Als Luthers Revolution in Österreich ankam
Die Karfreitagsdebatte riss eine Wunde auf: jene der Gegenreformation unter Ferdinand II. und seinen Nachfolgern. Ohne sie wäre Österreich ein evangelisches Land geblieben. Eine kurze Geschichte des Protestantismus, der einst die Welt veränderte.
Rein psychologisch gesehen ist der Protestantismus eigentlich nicht sonderlich attraktiv. Was ihn im Wesentlichen vom Katholizismus unterscheidet, ist die Prädestinationslehre, der Glaube daran, dass alles von Gott vorherbestimmt ist. Dieser Fatalismus ist je nach Spielart des Protestantismus unterschiedlich ausgeprägt, bei den Calvinisten ist er am rigidesten. Wozu sich also anstrengen? Wozu morgens aufstehen? Wozu ein Leben leben, in dem man ohnehin nichts mitzubestimmen hat?
Doch die Protestanten haben aus der (seelischen) Not eine Tugend gemacht. Indem sie sich auf die auserwählte Seite stellten, auf jene, mit der Gott es gut meint. Und um sich stets seiner Gnade zu versichern, dessen, dass sie es waren, denen ein gutes Leben zugedacht war, mussten sie sich erst recht anstrengen. Der Soziologe Max Weber hat vor 115 Jahren ein Buch darüber geschrieben, wie aus dieser protestantischen (Arbeits-)Ethik der Kapitalismus entstand. Jedenfalls in den USA unter Puritanern und Calvinisten. Auch den Begriff des Berufs in seiner heutigen Bedeutung hat der Protestantismus hervorgebracht.
Er war also eine ökonomisch fortschrittliche, auch politisch emanzipatorische Bewegung. Es ist wohl kein Zufall, dass der Liberalismus dann vor allem in protestantischen Ländern gedieh. Nicht im katholischen Südeuropa, nicht im orthodoxen Osteuropa.
Österreich, mitten drinnen, stand an einer Weggabelung. Es entschied sich zuerst auch für den protestantischen Weg, doch die Gegenreformation machte dies zunichte. Der Feiertag am Karfreitag gilt den evangelischen Christen bis heute auch als Ausgleich für das damalige Unrecht. Das macht die Angelegenheit so emotional. Da kommt das Denken und Leiden einer alten Minderheit wieder zum Vorschein.
Am Anfang standen Martin Luther und seine Thesen. Ein deutscher Mönch, der sich nur vom Papst und dessen Ablasshandel lossagen wollte, jedoch eine Revolution auslöste. Die neue Lehre verbreitete sich rasch über die Grenzen seiner Heimat hinaus – auch nach Österreich. Attraktiv war neben dem Umstand, dass die Zahlungen an Rom wegfielen, vor allem, dass auch die einfachen Menschen nun verstanden, was in der Kirche gepredigt wurde und in der Bibel stand. Deutsch ersetzte Latein. Die kurz davor erfolgte technische Revolution des Buchdrucks verlieh dem einen weiteren Schub.
Der Protestantismus war auch eine erste Demokratisierung des christlichen Glaubens. Dessen Vermittler, der Pfarrer, wurde näher auf die Erde geholt. Und das politisch konservative System aufgebrochen. Die Politik gewann, die Kirche verlor an Einfluss. Die Landesfürsten setzen ihre Bischöfe nun selbst ein. Das (Kirchen-)Volk bekam mehr Bedeutung. Und so wie der Humanismus eine Vorstufe zur Reformation war, so war diese eine zur Aufklärung. Wer im 16. Jahrhundert progressiv war, war protestantisch. Auch wenn dies – wie im Falle von Johannes Calvin – fundamentalistische Züge annehmen konnte. Unter politischen Vorzeichen sollte dann später der Jakobinismus ähnlich radikal, prinzipienstarr und rücksichtslos geprägt sein. Der niedere Klerus, der Adel. Es war dann auch der niedere katholische Klerus, der sich für Luthers Lehren in Österreich zuerst begeisterte. Aber auch viele Adelige fanden bald Gefallen am Protestantismus. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren knapp zwei Drittel der Bevölkerung der österreichischen Länder evangelisch.
Kaiser Ferdinand I. holte dann den katholisch-fundamentalistischen Jesuiten-Orden nach Österreich, um ideologisch zu retten, was zu retten war. Sein Sohn und Nachfolger Maximilian II., dem selbst protestantische Neigungen nachgesagt wurden, gestattete dem Adel allerdings die freie Religionsausübung. Der Protestantismus in Österreich hatte seine größte Entfaltung erreicht.
Die von den Jesuiten ausgebildeten klerikalen und weltlichen Führungskräfte begannen in der Folge jedoch mit der Gegenreformation. Rudolf II., der politisch eher weltfremde Kaiser, der sich mehr für Wissenschaften und Alchemie interessierte und sich nach Prag zurückgezogen hatte, ließ sie gewähren, ohne sich selbst sonderlich darum zu kümmern. Offiziell herrschte (noch) Religionsfreiheit. Verbrieft durch ein kaiserliches Schreiben.
So richtig in Fahrt kam die Gegenreformation dann unter dem strenggläubigen, von den Jesuiten erzogenen Ferdinand II. „Schon als Regent Innerösterreichs hatte Ferdinand in den damals weitgehend protestantischen Regionen eine Politik der verbrannten Erde betrieben. Seine Helfershelfer hinterließen eine Landschaft zerstörter Kirchen und verbrannter Bücher, die Leichen von Protestanten wurden aus ihren Gräbern gerissen, auf den Straßen verstreut und an Zäune gehängt. Von seinem Grazer Hof aus zwang Ferdinand dem Land eine grimmige Orthodoxie auf“, schreibt Simon Winder in seinem Habsburg-Werk „Danubia“. Adelige wurden vor die Wahl gestellt, zu emigrieren oder zu konvertieren. Später traf es auch einfache Bürger. Ferdinand II. wurde auch der Satz zugeschrieben: „Besser eine Wüste regieren als ein Land voller Ketzer.“
Die böhmischen Stände, angeführt von Graf Heinrich Thurn, begehrten dagegen auf und warfen kaiserliche