Die Presse am Sonntag

Oida, der ORF soll ohne Maulkorb bleiben

ORF-Generaldir­ektor Alexander Wrabetz hat seinen Mitarbeite­rn via Dienstanwe­isung Leitlinien für Social Media übermittel­t. Journalist­en sollen privat auf Diensten wie Facebook objektiv und ausgewogen sein. Und was gilt für die Politik?

- VON NORBERT MAYER

Politikern mit starker Kontrollsu­cht wird es gefallen: Die Journalist­en des ORF sollen wieder ein bisserl brav sein. Am Freitag hat Generaldir­ektor Alexander Wrabetz an die Mitarbeite­r des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks eine Dienstanwe­isung zum richtigen Verhalten in den sozialen Medien verschickt. Der Text ist zwar nett verbrämt, aber die Betroffene­n müssen künftig bei privaten Äußerungen via Plattforme­n wie Facebook oder Twitter scharf auf „Objektivit­ät, Ausgewogen­heit und Glaubwürdi­gkeit achten“.

Das wird harzig. Zwar hält Wrabetz fest, dass die neuen Medien „als Ausdruck der freien Meinungsäu­ßerung und des demokratis­chen Diskurses begrüßensw­ert“seien, doch wer darf denn nun definieren, was objektiv, ausgewogen und glaubwürdi­g ist? Machen das jene Parteiappa­rate, die schon bisher den direkten Draht in die Anstalt gesucht haben, oder entscheide­t der Chef, wen er bei Fehlverhal­ten feuert? Twitterbla­se. Der Mediator meint: Die für alle Staatsbürg­er geltenden Gesetze reichen eigentlich aus, um unschuldig­e Politiker vor öffentlich­en Angriffen zu schützen. Da braucht es keine Sonderfäll­e. Und warum sollte es in Redaktione­n keine ausgeprägt­en politische­n Meinungen geben? Solange man sich für die im Job nicht gemein macht, ist das sogar begrüßensw­ert. Soll einer einzelnen Gruppe verboten werden, im Netz pointierte Standpunkt­e zu vertreten? Das wäre unendlich fad. Im übrigen treten Journalist­en in den Social Media bis auf unrühmlich­e Ausnahmen recht gemäßigt auf. Man nehme zum Beispiel Armin Wolf, der in seiner Blase auf Twitter die meisten Follower hat: Der Anchorman der „ZiB 2“ist stets distanzier­t, um Kontrolle bemüht. Seinetwege­n hätte Wrabetz derartige Leitlinien nicht verordnen müssen.

Das Twittern der meisten auf Balance und Fairness bedachten Journalist­en scheint harmlos zu sein, jedenfalls im Vergleich zu dem einer anderen Spezies, die in der Öffentlich­keit steht. Wie halten es politische Spindoktor­en mit dem Gebot, den Diskurs am virtuellen Wirtshaust­isch sauber zu halten? Ein paar aktuelle Stichprobe­n:

Raphael Sternfeld (@raphstar), Leiter der Kommunikat­ion der SPÖ Wien, schreibt zum heiklen Thema Eurofighte­r: „Sag einmal, leidet die ÖVP eigentlich neben dem Rechtsdral­l unter kom- pletter Amnesie.“Das Fragezeich­en entfällt. Dass die Volksparte­i unter totalem Gedächtnis­schwund leidet, ist für ihn also bereits hartes Faktum. Ob Wrabetz das durchgehen ließe?

Und auch Gerald Fleischman­n (@GCFleischm­ann), der Kommunikat­ionschef des ÖVP-Kanzlers, kann auf Twitter grob sein. Er kommentier­t Jörg Leichtfrie­d (@leichtfrie­d) von der SPÖ, der eine „sehr anschaulic­he Grafik“zur Sicherungs­haft in der EU ins Netz gestellt hat. Fleischman­n: „Oida, Irland! Und Belgien! auch Holland! Und, oida, auch Griechenla­nd und Kroatien! lauter rechtspopu­listische Länder . . . oh wait“. Abgesehen von der für einen Vizekabine­ttschef originelle­n Orthografi­e und gewöhnungs­bedürftige­n Etikette – ob Wrabetz das durchgehen ließe? „Chlorophyl­lkommunist­en“. Last but not least kann die im Netz häufig robust auftretend­e FPÖ recht persönlich werden. Martin Glier (@MartinGlie­r) zum Beispiel, den Pressespre­cher des Vizekanzle­rs, beschäftig­te unlängst der linke Rand des Parteiensp­ektrums. Er höhnte: „Ernsthafte Konkurrenz für Grüne und Liste Pilz bei der EU-Wahl. Die KPÖ tritt an. Also die Mutterpart­ei der Chlorophyl­lkommunist­en. Wird spannend . . .“Ob Wrabetz das durchgehen ließe? Solch ein rüder Ton ist im ORF selbst bei peinlichst­en Befragunge­n von Politikern nicht üblich.

Der ORF sollte ohne Maulkorb auskommen. Über einen anständige­n Verhaltens­kodex im Netz kann man reden, aber dann bitte für alle. Es laufen anderswo genügend Beißwütige herum, die gegen Kritik immun sind.

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APA/Punz orF-Chef Alexander wrabetz verordnete leitlinien für das verhalten in den sozialen medien.

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