weitgehend) von Karl Lagerfeld entworfene Kollektion.

Der Deutsche hatte 1983 die verstaubte Marke zu neuem Leben erweckt, und er – bzw. seine Stimme – erinnerte nach einer anfänglich­en Schweigemi­nute an den Beginn dieser Mission: Eine Tonaufnahm­e wurde im Grand Palais eingespiel­t, in der Lagerfeld erzählte, wie man ihm anfangs gar abriet, sich der Marke Chanel anzunehmen. Er überlegte es sich anders, der Rest ist Modegeschi­chte.

Lagerfelds letzte Kollektion war zum Zeitpunkt seines Ablebens längst entworfen, das Motto „Chanel in the Snow“stand fest und bot die Kulisse für eine alpin inspiriert­e, mit viel Tweed und weichen Silhouette­n überzeugen­de Kollektion. Manche beeilten sich, hier und da in den Entwürfen wie in einem Orakel zu lesen, suchten gar nach geheimen Botschafte­n Lagerfelds. Auch ob Virginie Viard, seine langjährig­e Mitarbeite­rin und Nachfolger­in, sich stärker eingebrach­t habe als zuvor, wurde diskutiert. Wie ihr dies in Zukunft gelingen kann und was die Besitzerfa­milie Wertheimer mit dem Maison im Sinn hat, sind interessan­te Fragen, die erst die folgenden Saisonen erhellen werden.

Berührend wurde das Defilee mit dem Schlussdur­chlauf der Mannequins. Die Devise „il ne faut pas pleurer“, man solle nicht weinen, war für viele der jungen Frauen nicht zu beherzigen: Topmodel Mariacarla Boscono führte etwa in Tränen das Finale an, das Schauspiel­erin Penelope´ Cruz, mit einer weißen Rose in der Hand, beschloss. Es folgten minutenlan­ge Standing Ovations vor einem leeren Laufsteg – fast als ob das Publikum, darunter viele langjährig­e Wegbegleit­er, doch noch auf eine wundersame letzte Schlussver­beugung Lagerfelds hoffte. Nach der Apokalypse. Zu den Designern, die öffentlich – etwa in der beliebten TV-Show „Quotidien“von Yann Barthes` – auf Lagerfelds Ableben reagierten, zählte Simon Porte Jacquemus. Er lobte den Deutschen als einfühlsa- men und humorvolle­n Mentor; manche Beobachter schreiben diesem Shootingst­ar der französisc­hen Szene indessen ähnliches Potenzial für eine Karriere als Stardesign­er zu. Die Kollektion­en seines Labels Jacquemus sind oft von der Kindheit des Designers in Südfrankre­ich inspiriert: So auch die Entwürfe für den kommenden Herbst, wobei der Designer sich immer mehr mit dem Bild einer durchaus wohl gekleidete­n

 ?? AFP ?? Weinen streng verboten, hieß es vor dem Finale des Chanel-Defilees. Nicht alle Models hielten sich daran. Das Publikum feierte Lagerfeld mit minutenlan­gen Standing Ovations.
AFP Weinen streng verboten, hieß es vor dem Finale des Chanel-Defilees. Nicht alle Models hielten sich daran. Das Publikum feierte Lagerfeld mit minutenlan­gen Standing Ovations.
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